Absage an Alleingänge
Von einem „historischen Moment“ sprechen die Befürworter - von einer Gefahr für das „heilige Gut Reisefreiheit“ die Kritiker. Bei kaum einem anderen Thema erhitzen sich die Gemüter in Europa so sehr wie bei der Reform des Schengener Abkommens. Nach mehr als zwei Jahren Streit haben sich die Staaten und die EU-Kommission nun auf eine Reform einigen können.
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Wie die irische EU-Ratspräsidentschaft am Donnerstag in Brüssel mitteilte, sollen durch eine neue „Notfallklausel“ künftig auch bei einem Flüchtlingsansturm die Grenzen wieder dicht gemacht werden dürfen. Betont wurde gleichzeitig, dass die Reform kein Freibrief sei, um willkürlich wieder Grenzkontrollen einführen zu können.
Bis zu zwei Jahre Grenzkontrollen möglich
Alleingänge, wie von mehreren Staaten gefordert, werde es EU-Diplomaten zufolge nicht geben, da die Entscheidung für die Einführung von zeitlich begrenzten Grenzkontrollen auf europäischer Ebene fallen werde. Die Maßnahme sei zudem als letztes Mittel unter außergewöhnlichen Umständen zu betrachten. Sollte ein Schengen-Staat aber trotz EU-Hilfe seine Außengrenzen nicht mehr schützen können und die innere Sicherheit anderer Staaten „massiv bedroht“ sein, sollen die Schengen-Länder künftig bis zu zwei Jahre lang wieder ihre Grenzen überwachen dürfen.
26 Länder im Schengen-Raum
Mit dem Schengener Abkommen wurden 1985 zunächst die Schlagbäume zwischen Deutschland, Frankreich und den Benelux-Ländern abgeschafft, heute gehören 26 Staaten dazu. An den Grenzen zwischen den Schengen-Staaten werden Reisende nur stichprobenartig bzw. bei besonderen Ereignissen kontrolliert. Zum Schengen-Raum gehören neben 22 EU-Ländern auch Norwegen, Island, die Schweiz und Liechtenstein.
Bislang sind Kontrollen von 30 Tagen nur bei Großereignissen wie Fußballspielen sowie für zehn Tage nach Notfällen wie Terroranschlägen erlaubt. Dies soll auch künftig so bleiben. Die neuen Regeln könnten laut EU-Kommission nach einer Übergangsphase im Herbst 2014 in Kraft treten. Die Einigung muss in den nächsten Wochen noch vom Parlament und den EU-Staaten angenommen werden.
Seit 2011 laufende Debatte
Als Auslöser der Debatte gilt der Arabische Frühling im Jahr 2011. Damals kamen Tausende Flüchtlinge aus Nordafrika in das EU-Land Italien und reisten weiter nach Frankreich. Prompt schloss Paris die Grenze zu Italien und es kam zu einem Grenzstreit.
Auch die Ankündigung der dänischen Regierung, permanente Zollkontrollen einzurichten, sorgte für Unmut. Über solche Maßnahmen würde künftig auf EU-Ebene beraten. „Die Angriffe auf die Freizügigkeit, wie wir sie von Italien, Frankreich oder Dänemark erlebt haben, sind abgewehrt“, sagt der der deutsche EU-Abgeordnete Manfred Weber (CSU) zu der Reform.
Laut EU-Diplomaten könnte Griechenland ein möglicher Auslöser des neuen bereits als „Lex Griechenland“ bezeichneten Notfallmechanismus werden. Der Grund: Viele EU-Staaten sind unzufrieden, dass Athen seine Grenze zur Türkei - eine Außengrenze der EU - nicht ausreichend sichert.
Reform „zum Wohl von Europas Bürgern“
Die nur vor der Umsetzung stehende Ausnahmeregelung wurde bereits im vergangenem Sommer von den EU-Innenministern befürwortet - erst jetzt wurde allerdings der bis zuletzt im Raum gestandenen Forderung nach Alleingängen eine Absage erteilt. Das künfige Procedere: Die EU-Kommission soll auf Anfrage Maßnahmen vorschlagen und der EU-Ministerrat eine Empfehlung dafür aussprechen. Brüssel kontrolliert dann die Umsetzung.
Laut EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström werde die EU-Kommission dann auch vor Ort und Stelle überwachen, ob „die Staaten ihre Verpflichtungen erfüllen und nicht ungerechtfertigt Grenzen kontrollieren.“ Gleichzeitig zeigte sich Malmström überzeugt, dass die Reform den Schengen-Raum „zum Wohl von Europas Bürgern“ stärken werde.
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