Ballmer zunehmend unter Druck
Microsofts Versuch, mit Windows 8 Tablet und PCs zu verschmelzen, ist bisher nicht aufgegangen. Nach schlechten Verkaufszahlen und viel Kritik der Nutzer hat Microsoft nun ein Update angekündigt. Damit könnte der verschwundene „Start“-Button wieder eingeführt werden - und Steve Ballmer eine Verschnaufpause bekommen.
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Das Update soll noch in diesem Jahr erscheinen, gab Microsoft am Dienstag bekannt. Eine erste Testversion soll im Juni veröffentlicht werden. Das Update, das unter dem Codenamen Windows Blue entwickelt wird, soll den Nutzern laut Microsoft „mehr Optionen“ bieten. Es ermögliche dem Konzern zudem, „auf die Rückmeldungen unserer Kunden zu reagieren“, so Microsoft-Managerin Tami Reller.
Neustart für den „Start“-Button?
Weitere Details zum genauen Inhalt des Updates hat Microsoft bisher nicht veröffentlicht. Allerdings wird allgemein erwartet, dass neben diversen Anpassungen und Optimierungen bei der Bedienung sowie neuen Apps beim größten Kritikpunkt von Windows 8 nachbessert wird: bei dem verschwundenen „Start“-Button. So könnte Windows 8 nach dem Update mit der gewohnten Fensteroberfläche starten statt dem Kacheldesign Metro, das vor allem für touchfähige Geräte optimiert ist.
Reller sagte gegenüber dem IT-Blog The Verge, dass Microsoft versuche, zu verstehen, was genau die Nutzer vermissen. Microsoft verstehe aber, dass für manche Nutzer die Lernkurve zu steil sei. Windows-Chefin Julie Larson-Green sagte, Microsoft wolle, dass sich die Nutzer mit Windows 8 wieder wohler fühlen. Laut Larson-Green wird über die volle Rückkehr des „Start“-Buttons auch bei Microsoft intern viel diskutiert. Sie sagte aber auch, dass Microsoft auf dem eingeschlagenen Weg grundsätzlich bleiben möchte.
Neue Formfaktoren möglich
Laut Reller will Microsoft bei dem Update weiters auf das Feedback von Firmen eingehen, die ein wichtiges Standbein in Microsofts Geschäftsstrategie sind. Doch auch die Hardwarehersteller sollen bedient werden, da mit dem Update neue Geräteformen unter zehn Zoll möglich werden sollen. Mittlerweile haben alle Hersteller die gefragten sieben oder acht Zoll großen Geräte im Angebot, nach anfänglicher strikter Ablehnung sogar Apple. Hier muss Microsoft jetzt nachziehen.
Marktanteil bisher gering
Microsoft hatte Windows 8 als einheitliche Basis für klassische Computer sowie Tablet-PCs und Smartphones im Oktober 2012 auf den Markt gebracht. Das System mit der Kacheloberfläche konnte sich auf Smartphones und Tablets bisher aber nicht durchsetzen: Microsofts Marktanteil ist dort weiterhin klein und weit abgeschlagen hinter den Konkurrenzsystemen Android von Google und iOS von Apple. Auch die Hoffnung zahlreicher Computerhersteller, durch Windows 8 steigende Verkäufe melden zu können, ging nicht in Erfüllung.
Vor allem Office-Software bringt Gewinn
Microsoft hat laut eigenen Angaben bisher 100 Mio. Lizenzen von Windows 8 verkauft. Damit liegt Windows 8 laut Angaben Microsofts etwa gleich gut wie sein Vorgänger Windows 7. Allerdings hat sich das Tempo verlangsamt: Die ersten 60 Mio. Lizenzen meldete Microsoft im Jänner. Für den US-Marktforscher IDC ist die Unzufriedenheit mit Windows 8 einer der Gründe für den bisher stärksten Einbruch des PC-Marktes. Der Absatz der Notebooks und Desktops ist im ersten Quartal um fast 14 Prozent gefallen.
Im dritten Geschäftsquartal sorgte vor allem das florierende Geschäft mit Serversoftware und Büroprogrammen für Firmenkunden für die guten Zahlen. Die Windows-Sparte hingegen stagnierte - ebenso wie die Microsoft-Aktie in den letzten Jahren, die im Gegensatz zur Konkurrenz praktisch nicht an Wert gewonnen hat - allerdings auch nicht verloren.
Kritik an fehlendem Weitblick
Auch wenn Microsofts letzte Quartalszahlen mit einem Umsatzplus von 18 Prozent und um 19 Prozent gestiegenem Gewinn gut sind, steht Microsoft-Chef Ballmer unter gehörigem Druck. Schon mehrmals wurden Stimmen laut, wonach der von Microsoft-Gründer Bill Gates selbst eingesetzte Ballmer abgelöst gehört. Zuletzt kritisierte der frühere Microsoft-Manager Joachim Kempin Ballmers Strategie als grundlegend falsch. Ballmer habe keine Vision und keinen Überblick über den Gesamtmarkt, so Kempin.
Dass Ballmer jetzt geht, galt zuletzt allerdings als unwahrscheinlich. Solange Ballmer den Rückhalt von Gates hat, sei er nicht gefährdet, meinen Analysten. Im Rahmen der Bekanntgabe der letzten Quartalszahlen kündigte zudem bereits Microsofts langjähriger Finanzchef Peter Klein an, dass Unternehmen zu verlassen, um sich seiner Familie zu widmen. Im November ging schon Steven Sinofsky, bis dahin für Windows und damit auch die Entwicklung von Windows 8 zuständig.
Windows 8 zu gewagt?
Ballmer wird zugestanden, mit Microsoft neue Wege eingeschlagen zu haben, manches könnte aber zu früh gewesen sein - darunter Windows 8. Die Verschmelzung eines klassischen Desktopgeräts mit Tabletfunktionen ist nur mit den entsprechenden touchfähigen Geräten sinnvoll - die sich aber zum Arbeiten nur teilweise eignen.
Auch bei Tablets verwenden viele Nutzer zum Schreiben längerer Texte lieber physische Tastaturen und kaum jemand wird gerne auf dem Schirm seines Arbeitsrechners tappen, schon allein aus Ergonomiegründen. Die Nutzer würden sich vor Windows 8 entsprechend dumm vorkommen, meinte ein Analyst des IT-Marktforschers Envisioneering.
Für Microsoft ist es wichtig, möglichst schnell günstige Geräte im Markt platzieren zu können, wenn auch nicht unbedingt alleine, wie es der Hersteller zuletzt mit seinen Surface-Geräten versucht hat. Zwar kann der Hersteller dank seiner Größe und breiteren Aufstellung auch größere Fehler wie Windows Vista verkraften, allzu viele Experimente und vor allem Fehler kann sich Ballmer aber wohl nicht mehr leisten.
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