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„Von A bis Z durchgedacht“

Bei der bevorstehende Volksbefragung zur Wehrpflicht geht es für ÖVP-Chef Michael Spindelegger um eine Grundsatzfrage mit weitreichenden Konsequenzen. Ein Umstieg auf ein Berufsheer würde Schwierigkeiten beim Katastrophenschutz und im sozialen Bereich nach sich ziehen, sagte er am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“. Allerdings hatte sich die Volkspartei nicht immer so vehement für den Präsenzdienst ausgesprochen.

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Im Gegenteil: Einst hatte die ÖVP sogar einen NATO-Beitritt vor Augen - wie auf der anderen Seite für SPÖ-Verteidigungsminister Norbert Darabos die Wehrpflicht einmal „in Stein gemeißelt“ war. Woher der Schwenk in der Volkspartei? „Weil wir das Konzept von A bis Z durchgedacht haben damals“, so Spindelegger auf die Frage nach dem Grund für den Meinungsumschwung innerhalb seiner Partei.

Man sei außerdem zu dem Schluss gekommen, dass ein Berufsheer inklusive NATO-Beitritt doppelt so viel gekostet hätte wie das bestehende System. Eine Bündnismitgliedschaft wäre für den Vizekanzler eine logische Folge der Abschaffung der Wehrpflicht. Ein Profiheer, das alle notwendigen Aufgaben auch wirklich erfüllen kann, könne sich Österreich schlicht nicht leisten.

„Wer Wehrpflicht abschafft, schafft Neutralität ab“

Konsequenz sei folglich eine Bündnispartnerschaft unter dem Aspekt der Aufgabenteilung. „Wer heute die Allgemeine Wehrpflicht abschafft (...), der wird morgen auch dorthin kommen, die Neutralität abzuschaffen“, sagte Spindelegger. Allerdings: Die NATO sei heute ohnehin nicht mehr an einer Mitgliedschaft Österreichs interessiert, und er übrigens schon seinerzeit ein Anhänger des Systems „Restneutralität“ gewesen.

Vizekanzler Spindelegger in der ORF-Pressestunde

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Im Fall einer Abschaffung der Wehrpflicht werde es im Katastrophenfall, aber auch bei den Rettungsorganisationen „schwierig werden“, so der Vizekanzler, der Wehr- und Zivildienst auch als eine Art Pool für Freiwilligenorganisationen sieht. Viele würden sich danach bei den Feuerwehren und dem Roten Kreuz engagieren. Als „Zwang zur Freiwilligkeit“ will der ÖVP-Chef das nicht verstanden wissen. Grundsätzlich müsse „jeder für den Staat seinen Beitrag leisten, jeder“, so Spindelegger. Er könnte sich auch vorstellen, dass Frauen Zivildienst leisten - allerdings ausschließlich freiwillig. „Wir haben eine Allgemeine Wehrpflicht für Männer.“

Die Volksbefragung absagen, weil das Thema in der Regierung immer noch umstritten ist, will der Vizekanzler nicht. Es gehe um eine Grundsatzfrage, je nachdem wie sie entschieden wird, „muss dann gehandelt werden“. Es sei eben nicht möglich gewesen, mit dem Koalitionspartner SPÖ zu einem Ergebnis zu kommen.

Eurofighter: „Ich war damals nicht dabei“

Zum Thema Eurofighter-Beschaffung, in dessen Dunstkreis zuletzt immer wieder Vorwürfe von Unregelmäßigkeiten aufgetaucht waren, hält Spindelegger einen zweiten parlamentarischen Untersuchungsausschuss für nicht notwendig. Er sehe hier „derzeit keine Verwicklung der Politik“, die Fakten seien in Aufarbeitung, und es werde geprüft, ob es „Malversationen“ auf Unternehmensseite gegeben habe. Solche seien allerdings am Ende Sache der Justiz und nicht der Politik, so Spindelegger sinngemäß. Nach dem letzten U-Ausschuss gebe es „nicht vielmehr Erkenntnis als bisher, eine Neuauflage sei daher kaum zielführend.“

Dass zuletzt immer öfter der Name Frank Stronach (dessen Konzern Magna immer wieder als großer Profiteur der Gegengeschäfte genannt wurde - was Stronach aber dementiert, Anm.) gefallen war, habe eine sachliche Dimension, keine politische. Es sei keine parteipolitische Absicht, Neopolitiker Stronach in die Causa hineinzuziehen. Fragen dazu müssten übrigens an andere gestellt werden, nicht an ihn, so Spindelegger: „Ich war damals nicht dabei.“

„Kein Cent an ÖVP“

Zu einem möglichen Ausstiegsszenario aus dem Eurofighter-Vertrag könne er sich nur äußern, wenn er auch den Inhalt kenne. Dieser müsse „endlich einmal“ offengelegt werden. Aber: „Darabos verweigert ja.“

Ähnlich wie zuletzt Ex-ÖVP-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel schloss auch Spindelegger aus, dass im Zusammenhang mit dem Eurofighter Geld an die Volkspartei geflossen sein könnte. „Ich habe das nachvollziehend überprüft und gesehen, da gab es keinen Cent an die ÖVP.“

Korruptionsfälle „eine Schande“

Im Zusammenhang mit den diversen Korruptionsvorwürfen, die Thema des letzten U-Ausschusses waren, bezeichnete Spindelegger es als „auch eine Schande“, dass Österreich zuletzt in einem Anti-Korruptionsranking deutlich - um neun Plätze - abgerutscht war. Allerdings: Vizekanzler einer „Skandalrepublik“ sei er „sicher nicht“, so Spindelegger auf eine entsprechende Frage, „es kommt ja alles auf“. Die Politik habe hier „gelernt“ und gehandelt - von einem neuen Lobbyistengesetz bis hin zu einem Provisionsverbot bei Geschäften des Bundes.

Kritik an SPÖ in Sachen Lehrerdienstrecht

Kritik am Koalitionspartner SPÖ übte Spindelegger beim Thema Lehrerdienstrecht neu. Das komme nicht vom Fleck, weil die SPÖ-Ministerinnen Claudia Schmied (Bildung) und Gabriele Heinisch-Hosek (Beamte) „nicht ordentlich verhandeln“. Bei dem Thema müsse die SPÖ „Gas geben“. Spindelegger sprach sich für eine Änderung der Arbeitszeiten und der Gehaltskurve aus: Junglehrer sollten mehr (auch am Nachmittag) arbeiten, dafür aber auch am Anfang ihrer Berufslaufbahn mehr Geld bekommen.

Finanzskandal in Salzburg: „Da kann man sich nicht verstecken“

Die Lektion aus dem jüngsten Skandal, den in Salzburg offenbar verspekulierten 340 Mio. Euro, lautet für den ÖVP-Chef einerseits Verbot hochriskanter Investmentgeschäfte auf Ebene der Länder und Gemeinden, andererseits aber auch striktere Kontrolle. Es gebe immer mehr Finanzprodukte, die immer weniger durchschaubar seien. „Das ist mit Steuergeld nicht machbar.“ Es müsste prinzipiell „auch per Bundesgesetz“, geregelt werden, womit „gar nicht spekuliert werden darf“.

Bestimmte Hochrisikoinvestments seien aus seiner Sicht „mit Steuergeld einfach zu verbieten“. Außerdem brauche es verschärfte Kontrollen, „mehr Sorgfalt, auch in der Prüfung“. Den im Raum stehenden Vorschlag, dass die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA) Geschäfte für die Gebietskörperschaften (Länder und Kommunen, Anm.) abwickeln soll, kann Spindelegger durchaus etwas abgewinnen - so lange diese dadurch nicht „völlig entmachtet“ werden. Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) werde noch diese Woche einen Vorschlag zum Thema Finanzierungsrichtlinien präsentieren, sagte Spindelegger.

Die Frage nach notwendigen politischen Konsequenzen des Salzburger Spekulationsfiaskos - etwa für Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) - beantwortete der ÖVP-Chef nur indirekt. Erst müsse Ursachenforschung betrieben werden. Aber: "Wenn in einem Unternehmen ein Mitarbeiter spekuliert, dann müsse „auch der Generaldirektor vor den Aufsichtsrat treten“ und sich dort verantworten. „Da kann man sich nicht verstecken.“

„Keine Koalitionsansage vor der Wahl“

In Sachen mögliche Koalitionsvarianten nach der nächsten Nationalratswahl 2013 wollte sich der ÖVP-Chef gar nicht festlegen, auch nicht darauf, ob eine Zusammenarbeit mit Stronach für ihn denkbar sei. Er werde sich vor der Wahl nicht festlegen, auch eine Zusammenarbeit mit der SPÖ hänge von deren Standpunkt in Sachfragen ab. Eine ÖVP-FPÖ-Stronach-Koalition würde er nicht eingehen, wenn der Preis dafür etwa der Euro-Austritt wäre, eine mit SPÖ oder Grünen nicht, wenn der Preis Vermögenssteuern wären. Eine Koalitionsansage vor der Wahl gebe es von ihm nicht, so Spindelegger.

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