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Angeblich nur leicht verletzt

Kleiner Hoffnungsschimmer für die Rettungskräfte in Bangladesch: Nach dem verheerenden Fabrikseinsturz vor 16 Tagen konnte am Freitag eine Frau lebend aus den Trümmern gezogen werden. Sie war im Erdgeschoß begraben gewesen - Retter hätten sie zunächst mit Wasser und Keksen versorgt, bis sie aus den Trümmern befreit und in ein Krankenhaus gebracht werden konnte.

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Die Zeitung „The Daily Star“ berichtete online, die Frau sei nur leicht verletzt. Die Rettungskräfte stellten demnach gegen 15.00 Uhr (Ortszeit) den Einsatz schwerer Maschinen ein, als sie ein Stöhnen unter dem Schuttberg hörten. „Als ich rief, ob da drinnen noch jemand am Leben sei, antwortete sie und bat um Hilfe“, sagte Major Moazeem. „Sie war in einer Lücke im Keller gefangen“, sagte er, habe sich aber bewegen können.

Eine knappe Stunde dauerte es, bis die Retter mit Hammern, Handbohrern und Sägen zu ihr vorgedrungen waren. Sie wurde umgehend in ein Spital gebracht. „Sie hat offenbar Wasser bei sich gehabt oder von dem Wasser getrunken, das wir in das Gebäude gepumpt haben“, erklärte sich Feuerwehrchef Ahmed Ali die lange Überlebensdauer der Frau. Ein anderer Retter erzählte, dass die Frau Kekse zu essen hatte, nur die letzten beiden Tage habe sie nichts mehr zu essen gehabt.

Seit zwölf Tagen keine Überlebenden

Fast 2.500 Menschen wurden verletzt, als das achtstöckige Geschäfts- und Fabrikgebäude in einem Vorort der Hauptstadt Dhaka am 24. April in sich zusammenstürzte. Die bisher letzte Überlebende hatten die Einsatzkräfte am 28. April gefunden, vier Tage nach der Katastrophe. Die Textilarbeiterin konnte jedoch nicht gerettet werden, weil beim Versuch, sie zu befreien, ein Feuer ausgebrochen war.

Nach Angaben des Zentrums für Katastrophenmanagement bargen die Rettungskräfte bis Freitag 1.043 Leichen aus den Trümmern des Gebäudes. Die meisten Toten sind Frauen, die in den Textilfabriken in den oberen Stockwerken des Hauses Kleidung nähten. Der Einsturz ist der schlimmste Fabriksunfall in der Geschichte des Landes.

Zeit als wichtigster Überlebensfaktor

Menschen, die in den Trümmern eingestürzter Gebäude eingeschlossen sind, überleben meist nur eine kurze Zeit. Die meisten Geretteten werden innerhalb von 24 Stunden aus dem Schutt geholt. Ein Mensch kann nur etwa drei Tage ohne Trinken überleben. Nur wenn Verschüttete Zugang zu Flüssigkeit haben, haben sie auch danach noch eine Überlebenschance.

Wie jetzt in Bangladesch haben Menschen aber sogar wochenlang unter Trümmern überlebt. Als „Wunder“ wurde 1977 die Rettung eines 19-jährigen Rumänen bezeichnet, der elf Tage nach einem Erdbeben in Bukarest lebend geborgen wurde. Eine Frau in Pakistan überlebte nach einem Beben im Jahr 2005 mit Essensresten und Regenwasser sogar mehr als zwei Monate unter den Trümmern eines eingestürzten Hauses.

Petition gegen Ausbeutung

Das Unglück wirft ein Schlaglicht auf die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen in der Textilbranche in Bangladesch, in der vor allem Frauen zu sehr geringem Lohn angestellt sind. Mode- und Bekleidungshändler der westlichen Welt profitieren von den günstig produzierten Gütern solcher Fabriken. Die EU hat mit Strafmaßnahmen gedroht, sollte die Regierung in Bangladesch die Sicherheitsstandards nicht verbessern. Neun Menschen wurden im Zusammenhang mit dem Gebäudeeinsturz bisher festgenommen, darunter auch der Hauseigentümer.

Mehr als eine Million Menschen weltweit haben unterdessen eine Petition der Clean-Clothes-Kampagne unterzeichnet, die Markenunternehmen auffordert, das verbindliche bangladeschische Brandschutz- und Gebäudesicherheitsabkommen zu unterzeichnen, berichtete die Organisation am Freitag in einer Aussendung. „Konsumentinnen und Konsumenten weltweit haben eine klare Nachricht an Markenfirmen wie Kik, Mango, Primark, GAP, C&A und Benetton, die ihre Kleidung in Bangladesch fertigen lassen, geschickt“, so Michaela Königshofer, Leiterin der Clean-Clothes-Kampagne in Österreich.

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