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21-Jährige bekam vor Gericht Recht

Eine Samenbank muss einem anonym gezeugten Kind den Namen des leiblichen Vaters nennen. Das hat das deutsche Oberlandesgericht Hamm am Mittwoch in einem wegweisenden Urteil entschieden. Geklagt hatte eine 21 Jahre alte Frau, deren Mutter sich auf diese Weise befruchten hatte lassen. Auch die familienpolitische Rechtslage bestätige deren Ansprüche.

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Ein Arzt hatte die Herausgabe der Information nach Angaben des Gerichts unter Verweis auf die mit den Beteiligten vereinbarte Anonymität verweigert. Diese habe aber hinter dem Auskunftsinteresse der Klägerin zurückzustehen, entschieden die Richter. Sie werteten das im Grundgesetz festgelegte Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit höher als das Recht eines Spenders auf Anonymität.

Daten vernichtet?

Der beklagte Fortpflanzungsmediziner beruft sich weiter darauf, dass die Daten zu dem Fall nicht mehr vorlägen. Die Unterlagen hätten damals nur zehn Jahre aufbewahrt werden müssen, sagte der Arzt. Er bezeichnete das Urteil in einer ersten Reaktion als „rein theoretisch“. Die Richter in Hamm nahmen ihm die Argumentation nicht ab. Bei einer Befragung hatte er sich in Widersprüche verstrickt und zugegeben, dass nicht alle Daten vernichtet wurden.

Zudem habe Arzt und Spender schon nach geltender familienrechtlicher Lage klar sein müssen, dass das Kind bei einer eventuellen späteren Vaterschaftsanfechtung ein Recht auf Feststellung der Vaterschaft haben würde. Die Klägerin wollte sich nicht selbst zu ihrem juristischen Erfolg äußern. Seit rund vier Jahren weiß die 21-Jährige, dass ihr Vater nicht ihr Erzeuger ist. Sie kämpfte gemeinsam mit dem Verein Spenderkinder auf juristischem Weg für das Recht, den biologischen Vater kennenzulernen.

Recht auf Kenntnis der Abstammung

Nach Angaben des Vereins Spendenkinder bestätigt das Urteil die ohnehin herrschende juristische Auffassung. Bereits 1989 habe das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass jeder Mensch Anspruch auf Kenntnis aller verfügbaren Informationen über seine genetische Herkunft habe, erklärte der Verein auf seiner Website.

Gesetzlich wurde eine längere Aufbewahrungsfrist der Daten aber erst vorgeschrieben, nachdem die Klägerin geboren worden war. Das Transplantations- und das Gewebegesetz brachte im Jahr 2007 die Neuerung, dass die entsprechenden Akten über eine Samenspende, die als Gewebeübertragung gilt, 30 Jahre aufbewahrt werden müssen. In der Zeit vor 2007 betrug die Frist zur Dokumentation lediglich zehn Jahre.

Urteil mit Signalwirkung

Bisher habe nur noch nie ein Spenderkind wegen seines Auskunftsrechts gegen einen Mediziner geklagt. Es sei ein Einzelfallurteil, von dem aber hoffentlich eine Signalwirkung ausgehe, so der Verein Spendenkinder. Zur Zahl der Betroffenen in Deutschland gibt es nur Schätzungen. Das Essener Novum-Zentrum für Reproduktionsmedizin, das der jetzt beklagte Mediziner leitet, geht von rund 100.000 Kindern anonymer Samenspender aus.

Kein Erfolg in erster Instanz

Mit seinem Urteil änderte das OLG ein anderslautendes erstinstanzliches Urteil des Essener Amtsgerichts, das der Klägerin ihr Auskunftsrecht noch abgesprochen hatte. Diesen Beschluss bezeichnete der Verein Spendenkinder damals unter Verweis auf die rechtliche Lage als überraschend und ging in Berufung.

Eine Revision des nunmehrigen Urteils ließ das OLG Hamm nicht zu. Der Beklagte kann aber mit juristischen Kniffen beim
Bundesgerichtshof (BGH) noch zu einem Revisionsgrund kommen. Trotz des Urteils ist aber noch keinesfalls sicher, dass die 21-Jährige auch wirklich erfährt, wer ihr biologischer Vater ist. Sie könnte aber die Bekanntgabe des Namens notfalls in einem Zwangsvollstreckungsverfahren erzwingen. Dem betroffenen Mediziner drohten in diesem Fall möglicherweise ein Zwangsgeld oder Zwangshaft, so ein Sprecher des OLG Hamm.

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