Kabinettschefin im Zentrum des Skandals
In Tschechiens politischer Landschaft bleibt durch den immensen Skandal, dessen Aufdeckung am Donnerstag mit landesweiten Razzien begonnen hat, kein Stein auf dem anderen: Noch immer befindet sich die Spitzenpolitik des Landes nachgerade in Schockstarre, noch immer kommen ständig neue - und immer bizarrere - Details ans Tageslicht bis hinein ins Schlafzimmer von Premier Petr Necas.
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Inzwischen geht es bei dem Skandal nicht bloß um ein Netz an Korruption und Kontakten zum organisierten Verbrechen, das vor allem die konservative Regierungspartei ODS von der höchsten Ebene bis hinunter zu lokalen Ämtern flächendeckend überzieht - sogar die jüngst bekanntgegebene Scheidung Necas’ von seiner Frau nach 25 Jahren Ehe dürfte etwas mit dem Skandal zu tun haben: Sie war davor offenbar illegalerweise vom Militärgeheimdienst beschattet worden, anscheinend im Auftrag von Necas’ verhafteter Kabinettschefin Jana Nagyova.

AP/Vaclav Salek
Jana Nagyova
Mehr als nur berufliche Verbindung?
Necas hatte erst kürzlich gesagt, dass er und seine Frau Radka Necasova seit Jänner getrennt voneinander leben würden. Spätestens seit damals machte in Prag das Gerücht die Runde, die am Donnerstag verhaftete Nagyova verbinde mit dem Premier mehr als der Beruf. Dass die als äußerst ehrgeizig bis rücksichtslos geltende Nagyova durch die Bespitzelung von Necas’ Frau Belastungsmaterial aus privaten Motiven sammeln ließ, scheint zumindest nicht undenkbar.
Der Schwerpunkt der seit Mittwochnacht laufenden Kommandoaktion der tschechischen Polizei unter Beteiligung von Hunderten Beamten liegt allerdings nach wie vor auf Korruptionsvorwürfen: Das Finanzministerium ist dabei ebenso im Fokus wie das Verteidigungsministerium, das Wirtschaftsministerium, das Prager Rathaus und zahlreiche lokale Ämter und Regierungseinrichtungen. Die tschechische Polizei gibt weiterhin nur die nötigsten Informationen preis.
Polizei sagt so wenig, wie sie nur kann
So musste die Polizei Freitagmittag notgedrungen verlautbaren, wie viele formelle Ermittlungsverfahren gegen die am Mittwoch und Donnerstag Verhafteten nach dem Ablauf der maximal 48-stündigen formlosen Haft tatsächlich eingeleitet werden. Die Ermittlungen richten sich gegen sieben Personen, teilte die Staatsanwaltschaft dementsprechend mit. Ihnen werde unter anderem Missbrauch des Militärgeheimdienstes vorgeworfen. Unter den Beschuldigten seien ein Regierungsmitarbeiter und zwei Angehörige des Geheimdienstes.
Frühere Abgeordnete stünden zudem unter Verdacht, ihr Mandat gegen finanzielle Vergünstigungen niedergelegt zu haben, hieß es seitens der Staatsanwaltschaft Olomouc (Olmütz). Damit waren möglicherweise die ehemaligen ODS-Spitzenpolitiker Petr Tluchor und Ivan Fuska gemeint, die sich bis Ende 2012 als ehrgeizige ODS-interne Rebellen positioniert hatten, die Necas das Leben schwermachten. Dann verstummten sie jedoch überraschend und tauchten wenig später an der - bestens dotierten - Spitze staatlicher Unternehmen auf.
„Versteckte“ Einsatzplanung in der Provinz
Die Polizeiaktion zu verantworten hat Robert Slachta, Chef der Polizeieinheit zum Kampf gegen organisiertes Verbrechen (UOOZ). Er war einst von der ODS selbst als UOOZ-Chef eingesetzt worden, um das schlechte Image der Regierung nach mehreren Korruptionsfällen aufzupolieren. In der Vergangenheit hatte Slachta etwa schon beim Vorgehen gegen die tschechische rechtsradikale Szene und beim Skandal um tödlichen gepanschten Alkohol 2012 bewiesen, dass er seine Aufgaben verbissen bis zum Ende führt.

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Robert Slachta
Der nunmehrige Polizeieinsatz wurde bis ins letzte Detail geplant. Allein, dass Slachta die gesamte Aktion durch behördliche Tricks in die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft im beschaulichen mährischen Olomouc (Olmütz) verlagerte, spricht Bände. Vermutlich gelang es nur durch diesen Schachzug, die geplante Großrazzia vor der politischen Elite im rund 300 Straßenkilometer westlich gelegenen Prag bis zum letzten Moment zu verheimlichen.
Für Necas und die ODS wird es eng
Für Necas und die ODS wird die Situation jedenfalls immer unausweichlicher. Der Koalitionspartner TOP 09, der am Donnerstag ebenso wie die Opposition schockstarr gewirkt hatte, rückte am Freitag deutlich von Necas ab. Die Opposition hatte sich 24 Stunden nach dem Platzen des Skandals ebenso erholt und rüstet für einen Misstrauensantrag gegen Necas’ Regierung, dem Neuwahlen folgen sollen.
Lukas Zimmer, ORF.at
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