„Afrikas vergessener Diktator“
Weiße Strände und zahlreiche Nationalparks samt Luxus-Lodges sind die eine Seite Gambias. Das westafrikanische Land, nicht einmal so groß wie die Steiermark, gilt als relativ sicher und lockt deshalb immer mehr Touristen an. Die Schattenseite der Idylle ist das repressive Regime unter Präsident Yahyah Jammeh. Dieser kündigte zuletzt an, bis Ende September alle zum Tode verurteilten Häftlinge im Land hinrichten lassen.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Nur wenige Tage, nachdem Jammeh seine Entscheidung angekündigt hatte, bestätigte das Innenministerium in der Hauptstadt Banjul am 26. August die Exekution von acht Männern und einer Frau „nach Ausschöpfung aller rechtlichen Mittel“ durch Erschießungskommandos. Es waren die ersten offiziellen Hinrichtungen in Gambia seit dem Jahr 1985. Ein Vertreter der Sicherheitsbehörden sagte nach diesen Hinrichtungen, nun stehe noch knapp 40 Gefangenen die Vollstreckung der Todesstrafe bevor.
Was folgte, war eine Flut von Protestnoten aus dem Ausland, die nun offenbar zu einem Umdenken beim gambischen Präsidenten führten. Der Vollzug der Todesstrafen sei auf unbestimmte Zeit ausgesetzt, hieß es am späten Freitagabend in einer im Fernsehen verlesenen Erklärung der Präsidentschaft.

Corbis/Jon Hicks
Strand an der gambischen Atlantikküste
„Botschaft“ an die Gegner?
Unklar war zuvor, was Jammeh überhaupt zu den angekündigten Hinrichtungen veranlasste. Vorstellbar ist, dass diese als Signal an Kritiker gedacht waren. Die Betroffenen wurden entweder wegen Mordes oder - wie mehrere frühere Staatsbeamte und Militärs unter ihnen - wegen Hochverrats verurteilt. Letzteres Delikt ist unter autoritären Regimen mitunter gleichbedeutend mit Opposition.
Die offizielle Begründung las sich freilich anders. Der oberste Richter des Landes, Emmanuel Akim, verteidigte laut dem gambischen „Daily Observer“ am vergangenen Wochenende die Entscheidung des Präsidenten und begründete diese mit der steigenden Zahl der Gewaltverbrechen, vor allem Morde. Die Justiz müsse auf veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen reagieren. Auch der oberste Islamische Rat stellte sich hinter Jammeh. Die Hinrichtungen seien nur ein weiteres Indiz dafür, dass in Gambia „einiges nicht stimmt“, hieß es dagegen in einem Artikel des britischen „Independent“ am Donnerstag.
Alleinherrscher mit vielen Titeln
Jammeh sei „Afrikas vergessener Diktator“, der - seit er 1994 nach einer Soldatenrevolte die Macht übernommen hatte - „nie mehr daran gedacht hätte, die je wieder abzugeben“. Der frühere Offizier ist alleiniges Staatsoberhaupt und Befehlshaber der Streitkräfte.

dapd/AP/Candace Feit
Jammeh behauptet, Krankheiten nur per Handauflegen heilen zu können
Zwar fanden 1996, 2001, 2006 und 2011 Präsidentenwahlen statt, doch die waren von Vorwürfen der Manipulation und Einschüchterung überschattet. 2002 hatte auch Jammehs Partei, die Alliance for Patriotic Reorientation and Construction (APRC), die Wahl zur Nationalversammlung gewonnen. Während seiner Wahlkampagne 2006 hatte Jammeh laut „Independent“ erklärt: „Ich werde die Regionen, die für mich stimmen, entwickeln. Wenn Ihr mich nicht wählt, dann erwartet Euch nichts.“ Für manche Gambier könne die Entscheidung eine für oder gegen das Überleben in dem bitterarmen Land gewesen sein, so die britische Zeitung.
Es häuften sich Vorwürfe, Regierungskritiker würden ohne Grund festgenommen, misshandelt oder würden einfach verschwinden. Mittlerweile sei der Präsident, der darauf besteht, stets mit vollem Namen samt Titeln - als „Seine Exzellenz Scheich Professor Doktor Al-Haji Yahya AJJ Jammeh“ - angesprochen zu werden, selbst seinen Vertrauten nicht mehr ganz geheuer.
„Heiler“ und „Hellseher“
Jammeh gilt als unberechenbar, machtbesessen und nicht minder exzentrisch. Er behauptet etwa von sich selbst, Krankheiten wie Aids und Diabetes mittels Handauflegen heilen zu können und über hellseherische Fähigkeiten zu verfügen. Jammeh würde wohl noch etwas mehr übernatürliche Kräfte für sich beanspruchen, würde ihn nicht sein islamischer Glaube etwas einbremsen, so der „Independent“. Die britische BBC spekulierte, die Hinrichtungen könnten mit Jammehs Hang zum Aberglauben in Zusammenhang stehen.
Vor einigen Jahren hatte Jammeh alle homosexuellen Frauen und Männer im Land per Ultimatum zur Ausreise binnen 24 Stunden aufgefordert. Ansonsten werde er sie köpfen lassen, drohte er. Auf Homosexualität steht in Gambia - wie in anderen afrikanischen Ländern auch - zumindest eine Haftstrafe.
Die Hinrichtungen gab Jammeh, wie auch der „Independent“ anmerkte, ausgerechnet anlässlich des Id al-Fitr zum Ende des Ramadan im August bekannt. Das hohe islamische Fest gilt im Normalfall als eines der Versöhnung. In Marokko begnadigte König Mohammed VI. zum selben Zeitpunkt über 560 Strafgefangene.
Toleranzappell vom Despoten
Ebenfalls anlässlich des Festes zum Fastenbrechen rief Jammeh in einer von der Regierung veröffentlichten Erklärung zu Toleranz auf. Islamische Extremisten geißelte er als skrupellose Kriminelle und Verräter der Religion. „Wenn sich Kriminelle für ihre Machenschaften hinter einer Religion verstecken, dann schaden sie dieser Religion. Unsere Religion befindet sich in Geiselhaft krimineller Ungläubiger.“ Diese „Elemente“, die Hass und Gewalt im Namen der Religion verbreiteten, würden der Ummah (islamischen Gemeinschaft, Anm.) nur schaden und ihren Ruf in der westlichen Welt zerstören. Allerdings: Christen beklagen in Gambia zunehmende Repressalien, ebenso wie die politische Opposition und die Medien.
Tourismus immer wichtiger
Auf dem Human Development Index (HDI) der UNO nimmt Gambia Platz 168 (von 187) ein. Ein Drittel der rund 1,75 Millionen Gambier muss nach Schätzungen mit weniger als 1,5 Euro pro Tag auskommen. Wichtigste Einnahmequelle ist die Landwirtschaft, dahinter folgt bereits der Tourismus, um dessen Ausbau sich Jammehs Regierung stark bemüht, insbesondere in der Nische Ökotourismus. Laut BBC besuchen pro Jahr alleine 50.000 britische Touristen das westafrikanische Land.

Corbis/R H Productions
Ökolodge nahe der Hauptstadt Banjul in einem der zahlreichen Schutzgebiete
An der Atlantikküste entstanden Luxushotels, das Land verfügt über zahlreiche Naturreservate und Nationalparks mitsamt Lodges für Safari-Touristen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag 2011 nach Angaben der Weltbank bei rund 1,1 Mrd. Dollar (Österreich: rund 388 Mrd. Dollar). Das Land verfügt über keine nennenswerten erschlossenen Bodenschatzvorkommen. Viel Geld wurde von Jammeh in die Suche nach Erdöl investiert, auch mit ausländischer Hilfe - allerdings ohne Erfolg.
Links: