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„Vetorecht der Mütter fällt“

Knapp drei Jahre haben SPÖ und ÖVP um eine Reform des Familienrechts gerungen. Am Mittwoch präsentierten Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) die Änderungen, die vor allem bei der Obsorge Neuerungen bringen.

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Künftig soll das Gericht die Möglichkeit haben, auch bei strittigen Scheidungen eine gemeinsame Obsorge zu verfügen - wenn es für das Wohl des Kindes ist. Die Obsorge bei strittigen Trennungen war immer eine Streitfrage in den Verhandlungen über die Reform des Familienrechts. Heinisch-Hosek, die schon mit Karls Vorgängerin Claudia Bandion-Ortner über das Paket verhandelt hatte, lehnte eine automatische gemeinsame Obsorge nach Scheidungen stets ab. Die Regelgung sei jedenfalls „das Gegenteil einer Automatik“, betonte Heinisch-Hosek. Der Richter prüfe in jedem einzelnen Fall.

Sechs Monate zur Abkühlung

Die Kompromisslösung liegt nun offenbar in einer Übergangsphase. Bei strittigen Trennungen soll es eine „Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung“ geben. Für diese Abkühlungsphase entscheidet das Gericht über eine vorläufige Lösung. Beide Elternteile sollen, müssen sogar Kontakt zum Kind haben.

Nach sechs Monaten entscheidet der Richter endgültig über eine alleinige oder eine gemeinsame Obsorgeregelung - auch basierend auf dem Verhalten der beiden Elternteile in der Übergangsphase. Selbst wenn sich beide Eltern gegen die gemeinsame Obsorge aussprechen, kann das Gericht diese verfügen, wenn es - aus Sicht des Gerichts - zum Wohl des Kindes ist. Das Kindeswohl wird nun zum Maß aller Dinge und eine Entscheidungsgrundlage für die Richter. In zwölf Punkten ist die rechtliche Definition des Wohls des Kindes klar geregelt.

„Ins 21. Jahrhundert katapultiert“

Grundsätzlich soll die gemeinsame Obsorge der Regelfall sein. Väter und Mütter werden gleichgestellt. Es muss allerdings ein hauptsächlicher Wohnort festgelegt werden. Eine weitere Einschränkung des gemeinsamen Sorgerechts ist die Wahl des Wohnorts. So kann etwa künftig einer der Elternteile mit dem Kind in ein anderes Bundesland umziehen, ohne Zustimmung des ehemaligen Partners. Bei einem Umzug ins Ausland ist aber die Zustimmung des zweiten Elternteils oder ein Gerichtsurteil notwendig.

Heinisch-Hosek zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis: „Wir katapultieren das Familienrecht damit in das 21. Jahrhundert.“ Auch Karl bezeichnete das Ergebnis als „Meilenstein“ und zeigte sich zufrieden, dass es nun auch das Antragsrecht auf gemeinsame Obsorge für geschiedene und ledige Väter gebe: „Das Vetorecht der Mütter fällt. Ein Vater kann künftig auch gegen den Willen der Mutter Obsorge beantragen. Die Entscheidung hat ein unabhängiger Richter zu fällen.“ Besteht Einvernehmen, müssen die Eltern nicht mehr vor Gericht, sondern können das gemeinsame Sorgerecht am Standesamt vereinbaren.

VfGH-Urteil machte Druck

Die Verhandlungspartner waren durch ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) vom Sommer unter Druck geraten. Bisher war das gemeinsame Obsorgerecht nach Scheidungen nur möglich, wenn sich beide Elternteile darüber einig waren. Bei unehelichen Geburten stand die Obsorge zunächst der Mutter alleine zu, die gemeinsame Obsorge musste, selbst wenn beide Elternteile zusammenleben, extra beantragt werden.

Ein nicht verheirateter Vater konnte ohne Zustimmung der Mutter keine Obsorge beantragen. Der einzige gesetzlich mögliche Weg für Väter, das Sorgerecht zu bekommen, sei der Antrag auf alleinige Obsorge gewesen, weil bei der Mutter das Kindeswohl gefährdet wäre, so die Gerichtsvizepräsidentin des Wiener Landesgerichts für Zivilrechtssachen, Waltraud Berger. Auf Beschwerde des Wiener Landesgerichts hatte der VfGH diese bisher geltende Regelung als verfassungswidrig beanstandet. Mit der neuen Regelung erhalten nun ledige Väter ein uneingeschränktes Antragsrecht auf Obsorge.

Besuchsrecht als Kontaktpflicht

Auch beim Besuchsrecht gibt es Neuerungen. Dieses wird zum Kontaktrecht und sogar zur Kontaktpflicht. Bei einvernehmlichen Scheidungen muss das Besuchsrecht von Anfang an geregelt sein. Zudem gebe es Maßnahmen wie verpflichtende Familienberatung, Mediation und Schlichtungsverfahren, sollte der Kontakt von einem Elternteil unmöglich gemacht werden. „Die allermeisten Streitigkeiten zwischen Ex-Partnern und -Partnerinnen entstehen nicht etwa aus Fragen der Obsorge, sondern des Besuchsrechts“, argumentierte Heinisch-Hosek.

Mit der Familiengerichtshilfe, die bundesweit eingerichtet werden soll, sollen familiengerichtliche Verfahren in Zukunft rascher und effizienter abgewickelt werden. „Besuchsmittler“ sollen darauf achten, ob der Kontakt zwischen Kind und Eltern von beiden Seiten eingehalten wird.

Erleichterungen sind auch für Patchworkfamilien geplant: Diese dürfen künftig Dinge der alltäglichen Obsorge aufeinander übertragen, wie etwa eine Entschuldigung bei Krankheit unterschreiben. Das gelte auch für Familien mit gleichgeschlechtlichen Partnern, so Heinisch-Hosek. Künftig sollen auch Kinder von nicht verheirateten Paaren einen Doppelnamen tragen können. Das Familienrechtspaket geht nun in Begutachtung und soll mit 1. Februar 2013 inkraft treten.

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