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Lage spitzt sich weiter zu

Die Lage in einigen deutschen Hochwassergebieten an der Elbe spitzt sich immer weiter zu. In Magdeburg drohte am Sonntag ein Stadtteil vollzulaufen, 23.000 Menschen wurden in Sicherheit gebracht. Die Flutwelle rollt nun auf Brandenburg und Norddeutschland zu. Zu allem Überfluss lösten in Sachsen-Anhalt Anschlagsdrohungen auf Deiche Unruhe aus.

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Zehntausende Menschen wissen nicht, wann sie zurück in ihre überschwemmten Häuser dürfen. Bundespräsident Joachim Gauck sprach den Hochwasseropfern sein Mitgefühl aus. Elbe-aufwärts in Sachsen gab es starke Regengüsse. Gauck besuchte am Sonntag die Hochwassergebiete in Sachsen-Anhalt. „Man kann sich nicht vorstellen, was da alles zu bewältigen ist“, sagte er. In der Marktkirche in Halle gedachte er gemeinsam mit Hunderten Menschen der Opfer der Flutkatastrophe in Deutschland, die ihr Leben, ihr Hab und Gut und ihre Existenz verloren haben. Mindestens sieben Menschen starben, mehrere werden vermisst.

Mann schützt sein Haus mit Sandsäcken vor dem Hochwasser

APA/EPA/Peter Förster

Ein Mann schützt sein Haus mit Sandsäcken

Wo etwa in Sachsen das Wasser schon wieder abfließt, bleiben stinkender Schlamm und Sperrmüllberge zurück. Viele Anwohner sind fassungslos. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) versprach am Samstag den Flutopfern, man werde beim Wiederaufbau alles tun, was möglich sei. „Deutschland steht in bewundernswerter Weise zusammen in diesen Tagen - und das soll auch so bleiben.“ Politiker forderten außerdem, Hochwasserschutzbauten schneller zu genehmigen und Vetomöglichkeiten von Bürgern und Umweltschützern zu begrenzen.

Deutschlandweit stemmen sich weiterhin rund 70.000 Feuerwehrleute und 11.000 Bundeswehrsoldaten gegen die Flut. Der Deutsche Feuerwehrverbandspräsident Hans-Peter Kröger drohte Katastrophentouristen damit, auch sie zur Mithilfe zu verpflichten.

„Wir nehmen die Drohung ernst“

Vor allem in Sachsen Anhalts Landeshauptstadt Magdeburg ist die Situation kritisch. Die Elbe erreichte dort Sonntagfrüh noch viel höhere Stände als erwartet. Mit 7,50 Metern stand das Wasser rund 80 Zentimeter höher als bei der Jahrhundertflut 2002. Nachdem der Stadtteil Rothensee vollzulaufen drohte, wurden 23.000 Bewohner in Sicherheit gebracht. Einsatzkräfte kämpfen vor allem um ein Umspannwerk, das für die Stromversorgung der Stadt wichtig ist. „Wir müssen auf alles gefasst sein“, sagte Oberbürgermeister Lutz Trümper.

Dramatisch zugespitzt hatte sich nach einem Dammbruch auch die Lage unweit von Barby, wo das Hochwasser der Saale auf das Hochwasser der Elbe trifft. In der Chemiestadt Bitterfeld konnten hingegen 10.000 Bewohner zurückkehren, nachdem ein Deich abgedichtet wurde. Für Unruhe sorgte ein Schreiben, in dem Unbekannte mit Anschlägen auf Deiche drohten. „Wir nehmen die Drohung ernst“, sagte Innenminister Holger Stahlknecht (CDU). Die Deiche würden nun von der Luft und vom Boden aus verstärkt überwacht.

Deutsche Soldaten schaufeln Sandsäcke

APA/EPA/Bodo Marks

Soldaten helfen in allen betroffenen Landesteilen aus

Situation dürfte noch schlimmer werden

Nord-Brandenburg steht das Schlimmste noch bevor. In Wittenberge stand die Elbe Sonntagfrüh mit 7,67 Metern schon knapp 25 Zentimeter höher als 2002. Am Dienstag werden sogar 8,10 Meter erwartet. Den Einsatzkräften stehe ein tagelanger Kampf gegen das Hochwasser bevor, sagte ein Sprecher des Koordinierungszentrums Krisenmanagement. Lautsprecherwagen der Polizei forderten die Einwohner einiger Stadtteile auf, ihre Wohnungen zu verlassen.

In Norddeutschland hat sich die Hoffnung zerschlagen, diesmal glimpflich davonzukommen. Am Mittwoch und Donnerstag sollen Rekordwasserstände erreicht werden. Wegen des steigenden Pegels sollte bis zum Sonntagabend die Altstadt von Hitzacker evakuiert werden. Im Wendland wurden Freiwillige gesucht, die Sandsäcke befüllen. Einsatzkräfte stapelten eilig Sandsäcke auf die Deiche. Die Bundeswehr schickte Soldaten zur Verstärkung.

Hubschrauber der Bundeswehr bringt Sand in die Hochwassergebiete

APA/EPA/Jens Wolf

Auch Hubschrauber sind im Einsatz

Starke Regengüsse

Sachsen hat das Schlimmste zwar schon überstanden, doch das Wasser sinkt nur langsam und drückt weiterhin auf die Deiche. Rund 13.000 Menschen sind nach wie vor von Evakuierungen betroffen. In der Nacht zum Sonntag gab es zudem starke Regengüsse, die nach Einschätzung der Behörden aber für die Elbe nicht gefährlich werden. In vielen Orten gehen die Aufräumarbeiten weiter. Hoteliers klagten über Stornierungen, selbst für den weit entfernten Sommerurlaub.

An der Donau ist das Hochwasser weitgehend überstanden - doch zurück bleiben Unmengen Schlamm. „Es ist eine stinkende Brühe“, sagte ein Stadtsprecher in Deggendorf. Mit schweren Räumfahrzeugen reinigte die Polizei Straßen von Schlamm und Treibgut. Bewohner schaufelten die Überreste der Flut aus ihren Häusern. In einer Schule stapelten sich gespendete Kleidung, Schuhe, Zahnbürsten und Duschgel. Bäckereien brachten Kuchen und Gebäck. Die Anteilnahme sei unglaublich, sagte Schulleiter Robert Seif. „Die Flutkatastrophe schweißt die Menschen im Raum Deggendorf zusammen.“

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