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Gutmensch auf Besen

Wie nur wird man eine gute Hexe? Diese Frage treibt die kleine Hexe seit mehr 50 Jahren um - und mit ihr unzählige Kinder, die den Klassiker aus dem Thienemann Verlag lieben. Am Montag verstarb ihr Schöpfer, Kinderbuchautor Otfried Preußler, im Alter von 89 Jahren.

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Dass die großen Hexen „gut hexen“ nicht mit „Gutes hexen“ gleichsetzen und die kleine Hexe mit ihren „nur“ 127 Jahren beim Tanz auf dem Blocksberg nicht dabei haben wollen, das geht entschieden gegen den kindlichen Gerechtigkeitssinn. In mehr als 40 Sprachen wurde der Dauerbestseller in einer Gesamtauflage von deutlich mehr als vier Millionen Exemplaren herausgebracht.

Trotz der teils schon altertümlich wirkenden Sprache begeistert sich noch heute der Nachwuchs für die schrullige Gestalt in viel zu großen Pantoffeln, von deren Schulter niemals der besserwisserische Rabe Abraxas weicht. Aber auch er kann die Probleme nicht verhindern, in die die kleine Hexe durch ihren liebenswerten Eigensinn gerät: Sie will nur Gutes hexen - sei es bei den Holzweibern im Wald, die sich vor dem gemeinen Revierförster fürchten, sei es beim armen Marktmädchen mit den Papierblumen, die auf einmal so wunderbar duften, dass sie sich bestens verkaufen.

Für die eigenen Töchter erdacht

Ebenso eingeprägt wie manche Zaubergeschichte über Zivilcourage haben sich die liebevollen Schwarz-Weiß-Illustrationen von Winnie Gebhardt-Gayler, die schon bei Erscheinen des Buches 1957 hymnisch gelobt wurden. Für viele Hexenfans gehören sie ebenso dazu wie das uralte, gleichnamige Hörspiel mit der typischen Erkennungsmelodie: „Heia Walpurgisnacht, heia heia ho“.

Gefragt, wie er auf die Idee zu dem Buch gekommen sei, antwortete Preußler einmal, dass seine drei kleinen Töchter eines Abends vor dem Zubettgehen furchtbare Angst vor bösen Hexen hatten. „Ich versuchte, ihnen klarzumachen, dass man sich heutzutage nicht mehr vor Hexen zu fürchten brauche, weil es keine mehr gebe.“ „Und warum nicht?“, hätten sie gefragt. „Ja, warum eigentlich nicht?“ Kurz darauf war die Geschichte geboren, an deren Ende die Macht der bösen Hexen gebrochen wird - so dass sich niemand mehr vor ihnen zu fürchten braucht.

Buchhinweis

Otfried Preußler: Die kleine Hexe. Thienemann Verlag, 128 Seiten, 10,20 Euro.

Preußler, der sich auch mit „Der kleine Wassermann“, „Das kleine Gespenst“, „Räuber Hotzenplotz“ und „Krabat“ in die Herzen der jungen Leserschaft schrieb, landete mit seiner einzigen weiblichen Heldin 1958 prompt auf der Auswahlliste des Deutschen Jugendliteraturpreises. Die „Süddeutsche Zeitung“ lobte damals seine „Poesie, die sich durch ihre Phrasenlosigkeit, ihren Humor und ihren Reichtum an Einfällen“ auszeichne.

Andrea Barthelemy, dpa

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