Nur vage Formulierungen
Im Mai 2011 hat der Arktische Rat als einziges internationales Gremium, das sich der Balance zwischen den arktischen Staaten und indigenen Völkern widmet, einen Beschluss gefasst: Ein Abkommen zur Notfallrettung bei Ölunfällen in der Arktis müsse her. Nun ist der Vertrag fertig verhandelt, die Umweltschutzorganisation Greenpeace fällt allerdings ein vernichtendes Urteil über das Ergebnis.
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Der Fall der Ölbohrplattform „Kulluk“, die wegen eines Sturms Anfang des Jahres vor Alaskas Küste gestrandet war, zeigt, wie gefährlich Explorationen im hohen Norden sind. Trotzdem bleibt laut Greenpeace das Papier des Arktischen Rats, dessen Mitglieder sämtlich bedeutende wirtschaftliche Interessen in der Region haben, äußerst vage: Unternehmen der Ölindustrie könnten im Ernstfall ihren Kopf ohne Weiteres aus der Schlinge ziehen, ohne gröbere Konsequenzen fürchten zu müssen, so die Einschätzung der Umweltschützer.
Chance nicht genutzt
Dabei hätte der Vertrag mit dem Titel „Kooperation zur Meeresölverschmutzung - Vorbereitung und Verantwortung in der Arktis“ großes Potenzial zum künftigen Umgang mit verheerenden Folgen von Ölkatastrophen im Meer haben können. So wurde der Arktische Rat auch von allen Seiten für sein Projekt gelobt, erarbeitete man damit immerhin das erste verbindliche Abkommen und stellte sich damit gemeinsam den Herausforderungen rund um den Pol. Eine Verabschiedung des Vertrags ist für Mai anberaumt. Dann übernimmt Kanada den Vorsitz des Arktischen Rates für die kommenden zwei Jahre.
Bangen wegen „Kulluk“
Erst Anfang Jänner war vor der Küste Alaskas in einem ökologisch besonders sensiblen Gebiet die Bohrplattform „Kulluk“ während eines Sturms auf Grund gelaufen. Tagelang dauerte das Bangen, ob die Plattform den hohen Wellen standhält und kein Öl austritt an, bevor die „Kulluk“ zur Reparatur in einen sicheren Hafen gezogen werden konnte.
„Vertrag nicht vertrauenserweckend“
Der Vertrag, der Greenpeace International laut eigenen Aussagen vorliegt, enthalte nur vage Formulierungen, in denen die Staaten gebeten werden, „entsprechende Maßnahmen“ bei der Entfernung des ausgeronnenen Öls zu treffen. Laut einer Aussendung der Umweltorganisation werden von den Ölkonzernen weder konkrete Verpflichtungen gefordert noch effektive Maßnahmen für den Ernstfall eines grenzüberschreitenden Vorfalls angesprochen.
„Dieser Vertrag weckt kein Vertrauen in die Fähigkeit des Arktischen Rates, diese sensiblen Regionen im absoluten Ernstfall zu schützen", kritisierte Ben Ayliffe, bei Greenpeace International für die Kampagne zu dem Abkommen des Arktischen Rates zuständig. „Das Dokument ist unglaublich vage formuliert und scheitert dabei, die Konzerne für irreparable Schäden an der Natur zur Verantwortung zu ziehen. Hier steht nichts darüber, dass ausreichend Kapazitäten im Falle eines Ölaustritts nach einem Schiffsunglück gewährleistet würden.“
Mischten Ölfirmen beim Abkommen mit?
Offen bleiben Greenpeace zufolge entscheidende Fragen, welche Rolle die Ölfirmen bei der Ausarbeitung des Abkommens hatten und wie gut das Gremium die Unberührtheit der Arktis bewachen kann. Die Welt habe zwar die Augen auf das Problem gerichtet, aber der Arktische Rat agiere nicht entsprechend.
Der 1996 gegründete Arktische Rat hat acht feste Mitglieder: Dänemark, Finnland, Island, Kanada, Norwegen, Russland, Schweden und die USA. Als bedeutendstes Gremium für die Nordpolregion beriet sich der Arktische Rat bisher vor allem zur Umweltthematik. Waren politische Debatten nicht auf der Agenda, weiteten die Mitglieder ihre Aufgabengebiete aus und widmen sich nun auch Maßnahmen bei Rettungseinsätzen im Eis sowie dem fertiggestellten Abkommen zu Reinigungsarbeiten nach Ölunfällen.
Mehr Schiffe in der Arktis wegen Eisrückgangs
Das in seiner Endfassung von Greenpeace kritisierte Abkommen sah ursprünglich auch sichere Schifffahrtsrouten in der Arktis vor. Denn aufgrund des Klimawandels zieht sich das Eis mehr und mehr zurück und sorgt dafür, dass sich Schiffe in immer verlassenere Gebiete vorwagen, neben Frachtern auch Kreuzfahrtschiffe, wovon einige auch schon auf Grund gelaufen sind - glücklicherweise ohne verheerende Schäden.
„Es gibt kein Ölunternehmen, das in der Vergangenheit die Aufräumarbeiten nach einem Ölaustritt im Eis gemeistert hat“, erklärte Ayliffe. Der Arktische Rat habe es verabsäumt, die benötigten technischen Mittel zur Verfügung zu stellen, die die Staaten bei einem Notfalleinsatz zur Hand hätten. Es gebe keine Garantie, dass die vorhandenen Ressourcen ausreichend oder überhaupt geeignet wären.
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