Architektur in Krisenzeiten
Eine Architekturbiennale mit starkem ethischem Bewusstsein: Prunkbauvorhaben oder Edelmodelle sucht man vergeblich, Konsumkritik, Ökothemen und soziale Projekte stehen im Mittelpunkt der diesjährigen Länderpräsentationen in den Giardini. Aber auch auf virtuelle und zukünftige Welten, wie sie Österreich im Hoffmann-Pavillon betont, trifft man im Nationengarten der bis 25. November laufenden Biennale immer wieder.
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In seiner internationalen Ausstellung „Common Ground“ geht Biennale-Direktor David Chipperfield mit klaren moralischen Botschaften ans Werk, die einzelnen Länder haben sich diesem Duktus und dem diesjährigen Motto brav angeschlossen. So fordert Deutschland zu „Reduce, Reuse, Recycle“ und damit zur Wertschätzung des Vorhandenen in der Architektur auf - und seien es auch die ungeliebten Bausünden der Nachkriegszeit.

APA/Günter Wett
Der österreichische Beitrag auf der Biennale „Hands have no tears to flow“
Kanada feiert sich selbst in duftendem Holzinterieur als migrationsfreundliches Land, dessen Architektur von den Einflüssen seiner Einwanderer profitiert hat, und die USA haben den gesamten Pavillon der Vorstellung urbaner Stadtentwicklungsprojekte gewidmet: vom „Eco-Playground“ zum „Community Living Room“.
Frankreich und Spanien laden zum Mitmachen ein
Der Neuerfindung der „Grands Ensembles“, der riesigen Wohnanlagen in französischen Vorstädten, widmet sich Architekt Yves Lion mit einer workshopartigen Einladung zum Mitdenken an einer sozial gerechten, an den Menschen orientierten Städteplanung rund um Paris. Auch im „Spainlab“ darf jeder mitmachen: Verschiedene Architektengruppen stellen interaktive Entwicklungsideen vor, laden ein, auf dem Trampolin zu springen und eine neue Stadt zu erträumen oder neuartige Bepflanzungsanlagen auszuprobieren.
„Venice takeaway“ nennt sich der britische Pavillon: Zehn Architektengruppen unternahmen im Vorfeld Weltreisen, um sich für die Veränderung der britischen Architektur inspirieren zu lassen - ihre Vorschläge legen sie in einem feingliedrigen, fantasievollen Ideenlabor vor.
Kritische Beiträge von mehreren Ländern
Konsum- und Kapitalismuskritik wird gleich in mehreren Pavillons groß geschrieben, neben Deutschland plädiert man auch in Belgien für ein Umdenken im Umgang mit natürlichen Ressourcen, in der venezolanischen Präsentation werden sozialistische Städte im Comic-Stil von Domenico Silvestro dargestellt, und der israelische Pavillon ist Schauplatz einer vehementen Kritik an der US-Einflussnahme.
„Israel ist der größte amerikanische Flugzeugträger der Welt, der nicht sinken kann“, lautet ein groß geschriebenes Zitat eines US-Politikers, in Buchform erforschen die Kuratoren den Einfluss der US-Politik auf die israelische Architektur. „Zwischen den beiden Krisen von 1973 bis 2008 hat sich Israel von einem Wohlfahrtsstaat in ein brutales kapitalistisches System gewandelt“, so Kurator Eres Ella gegenüber der APA. Die Ausstellung antwortet auf diese Entwicklung mit kritischen Merchandising-Artikeln und einer ironischen Geschichtsaufarbeitung im Spielzeugformat.
Wiederaufbau in Tsunami-Gebieten
Während der japanische Stararchtekt Toyo Ito nach der Möglichkeit einer rettenden Architektur für die vom Tsunami im Frühjahr 2011 vernichteten japanischen Gebiete fragt, feiert der nordische Pavillon sein 50-jähriges Bestehen mit „Konzepthäusern“ von 32 Architekten in Schweden, Norwegen und Finnland. Auch Argentinien feiert die eigene Architekturgeschichte in einer Fotoschau in den Arsenale.
Die zypriotischen Dokumentationen in Filmform konsumiert der Besucher im Liegestuhl am aufgeschütteten Sandstrand inklusive Wellensound. Im kosovarischen Saal geht es um die emotionale Bedeutung von Bauwerken - hier werden Fotos von Gebäuden auf Tablets präsentiert und sollen von den Besuchern bestimmten Gefühlen von Traurigkeit, Neugier oder Glück zugeordnet werden.
Der Trend zum Tablet
Tablets sind generell ein häufiger Begleiter der Ausstellungen - manchmal ersetzen sie gar den Pavillon, wie beim tschechischen Beitrag. In einen leeren Raum zaubert das Display virtuelle Bilder von digital veränderten Architekturfotografien. Visuell wesentlich eindrucksvoller kommt da die russische Spielform daher: Während im Untergeschoß die Geschichte der geheimen Forschungsstädte in der Zeit des Kalten Kriegs aufgearbeitet wird, stellt man oben eine neue, offene und internationale „Scientific City“ vor.
Bis unter die Kuppel sind die Räume mit riesigen, abwechselnd aufleuchtenden QR-Codes tapeziert, auf dem Tablet eingescannt offenbart jeder von ihnen ein architektonisches Projekt für die neue Stadt als umfangreiches Text- und Bildfile.
Link:
- 13. Architekturbiennale(www.labiennale.org/en/architecture)