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Touristenmagnet im Norden erhofft

So wie das Pariser Centre Pompidou im ostfranzösischen Metz erhält nun auch der Louvre eine Außenstelle in der Provinz. Am Dienstag wurde der Louvre Lens im nordfranzösischen Departement Pas-de-Calais offiziell eingeweiht, am 12. Dezember öffnet die mit mehr als 200 bedeutenden Leihgaben aus dem Pariser Stammhaus ausgestattete Zweigstelle auch für das Publikum ihre Tore.

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Staatschef Francois Hollande besichtigte am Dienstag zusammen mit Kulturministerin Aurelie Filippetti in dem eleganten Neubau mit einer Fassade aus Glas und Aluminium die „Galerie der Zeit“, das Herzstück des Museums. Das Projekt war im November 2004 vom damaligen Premierminister Jean-Pierre Raffarin (UMP) angekündigt worden. Ursprünglich hätte das Museum bereits 2009 eröffnet werden sollen.

Unter den ersten Leihgaben des Pariser Louvre befinden sich nach Angaben der Museumsverwaltung das Gemälde „La liberte qui guide le peuple“ zur Julirevolution von 1830 von Eugene Delacroix, das Porträt Baldassare Castigliones von Raffaello, „La Madeleine a la veilleuse“ von Georges de La Tour, „Louis-Francois Bertin“ von Jean Auguste Dominique Ingres sowie eine rund 5.500 Jahre alte Tafel aus Mesopotamien zu den Anfängen der schriftlichen Aufzeichnungen.

Innenansicht des Louvre Lens mit einer Bronzeskulptur im Vordergrund

AP/Michel Spingler

„La liberte qui guide le peuple“, ein Gemälde von Eugene Delacroix, in Lens

Es ist erst das dritte Mal, dass das 260 mal 325 Zentimeter große und mit Rahmen 150 Kilogramm schwere Delacroix-Gemälde den Louvre verlässt. 2004 wurde es nach Straßburg transportiert und 1999 nach Tokio.

Eine konzentrierte Form des Pariser Louvres

Unter dem Motto „La Galerie du Temps“ („Die Galerie der Zeit“) werden nach Angaben des Louvre-Direktors Henry Loyrette in Lens fünf Jahre lang insgesamt 205 Gemälde, Skulpturen und andere Objekte ausgestellt werden. Von diesen stammen 70 aus der Antike, 45 aus dem Mittelalter und 90 aus der Moderne. Ende 2017 soll das Thema dann geändert werden, und neue Werke des Pariser Louvre werden den Ausstellungsraum füllen.

„Dieser andere Louvre wird vereinen, was in Paris über das ganze Museum verstreut ist“, so Loyrette. Ein Sechstel der Werke, darunter das Gemälde von Delacroix, wird nach einem Jahr ersetzt, um das Interesse des Publikums zu wahren.

Innenansichtgrafik des Louvre Lens

AP/Sanaa/ Imrey Culbert/ Catherine Mosbach

Innenansicht laut Vorabplänen

Eine Flucht aus Glas und Licht

Das 150 Millionen Euro teure Projekt wurde von den japanischen Architekten Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa der Agentur SANAA entworfen. Der zentrale Flügel des aus Metall und Glas errichteten Gebäudes ist eine 120 Meter lange Galerie, deren Eintritt im ersten Jahr nach der Eröffnung frei ist. Ein Glaspavillon wird temporäre Ausstellungen für die Dauer von zehn Monaten beherbergen, die in Zusammenarbeit mit Museen der nordfranzösischen Region organisiert werden. Ein weiterer Flügel des Gebäudes wird temporären Ausstellungen für die Dauer von drei Monaten gewidmet sein.

Zur Eröffnung ist die Renaissance das Thema der ersten Schau. Zentrales Werk dieser Ausstellung ist das Gemälde „Maria mit dem Kind und der Heiligen Anna“ („Anna selbdritt“) von Leonardo da Vinci, dessen Restaurierung eben erst abgeschlossen wurde. Dagegen kündigte der Louvre bereits an, dass die Mona Lisa das Pariser Museum niemals verlassen werde.

Guggenheim Bilbao als Vorbild

Das Museum wird keine eigenen Sammlungen haben und ist im Rahmen der französischen Dezentralisierungspolitik entstanden. In dem früheren Kohlerevier hat man das Beispiel des Guggenheim-Museums in Bilbao vor Augen, das aus der spanischen Stadt einen Touristenmagnet gemacht hat. In Lens, das im Dreiländereck neben Belgien und den Niederlanden liegt, hofft man jährlich auf 450.000 bis 500.000 Besucher.

Experiment Provinz

Lens hat gute 35.000 Einwohner, liegt rund 200 Kilometer nördlich von Paris und 35 Kilometer südlich von Lille. Die Gegend ist mit einer schicksalhaften Geschichte belastet. Bei einem großen Grubenunglück kamen 1903 in Courrieres bei Lens 1.100 Bergarbeiter ums Leben. Das - heute als solches bedeutungslose - Kohlerevier in der Region wurde 2012 zum UNESCO-Welterbe ernannt.

Begrüßt wurde Hollande am Dienstag folgerichtig von einer Gruppe ehemaliger Kumpel in voller Bergarbeitermontur. Die Region im Nordosten Frankreichs lebte einst vom Bergbau, die Kohleminen wurden aber bereits vor 20 Jahren geschlossen. Heute ist die Region eine der ärmsten Frankreichs. In der 35.000-Einwohner-Stadt Lens liegt die Arbeitslosigkeit bei 16 Prozent.

„Zeichen, dass der Winter zu Ende ist“

Die Wahl fiel nicht zuletzt auf Lens, um eine strukturschwache Gegend zu stärken. Zudem hofft man aufgrund der Lage auch auf einen regen Besucherzustrom. Der Ärmelkanaltunnel ist nur eine Stunde entfernt, die belgische Grenze 30 Minuten, von den Niederlanden aus ist man in weniger als zwei Stunden in Lens. Mit dem neuen Museum erhofft sich die Politik neue Impulse für die Region.

„Wir wissen, dass ein Museum noch keinen Frühling macht“, sagte der Regionalpräsident für den Verwaltungsbezirk Nord-Pas-de-Calais, Daniel Percheron, vor der Einweihung des Museums. „Aber es ist ein Zeichen, dass der Winter zu Ende ist,“ fügte er hoffnungsvoll hinzu. In Frankreich war in den vergangenen Jahren viel darüber spekuliert worden, ob das Kalkül aufgehen wird. Die nächsten Monate werden es zeigen.

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