Arbeitslosigkeit ist bestimmendes Thema
Der Wahlkampf für die Nationalratswahl hat längst begonnen. Schon jetzt zeigt sich, dass die Themen von den Auswirkungen der europäischen Wirtschafts- und Finanzkrise deutlich mitbestimmt sind. ORF.at bat die Parlamentsklubs um Stellungnahmen auf die Frage nach den drängendsten Krisenbaustellen in Österreich. Ein Thema, das für alle Parteien im Vordergrund steht, ist demnach die Arbeitslosenquote - wenn auch unterschiedlich interpretiert.
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Österreich könne die Wirtschaftskrise „nicht im Alleingang hinter sich lassen“, hieß es in der Beantwortung der Anfrage aus dem sozialdemokratischen Parlamentsklub. Aber man habe im Umgang mit der Krise vieles richtig gemacht - das zeige etwa die niedrigste Arbeitslosenquote im Euro-Raum. „Auf Dauer brauchen wir aber in Europa wieder Wachstum, die größte Bremse dabei ist die hohe Arbeitslosigkeit in der EU“, so die Sozialdemokraten. Abgesehen von der sozialen Katastrophe schade sie nämlich der Wirtschaft.
SPÖ: Jugendarbeitslosigkeit und Bankensektor
Als größte Krisenbaustelle in Europa bezeichnet die SPÖ die Jugendarbeitslosigkeit. Dagegen müssen man mit „voller Kraft kämpfen“. „Gelingt uns das nicht, verlieren wir eine ganze Generation.“ Für Österreich sei nach wie vor der Bankensektor problematisch: „Bankenrettungen sind kostspielig, und das Geld brauchen wir anderswo: Zum Beispiel für mehr Kinderbetreuungsplätze und sozialen Wohnbau. Daher müssen wir das Finanzsystem so regulieren, dass es stabil ist und in Zukunft keine öffentlichen Mittel mehr fließen müssen. Die Aufsichtsbehörden haben wir schon neu organisiert, das Bankeninsolvenzrecht wird der nächste Schritt“, so die Sozialdemokraten.
ÖVP: „Krise bisher gut gemeistert“
Auch der Koalitionspartner ÖVP ist naturgemäß der Ansicht, dass Österreich die Krise „bisher gut gemeistert“ hat. Auch die Volkspartei nennt in ihrer Stellungnahme als Beweis die im EU-Vergleich niedrigste Arbeitslosenquote. „Diese resultiert auch aus dem guten Mix von Industrie und klein- und mittelständischen Unternehmen.“ Das Modell der dualen Ausbildung sichere zudem „einen Spitzenplatz bei der Jugendbeschäftigung.“ Mit einem prognostizierten moderaten BIP-Wachstum von einem Prozent liege man heuer in Europa „noch im vorderen Bereich“.
In einigen Standortrankings habe man allerdings an Boden verloren. „Darum gilt es dringend notwendige Reformen umzusetzen, die die Wettbewerbsfähigkeit stärken und so Österreichs Wirtschaft für die internationalen Herausforderungen rüsten“, fordert die ÖVP.
Gegenwärtig bekomme auch die „bisher robuste heimische Wirtschaft die schwächelnde europäische Konjunktur zu spüren“. Um die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft zu stärken, brauche es „optimale Voraussetzungen für ihr unternehmerisches Engagement“. Diese sind aus ÖVP-Sicht mit fünf Maßnahmen umzusetzen: Ein „Minimum an bürokratischen Belastungen“, eine „Reduktion bzw. Vereinfachungen im Bereich der Lohnnebenkosten“, ein „klar strukturiertes Konzept im Bereich Fachkräfte und Zuwanderung“, „innovative Ansätze im Bereich der Unternehmensfinanzierung“ und „Investitionsanreize für die Betriebe“.
FPÖ-Rundumschlag gegen Regierung
Bei den Nichtregierungsparteien fällt das Urteil über die wirtschaftliche Lage Österreichs pessimistischer aus. Die FPÖ etwa bezeichnet das prognostizierte Wachstum als „relativ bescheiden“. „Die Stagnation der letzten Quartale ist nach wie vor deutlich spürbar“, heißt es in der Stellungnahme gegenüber ORF.at. Die Oppositionspartei holt darin zum Rundumschlag gegen die Regierungspolitik aus und kritisiert sowohl die „rot-schwarze Belastungspolitik“, die das „Wachstum und die Zukunftschancen“ drückten, als auch neu eingeführte Steuern und umfangreiche Abgabenerhöhungen, die Investitionen dämpften. Es fehlten Investitionen in Bildung sowie Forschung und Entwicklung und eine Energiestrategie.
Als „die drei großen Baustellen“ der Wirtschaftskrise sieht die FPÖ die hohe Steuer- und Abgabenbelastung, die das Land „in der Wettbewerbsfähigkeit“ zurückwerfe. Zweitens eine komplizierte Verwaltung „und die bürokratischen Auswüchse“ - „gedoppelt wird dieser Belastungsfaktor durch den Reformunwillen der SPÖVP-Bundesregierung.“ Als Drittes kritisiert die FPÖ, dass öffentliche Investitionen in Infrastrukturmaßnahmen „hinterherhinken“. „Sehr schmerzend“ seien die hohen Arbeitslosenzahlen und das „Zurückstutzen der finanziellen Unterstützung für Lehrbetriebe bei der Lehrlingsausbildung“.
Grüne fordern Kehrtwende
Etwas pragmatischer sind die Grünen - Österreich gehöre zu jenen Ländern, die die Finanz- und Wirtschaftskrise im Vergleich zu anderen europäischen Staaten „gut“ überstanden haben. Allerdings müsse auch gesehen werden, dass die Arbeitslosigkeit - auch wenn im EU-Schnitt niedrig - „steigend und rekordverdächtig“ sei. „Vor der Krise hatte Österreich 60.000 Arbeitslose weniger“, heißt es in der Beantwortung der ORF.at-Anfrage durch den grünen Parlamentsklub.
Die Perspektiven seien düster, auch für Österreich. „Das schwache Wachstum in Österreich reicht nicht aus, um die Arbeitslosigkeit abzubauen und die Schuldenquote nachhaltig zu reduzieren. Europa braucht eine Kehrtwende“, fordern die Grünen. Ein erster Schritt bestünde darin, den Sparzwang in jenen Staaten zu reduzieren, die finanzpolitischen Spielraum haben. „Aus der Austeritätsfalle kommen Österreich und die Union nur mit einer Zukunftsstrategie, die den Namen verdient.“
Als größte Krisenbaustelle in Österreich bezeichnet der Parlamentsklub die verstaatlichten Banken, allen voran die Hypo Alpe-Adria und die Kommunalkredit samt ihrer „Bad Bank“. „Bislang mussten die österreichischen Steuerzahler schon sechs Milliarden Euro für diese Banken lockermachen. Das politische Versagen der Finanzministerin Fekter und ihres Vorgängers Pröll führen nunmehr dazu, dass die Sanierung bzw. die Abwicklung der Banken unter Druck der Europäischen Kommission vorgenommen werden muss.“ Das werde die Steuerzahler noch weitere Milliarden Euro kosten, „die wir dringend für die Schulen, die Universitäten sowie für Kinderbetreuungsplätze und die Pflege brauchen würden“.
BZÖ: Schwächelnde Staaten raus aus Euro
Auch im BZÖ-Klub ist man der Ansicht, dass die Krise noch länger zu spüren sein wird. „Alle Wirtschaftsdaten der Euro-Zone deuten darauf hin, dass wir den Höhepunkt noch gar nicht erreicht haben. Zur Zeit kaufen sich die Staaten auf Schulden und Kosten der nächsten Generationen um sehr viel Geld Zeit, die aber leider nicht für die notwendigen Reformen genützt wird.“ In diesem Umfeld komme auch Österreich nur schwer vom Fleck und leide unter einer Rekordarbeitslosigkeit. Die „Reformunwilligkeit der SPÖ/ÖVP-Bundesregierung“ verhindere, „lange aufgeschobene und liegengebliebene Reformen umzusetzen“. Als Beispiel nennt das BZÖ etwa die Pensions-, die Gesundheits- und die Verwaltungsreform.
Wichtig ist aus Sicht des BZÖ die vielmals propagierte Entlassung von finanzmaroden Staaten aus der Euro-Zone, „um den Euro aber auch die Wirtschaft dieser Staaten langfristig zu retten und nicht mehr nur Großbanken milliardenschwer zu finanzieren“. Für Österreich fordert das BZÖ einen schlankeren Staat, eine Steuersenkung mittels BZÖ-„Fair Tax“ und mehr Investitionen in Bildung. „Wenn andere billiger sind, müssen wir besser sein.“
Team Stronach: „Arbeitsplätze sind das Wichtigste“
Verbesserungspotenzial im Umgang mit der Krise sieht auch das Team Stronach (TS). „Korruption, Freunderlwirtschaft, Überverwaltung und Schuldenberge, dazu noch gewaltige Haftungen für die Schuldnerländer in der EU, die schlecht wirtschaften“ - die ÖVP/SPÖ-Regierung habe „Österreich zu vielen Milliarden verpflichtet“. Die Regierungsparteien gäben lieber viel Geld für die Großbankenrettung aus, „anstatt, dass sie in unserem Land investieren und beispielsweise alleinerziehende Mütter unterstützen oder den Mindestpensionisten die Pension erhöhen. Wir müssen das System ändern, sonst fahren wir gegen die Wand!“, so das TS.
Als größte Gefahr sieht man beim TS, dass die Wirtschaft „einbricht“ und viele Arbeitsplätze verloren gingen. „Arbeitsplätze sind das Wichtigste in einer Gesellschaft. Das größte Problem ist, dass die Politiker in der Regierung wenig Verständnis für die Wirtschaft haben“, heißt es in der Stellungnahme.
Petra Fleck, ORF.at
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