„Kein Land im roten Bereich“
Armut, Hunger, Bürgerkriege und Dürrekatastrophen - es sind Szenen des Leides und des Elends, die das Bild von Afrika prägen. Entwicklungsexperten und Wirtschaftsfachleute aber haben schon einen hoffnungsvolleren Blick auf Afrika: Denn der Kontinent weist seit Jahren beachtliche Wachstumszahlen auf, die Mittelschicht wächst, neue Arbeitsplätze entstehen.
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Während in Europa Volkswirtschaften schrumpfen oder stagnieren, dürfte die Wirtschaft des afrikanischen Kontinents Schätzungen zufolge 2012 um 4,5 Prozent gewachsen sein. „In allen Staaten gibt es Wachstum, und das ist das Wichtigste: Es gibt kein einziges Land in Afrika im roten Bereich“, sagte der Chefökonom der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB), Mthuli Ncube.
Sogar die Ratingagentur Moody’s, die vor allem mit der Herabstufung von Euro-Krisenstaaten von sich reden macht, hat einen gnädigen Blick auf Afrika. „Die Verbesserung der Konjunktur in Afrika dürfte sich in den kommenden fünf Jahren trotz der Risiken durch die europäische Schuldenkrise fortsetzen“, urteilten die Experten der Agentur. Jährliche Wachstumsraten um die sechs Prozent erwartet Moody’s.
Aufschwung kommt nicht bei Bevölkerung an
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sieht freilich noch erhebliche Gefahren. Denn die Früchte des Wirtschaftswachstums kommen noch viel zu wenig bei der Bevölkerung an, wie es in einem OECD-Bericht zu Afrika heißt. Die Bekämpfung von Armut und Hunger macht insgesamt bestenfalls schleppende Fortschritte, schlechte Bildungs- und Gesundheitssysteme, eine unterentwickelte Infrastruktur und die Folgen des Klimawandels stellen ernsthafte Bedrohungen für das Wachstum dar.
Die afrikanischen Staaten müssen zudem schnell Lösungen für eine besonders dringliche Frage finden: die Chancen junger Menschen auf dem Kontinent. Afrika hat die jüngste Bevölkerung weltweit, fast 200 Millionen Afrikaner sind zwischen 15 und 24 Jahren alt - eine Zahl, die sich bis 2045 verdoppeln dürfte. Das Bevölkerungswachstum schreitet schneller voran als die Schaffung von Arbeitsplätzen, und schon jetzt befinden sich in vielen afrikanischen Staaten nicht einmal 15 Prozent der arbeitswilligen jungen Menschen in einem Angestelltenverhältnis, das ihnen ein stabiles Einkommen sichert.
Nicht genügend Jobs
Experten sind sich einig: Im öffentlichen Sektor oder in großen Unternehmen können nicht ausreichend neue Jobs geschaffen werden. Die meisten Arbeitsplätze dürften künftig vielmehr in dem von keiner offiziellen Statistik erfassten informellen Sektor entstehen, also etwa bei Klein- und Familienunternehmen, die ihr Gewerbe beispielsweise wegen hoher Verwaltungsgebühren nicht anmelden. „Der formelle Sektor hat gar nicht die Kapazitäten, die hinzuströmenden Arbeitskräfte aufzunehmen“, sagt Lena Giesbert vom Hamburger Institut für Afrika-Studien (GIGA). „Chancen auf Wachstum gibt es vor allem im informellen Sektor - darauf muss man sein Augenmerk richten.“
Fabian Erik Schlüter, AFP
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