Brisante Bilder aus 124 Meter Tiefe
Ein unbemanntes, ferngesteuertes U-Boot hat einem Kamerateam des deutschen Südwestrundfunks (SWR) brisante Bilder aus dem Ärmelkanal geliefert: Auf dem Meeresboden sind unversehrte Fässer mit radioaktivem Abfall zu sehen. Laut offizieller Darstellung sollten die Fässer längst verrostet und unschädlich geworden sein.
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Wie aus Berichten der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) hervorgeht, wurden von Großbritannien und Belgien zwischen 1950 und 1963 17.244 Tonnen (etwa 28.500 Fässer) mit schwach bis mittelradioaktiven Abfällen im Unterwassergraben Hurd Deep nordöstlich der britischen Kanalinsel Alderney versenkt, berichtete der „Spiegel“ (Onlineausgabe) am Donnerstag.

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Fundstelle im Unterwassergraben Hurd Deep
Der Atommüll stammt aus europäischen Krankenhäusern und Kernreaktoren. Die Verstrahlung des Materials in den britischen Fässern entspricht laut IAEA-Angaben 58 Billionen Becquerel, jene der belgischen 2,4 Billionen Becquerel Alpha-, Beta und Gammastrahlen. Die Einheit ist ein Maß für die Radioaktivität eines Stoffes. Je höher der Becquerel-Wert, desto mehr Atomkerne zerfallen pro Sekunde. Der EU-Grenzwert für Trinkwasser liegt bei zehn Becquerel pro Liter.
„Noch viel mehr da unten“
Doch anders als von der IAEA behauptet, seien die Fässer nicht verrostet, so dass ihr Inhalt bis zur Unschädlichkeit verdünnt wurde, heißt es in dem SWR-TV-Bericht. Vielmehr geben die teils erhaltenen, aber löchrigen Fässer Radioaktivität ab, wie die neuen Aufnahmen des SWR-Filmteams nahelegen. Sie zeigen in 124 Meter Tiefe, wenige Kilometer vor der französischen Küste, zwei solche Atommüllfässer.

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Greenpeace entdeckte bereits im Jahr 2000 Atommüllfässer im Ärmelkanal
„Wir denken, dass noch viel mehr unversehrte Fässer da unten liegen“, wird der Journalist Thomas Reutter im „Spiegel“ zitiert. Es wäre sehr unwahrscheinlich, dass man bei dem Tauchgang ausgerechnet die beiden einzigen unbeschädigten Fässer entdeckt habe.
„Hohes Gefährdungspotential“
Auch an anderen Stellen, an denen bis in die 80er Jahre Atommüll im Atlantik versenkt wurde, sollen laut IAEA Tausende Fässer aus aller Herren Länder, darunter auch aus Deutschland, lagern – auch hochradioaktiver Abfall. Demnach spricht sich - mit den Recherchen konfrontiert - der IAEA-Meeresexperte Hartmut Nies für die Bergung der Fässer aus, heißt es in einem Bericht der „Berliner Zeitung“.

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Französische Experten analysieren mögliche Strömungsverläufe im Falle eines radioaktiven Austritts im Ärmelkanal
Auch die Grünen im deutschen Bundestag fordern das laut SWR. „Ich glaube, dass diese Fässer in dieser geringen Tiefe ein hohes Gefährdungspotenzial darstellen“, so Sylvia Kotting-Uhl gegenüber dem SWR. Britische Behörden lehnen die Bergung demnach ab. Greenpeace hatte auf ähnliche Funde bereits im Jahr 2000 erfolglos hingewiesen. Die Umweltorganisation sieht Zusammenhänge mit Krebserkrankungen bei den Küstenbewohnern.
TV-Hinweis
Arte zeigt am Dienstag, 23. April, ab 20.15 Uhr einen Themenabend „Endlager Meeresgrund“.
Keine Hinweise auf Verseuchung
Die deutsche Bundesregierung erklärte laut „Spiegel“ im August 2012 auf die Anfrage „Endlager Meeresgrund“ der grünen Fraktion: „Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) führt im Rahmen der Radioaktivitätsüberwachung in der Nordsee regelmäßig Monitoringfahrten durch, bis in den Ärmelkanal führten diese zuletzt im August 2009.“ Die Überwachungsdaten enthalten demnach keine Hinweise auf Emissionen aus den Versenkungsgebieten.
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