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Fokus auf Wirtschaft und Arbeit

Nach Zypern sitzt mit Irland ab Jänner ein weiteres Problemkind an der Spitze der Europäischen Union. Das Land befindet sich in einem wirtschaftlichen Tief und muss seinen 180 Milliarden Euro schweren Schuldenberg in den Griff bekommen. Die irische Regierung zeigt sich optimistisch und setzt ihr Augenmerk auf Wirtschaftswachstum und eine Vitalisierung des Arbeitsmarktes.

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Für den Zeitraum vom 1. Jänner bis zum 30. Juni 2013 übernimmt mit Irland erstmals ein Land den EU-Ratsvorsitz, das Stützungskredite aus dem europäischen Rettungsschirm bekommen hat. Ende 2010 wurde dem Land wegen der Wirtschaftskrise finanzielle Unterstützung von der EU, der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) in der Höhe von 85 Milliarden Euro zugesagt, um der enormen Staatsverschuldung entgegenzuwirken - hauptsächlich verantwortet durch die Bail-outs der irischen Banken. Ende 2013 läuft das Rettungspaket aus. Nun will sich Irland als erster Staat der Euro-Zone aus dem Kreditprogramm hieven, es hat die geplante Spar- und Reformpolitik auch weitgehend durchgesetzt.

Passanten überqueren eine Brücke in Dublin

AP/Shawn Pogatchnik

Die irische Bevölkerung bekommt die Sparmaßnahmen zu spüren

Für Einsparungen, aber gegen „Aushungern“

Bei seinem Besuch in Wien im November hatte der irische Ministerpräsident Enda Kenny Irland als Vorbild für Griechenland in der Schuldenkrise der Euro-Zone gelobt. Der schwer angeschlagene Inselstaat konnte in den vergangenen zwei Jahren durch Einsparungen sein Budgetdefizit deutlich verringern. Kenny warnte aber – wie viele Kritiker europaweit – vor allzu harten Einschnitten, da sie zu einem „Aushungern“ von überschuldeten Staaten im öffentlichen Bereich führten.

Impulse für Wettbewerbsfähigkeit geplant

Die zentralen Punkte auf der Agenda der Kommission sind, die Mitgliedsstaaten wettbewerbsfähiger zu machen sowie integrierte und grenzüberschreitende Netze für Verkehr, Telekommunikation und Energie zu schaffen. Zusätzlich wollen die Iren den Arbeitsmarkt kräftig ankurbeln, indem vor allem junge Arbeitslose gefördert werden sollen. Die Arbeitslosenquote bei den Jugendlichen lag im Dezember 2011 bei 28 Prozent.

Mit dem Fokus auf eine „kosteneffektive Ratspräsidentschaft“ will die Regierung um Kenny einen vorbildlichen Sparkurs vorgeben. Vor dem Hintergrund leerer Staatskassen könnte das durch die tatkräftige Unterstützung der Privatwirtschaft mit 14 Millionen Euro ermöglicht werden. Die letzte EU-Präsidentschaft im Jahr 2004 Irlands - damals bravourös gemeistert - hatte 110 Millionen Euro gekostet. Heuer planen die Iren, nur noch 60 Millionen Euro für den Ratsvorsitz auszugeben. Auch wollen die Iren als begeisterte Europäer die Chance nutzen, um auf die antieuropäische Stimmung und die krisenbedingte Euro-Kritik in den EU-Mitgliedsstaaten zu reagieren.

Hoffnung auf ESM-Rettungsschirm

Dass es für den Inselstaat keinen Schuldenschnitt wie für Griechenland geben werde, machte der deutsche Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble klar. Auch Irlands Versuche, seine Banken durch den ESM-Rettungsschirm nachträglich zu rekapitalisieren, blieben bisher erfolglos. Durch die Ratspräsidentschaft schöpft man wieder neue Hoffnung und setzt die Rekapitalisierung als einen weiteren Punkt auf die To-do-Liste. Die irischen Staatsschulden sollen damit um ein Drittel reduziert werden.

Inlandskonjunktur und Schuldenbewältigung

Irland steht vor zwei zentralen Herausforderungen: Einerseits muss die Inlandskonjunktur in einer Zeit der Kürzungen angekurbelt werden, andererseits müssen die Folgen der Staatsschulden bewältigt werden. Deshalb liegen die Prioritäten für den sechsmonatigen EU-Ratsvorsitz bei „Stabilität, Jobs und Wachstum“, zeigte sich der irische Außenminister Eamon Gilmore optimistisch.

Die irische Wirtschaft erholt sich bereits mit 0,2 bis 0,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. „Noch vor eineinhalb Jahren gab es die Ansicht, dass Irland auf dem besten Wege ist, bankrott zu gehen. So gesehen ist der Fortschritt seit 2011 ziemlich beachtlich“, sagte John McHale, Wirtschaftsprofessor an der irischen Nationaluniversität in Galway.

Niedrigste Arbeitslosenquote seit 2011

Während die Staatsfinanzen eher trist aussehen und nur leichte Fortschritte beim BIP gegenüber dem Vorjahr bemerkbar sind, sorgt die Arbeitslosenquote für einen Lichtblick. Sie fiel überraschend auf 14,6 Prozent, wie das Statistikamt in Dublin im November mitteilte. Ob sich Irland 2013 tatsächlich schon wieder zu ausreichend niedrigen Zinsen selbst auf den freien Märkten finanzieren kann, ist unter Experten strittig.

Generell macht Irland von allen Krisenstaaten derzeit aber die größten Sprünge vorwärts, da vor allem Waren und Dienstleistungen wieder international gefragt sind. Für ausländische Investoren ist Irland außerdem weiterhin ein attraktiver Wirtschaftsstandort, vor allem wegen der äußerst geringen Unternehmenssteuern, die einst dazu beigetragen hatten, dass eines der „Armenhäuser“ Europas sich zum „Keltischen Tiger“ hochschwingen konnte. Die EU hatte bei den Verhandlungen über das Rettungspaket vergeblich darauf gepocht, dass Irland diesen Dumpingsteuersatz aufgibt.

Kontinuierlicher Wirtschaftsaufschwung

Für heuer erwartet die EU-Kommission ein Wirtschaftswachstum von etwa 0,4 Prozent. 2013 soll es sich auf 1,1 Prozent beinahe verdreifachen und im Jahr darauf noch einmal auf 2,2 Prozent verdoppeln. Trotz kontinuierlichen Wirtschaftsaufschwungs muss jedoch das Defizit mit fünf Prozent auch 2014 über der EU-weiten Obergrenze von drei Prozent ausharren. Diese soll bis 2015 erreicht werden.

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