„Es ist ein Teufelskreis“
China geht auf Distanz zu seinem die Weltgemeinschaft provozierenden Nachbarn Nordkorea. Pekings Zustimmung zu den Sanktionen des Weltsicherheitsrates gegen Pjöngjang ist ein klares Zeichen der Verärgerung über den jungen Machthaber Kim Jong Un, der Chinas Geduld überstrapaziert hat.
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Chinas Führer hätten mit einer Neubewertung ihrer Nordkorea-Politik begonnen, wissen chinesische Experten zu berichten. Bisher hatte Peking meist vermittelnd eingegriffen und seinen traditionellen Freund noch in Schutz genommen, aber der Ruf nach Strafmaßnahmen wird auch in China selbst lauter.
„Die Leute schauen jetzt nach Nordkorea“
Alles hängt vom nächsten Schritt des stalinistisch Regimes in Pjöngjang ab. „Die Leute schauen jetzt nach Nordkorea“, sagt Professor Cheng Xiaohe von der Schule für internationale Studien an der Volksuniversität in Peking der Nachrichtenagentur dpa. „Wenn Nordkorea die Atomtests und Satellitenstarts fortsetzt, ist der Sicherheitsrat gezwungen, einen weiteren Schritt zu tun. Es ist ein Teufelskreis.“
Beklagt wird Undankbarkeit der nordkoreanischen Seite angesichts der Vermittlungsbemühungen Chinas. Als Gastgeber organisierte Peking mehrere Runden der Sechsparteiengespräche mit Nordkorea, den USA, Südkorea, Japan und Russland. Für ein Ende des Atomwaffenprogramms winkten diplomatische Eingeständnisse und Wirtschaftshilfen für das hungernde Land. Doch Nordkoreas Regime schlug das Angebot aus, ließ die Verhandlungen 2009 platzen und setzt allein auf Konfrontation.
Größter Handelspartner
Wirtschaftlich wollte China den Nachbarn von einem Reformkurs nach chinesischem Vorbild überzeugen. Der Handel stieg 2011 um 62 Prozent auf 5,64 Milliarden Dollar. China ist der größte Handelspartner. Unklar ist, wie viel Nahrungsmittel- oder Energiehilfen über die Grenze gehen, ohne in den Statistiken aufzutauchen. China bemüht sich außerdem, das völlig verarmte Nordkorea bei der Entwicklung von Freihandelshäfen zu unterstützen, auch um dessen Kooperation mit dem Ausland zu fördern.
Hinter Chinas Nordkorea-Politik steckt vor allem die Angst vor einem Krieg oder einem Zusammenbruch des 23 Millionen Einwohner zählenden Landes mit großen Flüchtlingsströmen. Westliche Experten sprechen auch von chinesischer Furcht, dass Südkorea den Norden mit Hilfe der USA schlucken könnte und amerikanische Truppen eines Tages direkt an der Südostgrenze Chinas stehen könnten. So steckt Peking in einem Dilemma, denn ein atomar bewaffnetes Nordkorea mit Langstreckenraketen will es eigentlich auch nicht sehen.
Kim nur eine Marionette?
„Warum ist Nordkorea so aggressiv und provoziert?“, fragt Experte Cheng Xiaohe und liefert die Antwort gleich mit: „Weil sein Gefühl der Unsicherheit wächst.“ Der neue Führer Kim sei jung und unerfahren. Auch sei Nordkorea im Machtgefüge auf der koreanischen Halbinsel den USA und Südkorea unterlegen. „Südkorea wird seit den 90er Jahren immer stärker, aber Nordkorea immer schwächer.“
Die völlige Isolation verstärke die Unsicherheit. So glaube Nordkorea, Atomwaffen entwickeln zu müssen, „damit sich niemand mit ihm anlegt“, sagt Cheng. „Es zeigt seine harte Seite, um andere einzuschüchtern.“ Die Experten in China sind sich wie westliche Beobachter auch nicht sicher, ob Kim nur eine Marionette ist und in Wirklichkeit vor allem sein Onkel Jang Song Thaek oder die Generäle die Fäden ziehen.
„Dekadentes Verhalten“
Der junge Mann sei nicht sonderlich gebildet, besitze kaum Führungsqualitäten und zeige nur eine einstudierte dramatische „Herrschaftsgestik“, berichtete ein westlicher Experte, der ihn in Pjöngjang persönlich erlebt hatte. „Er ist nicht beeindruckend, sondern eher unsicher.“ Der engste Führungszirkel um den Spross der Kim-Dynastie gilt als enges Netzwerk von Vertrauten, die völlig entrückt vom Rest der Welt leben und nach Angaben des Experten ein „dekadentes und neureiches Verhalten“ an den Tag legen.
Es wundert daher wenig, dass die neuen Sanktionen auch auf Mitglieder der Führung und die Lieferung von Luxusgütern zielen. China kommt bei der Durchsetzung eine Schlüsselrolle zu, da viele Waren der Bahn und Schiffen über den großen Nachbarn geliefert werden und nordkoreanische Flugzeuge auf Pekings Flughafen zwischenlanden.
Andreas Landwehr, dpa
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