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Israel sperrt Hauptverkehrswege

Israel will in der Gaza-Krise seine Streitkräfte notfalls massiv auffüllen. Das Kabinett billigte am Freitagabend nach Medienberichten die Einberufung von bis zu 75.000 Reservisten. Damit wurde die Zahl der zu mobilisierenden Soldaten mehr als verdoppelt. Beobachter werten das als Vorbereitung auf eine Bodenoffensive.

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Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat Freitagabend im Verteidigungsministerium in Tel Aviv sein Sicherheitskabinett versammelt. Dort soll laut Medien der Beschluss zu einer Ausweitung der militärischen Streitkräfte gekommen sein. Kabinettssekretär Zvi Hauser hatte zuvor mitgeteilt, er habe mit den Ministern telefoniert, um grünes Licht für den Einsatz der Reservisten gegen die radikal-islamische Palästinenserorganisation Hamas zu bekommen. Am Donnerstag hatte das Kabinett die Einberufung von bis zu 30.000 Reservisten gebilligt.

Truppenaufmarsch an der Grenze

Auch Straßen rund um den Gazastreifen wurden gesperrt, was als weiterer Hinweis auf einen möglichen Einmarsch in den Gazastreifen gewertet wurde. Die Straßen befänden sich jetzt in einem „geschlossenen Militärgebiet“ und seien für den Zivilverkehr gesperrt, sagte ein Armeesprecher der Nachrichtenagentur AFP. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete, an der Grenze zum Gazastreifen seien gepanzerte Truppentransporter und Planierraupen zusammengezogen worden.

Soldaten blicken auf Gaza-Stadt

Reuters/Ronen Zvulun

Palästinenser protestieren in Jerusalem gegen israelische Militäroperationen im Gazastreifen

Zuvor war erstmals auch Jerusalem mit einer Rakete aus dem Gazastreifen angegriffen worden. Die Rakete sei außerhalb der Stadt eingeschlagen, sagte die Sprecherin der Streitkräfte, Avital Leibovitsch. Opfer gab es nach Angaben des Radios nicht. Der bewaffnete Arm der im Gazastreifen herrschenden radikalen Palästinenserorganisation Hamas erklärte, es sei ein Ziel in Jerusalem beschossen worden.

Raketen auch auf Tel Aviv

Auch in Tel Aviv hatte es den zweiten Tag in Folge Luftalarm wegen Raketenangriffen gegeben. Am Donnerstag waren erstmals seit zwei Jahrzehnten Raketen im Großraum Tel Aviv eingeschlagen, die laut palästinensischen Angaben durch den bewaffneten Arm des Islamischen Dschihad abgefeuert worden waren. Dabei wurde niemand verletzt.

Am Freitag wurde in Tel Aviv erneut Luftalarm ausgelöst. Nach wenigen Sekunden war eine schwere Explosion zu hören. Die israelische Polizei erklärte unmittelbar nach der Mitteilung der Hamas, eine Rakete auf Tel Aviv abgeschossen zu haben, es lägen keine Berichte über Schäden vor. Die Rakete sei im Meer vor der Küste der Hafenstadt gelandet, hieß es später von einem Polizeisprecher. Anschließend fuhren Lautsprecherwagen der Armee durch die Stadt und gaben Entwarnung. Die Menschen könnten die Schutzräume wieder verlassen.

Raketenabschuss von Gaza

Reuters/Ronen Zvulun

Raketen werden aus dem Gazastreifen abgeschossen

Im Gegenzug tötete Israel bei einem Angriff am Freitag einen weiteren Kommandanten der radikal-islamischen Hamas im Gazastreifen. Der Militärchef für den mittleren Abschnitt des Gazastreifens, Ahmed Abu Dschalal, sei zusammen mit zwei seiner Brüder in dem Flüchtlingslager Al-Mughasi von einer Rakete getötet worden, teilte der medizinische Notdienst in dem Gebiet mit. Eine Bestätigung von israelischer Seite ist noch ausständig.

Kurze Waffenruhe hielt nicht

Israel geht seit Mittwoch mit massiven Luftangriffen gegen Raketenstellungen radikaler Palästinenser im Gazastreifen vor. Die Gewalt hielt am Freitag trotz einer vorübergehend vereinbarten Waffenruhe an. Radikale Palästinenser feuerten am Freitag zahlreiche Raketen auf den Süden Israels ab, wie die israelische Armee mitteilte. Die israelische Luftwaffe antwortete mit einem Angriff auf das Haus eines Hamas-Kommandeurs, wie aus Kreisen der Palästinensergruppe verlautete.

„Die Hamas respektiert nicht den Besuch des ägyptischen Ministerpräsidenten im Gazastreifen und verletzt die vorübergehende Feuerpause, in die Israel vor dem Besuch eingewilligt hat“, erklärte ein Sprecher von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu über den Kurznachrichtendienst Twitter.

Kandil reiste frühzeitig wieder ab

Der ägyptische Ministerpräsident Hischam Kandil beendete seinen Solidaritätsbesuch im Gazastreifen frühzeitig. Am Grenzübergang Rafah stieg er am Freitagvormittag in einen Hubschrauber und flog in Richtung Kairo ab. Ursprünglich sei geplant gewesen, dass Kandil noch bis nach der Freitagspredigt im Gazastreifen bleibe, hieß es in Rafah. Aufgrund neuerlicher israelischer Angriffe habe er jedoch beschlossen, seinen Besuch abzukürzen, hieß es von palästinensischer Seite.

Ausgebranntes Auto nach Luftangriff

AP/Ashraf Amra

Nach einem Luftangriff in Gaza-Stadt

Auch UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon kündigte eine Reise in die Palästinensergebiete an. Ein Sprecher des UNO-Generalsekretärs kündigte an, Ban werde „in Kürze“ in den Gazastreifen reisen. Auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas bestätigte den Plan. Nach seinen Angaben soll der Besuch „in zwei oder drei Tagen“ stattfinden. Laut UNO-Diplomaten will Ban auch nach Jerusalem reisen

Internationale Gemeinschaft besorgt

Der Westen und die arabische Welt reagierten zutiefst besorgt auf die Gewalt. Washington erklärte, es gebe „keinerlei Rechtfertigung für die Gewalt“ der Hamas. Der britische Premierminister David Cameron drückte seinem israelischen Kollegen Netanjahu seine „tiefe Beunruhigung“ aus. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) betonte in einem Telefonat mit Israels Außenminister Avigdor Lieberman das Recht des Landes auf Selbstverteidigung. Frankreichs Präsident Francois Hollande äußerte sich ähnlich.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton machte die Hamas für die Eskalation der Gewalt verantwortlich. „Die Raketenangriffe der Hamas und anderer Gruppen im Gazastreifen, mit denen die derzeitige Krise begann, sind für keine Regierung hinnehmbar und müssen aufhören“, hieß es am Freitag in Brüssel in einer Erklärung Ashtons. „Israel hat das Recht, seine Bevölkerung vor dieser Art von Angriffen zu schützen. Ich fordere Israel auf sicherzustellen, dass seine Antwort verhältnismäßig ist“, so Ashton.

Scharfe Kritik an Israel aus Türkei

Indes verurteilten arabische Staaten vornehmlich das Verhalten Israels. Die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) sprach von einem „Angriff auf die Gesamtheit der islamischen Nation“ und rief den UNO-Sicherheitsrat an. Ägyptens Präsident Mursi sagte in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache, Israel müsse verstehen, „dass wir diese Aggression, die nur zu Instabilität in der Region führen kann, nicht akzeptieren“.

Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu sprach bei den israelischen Angriffen gar von einem „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, wie die Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Russlands Präsident Wladimir Putin forderte zwar beide Seiten zur Deeskalation auf; Israels Reaktion auf den Raketenbeschuss auf den Gazastreifen sei aber „unverhältnismäßig“. Tschechiens Präsident Vaclav Klaus sagte wegen der anhaltenden Gewalt eine für das Wochenende geplante Reise nach Israel ab.

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