Als „Abschaum-Dörfer“ kritisiert
Die als liberal geltende niederländische Metropole Amsterdam plant „Problemfamilien“ aus dem Stadtbild zu verbannen und für drei bis sechs Monate in Containerwohnungen anzusiedeln. Eine Million Euro wurde für das Programm beiseitegelegt.
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Der sozialdemokratische Amsterdamer Bürgermeister Eberhard van der Laan sorgt mit diesem Vorschlag für Schlagzeilen. „Was wir auf jeden Fall vermeiden möchte, sind Ghettos“, verteidigte ein Sprecher des Stadtrats das Programm gegenüber der britischen BBC. Das würde aus einem Problem ein Desaster machen. Der Sozialdemokrat Van der Laan betont, das „Wohnprojekt“ sei dafür gedacht, gegen Mobbingtäter vorzugehen und ihre Opfer vor homophoben Angriffen zu schützen, berichtete der britische „Guardian“.
„Liberale Werte verteidigen“
Für den Anfang sollen jährlich etwa zehn Familien in das Programm aufgenommen werden. Die Idee, „Unruhestifter“ für eine Dauer von drei bis sechs Monaten in Containerbehausungen zwangszudelogieren, kritisieren Gegner als Entwurf für „Abschaum-Dörfer“ und erinnern an einen Vorschlag des Rechtspopulisten und Islamgegners Geert Wilders. Er hatte im vergangenen Jahr ein „Dorf für Abschaum“ gefordert, um Wiederholungstäter aus der Gesellschaft zu „entfernen“.
Den Vorwurf, das Projekt habe nichts mit der liberalen politischen Linie der Niederlande gemein, wies Bartho Boer, Sprecher des Bürgermeisters, zurück. „Wir möchten die liberalen Werte Amsterdams verteidigen, damit alle Bürger sein können, wie sie sind - ob sie homosexuell sind oder sich gegen gewalttätige und pöbelnde Mitmenschen zur Wehr setzen müssen. Wir als Gesellschaft möchten sie verteidigen.“
Auswahlkriterien der Behörden offen
„Das System steht kopf, und es werden meist die Falschen bestraft“, meint Van der Laan. So seien unschuldige Familien häufig gezwungen, aus ihren Wohnungen auszuziehen, um den Pöbeleien aus der Nachbarschaft zu entgehen. Stattdessen sollten jene zur Verantwortung gezogen werden, die die Probleme verursachen, so die Stadtregierung. „Unser Ziel ist die Bekämpfung von Mobbing“, sagte Stadtratsangestellte Tahira Limon.
Das Programm sei nicht für Nachbarn gedacht, die sich wegen zu lauter Musik unbeliebt machen. Man ziele auf besonders gewalttätige Personen ab. Nach welchen Kriterien die Auswahl von den zuständigen Beamten getroffen wird, ist noch unklar. Der britischen Tageszeitung „Telegraph“ zufolge wurde bereits ein Team beauftragt, um sich nach Problemorten mit einer häufigen Registrierung von Nachbarschaftsstreitereien umzusehen. Über eine Hotline können Mieter Schwierigkeiten mit Nachbarn melden.
Unter Beobachtung von Polizei
Nach einem halben Jahr im Container plant die Stadt, für die Familien eine neue Bleibe zu finden. In der Zeit dürfen sie ausschließlich Zugang zu medizinischer Versorgung haben und stehen unter Beobachtung von Sozialarbeitern und Polizisten. Das Programm soll entsprechend nachhaltig umgesetzt werden, so dass sich die Probleme in der neuen Wohnsituation nicht wiederholen. „Die Wohncontainer, wie wir die Übergangswohnungen nennen, werden mit einer Küche und einem Badezimmer ausgestattet“, so Bürgermeistersprecher Boer. In den Niederlanden wurden sie zuvor bereits als Studentenwohnungen genutzt.
Neu ist die Idee nicht, wie die niederländische Tageszeitung „Het Parool“ berichtet. Im 19. Jahrhundert wurden Störenfriede in ähnliche Siedlungen in Drenthe und Overijssel außerhalb Amsterdams einquartiert - die wenig überraschende Folge waren Slums. „Wir haben aus vergangenen Fehlern gelernt“, betonte Boer. Demnach sollen nicht mehrere Problemfamilien in einer Nachbarschaft wohnen, damit die Situation nicht eskaliert. Der Bürgermeistersprecher ist von der Effizienz des Projekts überzeugt: „Im Prinzip soll es abschreckend wirken und muss funktionieren.“
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