Heftiger Gegenwind für Kirchner
Argentinien steht wieder vor einer politischen Krise. Hunderttausende demonstrierten in den letzten Wochen mehrfach gegen Staatschefin Cristina Fernandez de Kirchner, die erst vor einem Jahr mit absoluter Mehrheit wiedergewählt worden war.
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Vor allem die breite Mittelschicht in den Großstädten hat die Nase voll von Korruption, Geldentwertung und Kriminalität. Auch die von der Regierung angeblich geplante Verfassungsreform, die der linken Präsidentin die Kandidatur für eine dritte Amtszeit ermöglichen würde, stößt auf Kritik.
Zuletzt hatten diese Woche auch die Gewerkschaften gegen die Regierung mobilgemacht und eine Steuersenkung gefordert. Der öffentliche Nahverkehr war am Dienstag größtenteils lahmgelegt, mehrere Hauptstraßen in Buenos Aires wurden stundenlang von Streikposten gesperrt. Die Gewerkschaften CGT und CTA protestieren gegen die hohe Steuerbelastung der Gehälter, die ab 5.800 Pesos (knapp 1.000 Euro) mit einer Einkommenssteuer von bis zu 25 Prozent belegt werden. Es war der erste Generalstreik unter der Präsidentin.
Opposition abwartend
Die verschiedenen Oppositionsparteien versuchen vorsichtig, die Protestbewegung für sich zu nutzen. Doch es fällt ihnen schwer, einen gemeinsamen Nenner zu finden, der über die Ablehnung der Regierung hinweg Wähler anziehen könnte. Die Erinnerung an die während der Krise 2001 weit verbreitete Anti-Politiker-Parole „Que se vayan todos“ („Es sollen alle gehen!“) ist noch präsent.
Die Präsidentin reagierte vorerst mit Selbstlob und Unnachgiebigkeit auf die Protestwelle. „Wir leben in einer Zeit nie vorher erlebter Meinungsfreiheit in Argentinien“, schrieb Kirchner auf Facebook. „Niemand sollte aber fordern, dass ich meiner eigenen Politik widerspreche, die ich seit meinem 16. Lebensjahr verteidige“, fügte sie hinzu.
Protest gegen Arroganz
Gerade diese Haltung war einer der Anlässe der Protestbewegung. „Ich bin zur Demo gegangen, weil es viel Arroganz gibt“, sagte ein Pensionist am Obelisk auf dem Platz der Republik in Buenos Aires, auf dem die zentrale Kundgebung stattfand. „Die Präsidentin sollte aufhören, das Ansteigen von Kriminalität und Inflation zu bestreiten“, forderte ein 24-jähriger Student.
Das Unbehagen breiter Bevölkerungsschichten basiert auf einem Mix aus objektiven Problemen - etwa der Verschlechterung der Lebensqualität und dem konfrontativen Stil der Regierung. Die Jahresinflation, die Experten auf über 20 Prozent beziffern, nagt an den Einkommen der Normalbürger. Und die ärgern sich zusätzlich darüber, dass das offizielle Statistikamt lediglich von knapp zehn Prozent Inflation spricht.
Kein Geld für überfällige Investitionen
Argentinien steckt jedoch nicht in einer Wirtschaftskrise. Nach einigen Monaten sinkender Wachstumsraten haben die führenden Wirtschaftsberater in dieser Woche Anzeichen eines neuen Aufschwungs wahrgenommen. So steht die Exportwirtschaft gut da. Auch die weiterhin hohen Agrarpreise bei guter Ernteperspektive - etwa für Soja - wecken Hoffnungen auf ein Wachstum zwischen drei und fünf Prozent im kommenden Jahr.
Maßnahmen wie Importbeschränkungen, die den Devisenabfluss vermindern sollen, bremsen aber dringend notwendige Investitionen. Das veraltete Stromnetz in Buenos Aires brach zu Beginn des Monats zusammen, als eine Hitzewelle alle Klimaanlagen in der Großstadt in Gang brachte. Eine Woche vorher hatte ein Platzregen Wohnungen und Geschäfte inmitten der Stadt überschwemmt, weil die Kanalisation marode ist.
In einem Jahr finden in Argentinien Parlamentswahlen statt. Gut möglich, dass die Regierung Stimmen verliert. Allerdings war Staatschefin Kirchner - Witwe des Ex-Präsidenten Nestor Kirchner - schon mehrmals in den vergangenen Jahren auf dem politischen Tiefpunkt, etwa im Zuge der Bauernproteste 2008. Doch sie stand immer wieder auf.
Juan Garff, dpa
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