Steigende Sprit- und Lebensmittelpreise
Auf Deutschlands Tankstellen ist E10-Biosprit seit dem Vorjahr erhältlich - die Nachfrage danach hält sich allerdings in Grenzen. Ab Herbst sollen auch Österreichs Autofahrer Benzin mit einem höheren Anteil Bioethanol tanken. Das jedenfalls plant Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP). Der Widerstand dagegen ist jedoch enorm.
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Die infolge weltweiter Missernten und Agrarspekulationen gestiegenen Nahrungsmittelpreise lassen die Kritik am Biosprit - also Treibstoff aus Getreide - neu aufflammen. Der Biosprit, der schon jetzt im Ausmaß von fünf (Benzin) bzw. sieben Prozent (Diesel) in Österreich zugesetzt wird, steht nicht nur wegen der Mehrkosten, sondern auch wegen des umstrittenen ökologischen Nutzens in der Kritik.
Treibhausgase nur verlagert?
Umweltschützer sind der Meinung, Treibstoff aus Getreide, Zuckerrohr und Zuckerrüben füge der Umwelt mehr Schaden als Nutzen zu. Die klimaschädlichen Treibhausgase würden lediglich in Richtung Landwirtschaft verlagert - „und wenn die Rohstoffe aus dem Ausland importiert werden, werden sie ins Ausland verlagert“, sagte Jurrien Westerhof von Greenpeace im Ö1-Morgenjournal - mehr dazu in oe1.ORF.at.
Der Sprit aus Nahrungsmitteln
Bei E10 handelt es sich um Benzin, das bis zu zehn Prozent Bioethanol enthält. Bioethanol ist Alkohol, der durch Fermentation und Destillation aus Rohstoffen wie Getreide, Zuckerrüben und Zuckerrohr gewonnen wird.
ARBÖ: Sprit wird empfindlich teurer
Auch der Autofahrerclub ARBÖ erneuerte seine Kritik. Gerade jetzt, da die Preise von Getreide und Mais in die Höhe schnellten, sei ein denkbar schlechter Zeitpunkt für die Einführung von E10. In Österreich fehlen heuer etwa 700.000 Tonnen Getreide. ARBÖ-Generalsekretärin Lydia Ninz sieht eine Teuerungswelle auf Österreichs Autofahrer zurollen. Der ARBÖ rechnet bei Eurosuper mit einer Preissteigerung von zehn Cent pro Liter durch die Einführung. Laut Arbeiterkammer komme auf die heimischen Konsumenten durch die Einführung von E10 unterm Strich eine Mehrbelastung von 51 Millionen Euro zu - an Produktmehrkosten und Steuern.
Große Bedenken in puncto Biosprit äußern auch Entwicklungshilfeorganisationen. „Es gibt eine tödliche Konkurrenz zwischen Teller und Tank, und da sage ich: Der Teller muss gewinnen“, sagte Caritas-Auslandshilfechef Christoph Schweifer gegenüber Ö1. Vor allem in den USA, wo momentan 40 Prozent der Ernte in Raffinerien landen, brauche es einen Produktionsstopp für Biotreibstoff oder zumindest eine Drosselung, in Europa ein Moratorium - mehr dazu in oe1.ORF.at.
Deutscher Minister fordert Verkaufsstopp
In Deutschland hatte sich am Wochenende erstmals ein Regierungsmitglied für einen sofortigen Verkaufsstopp von E10 ausgesprochen. „Gerade bei steigenden Lebensmittelpreisen kann Biosprit zu stärkerem Hunger in der Welt beitragen“, sagte Entwicklungsminister Dirk Niebel. Autofahrer zeigen sich in Deutschland nach wie vor skeptisch - die Absatzzahlen von Biosprit liegen weit unter den Erwartungen. Der Treibstoff ist nicht für alle Motoren geeignet, zudem erhöht der Bioethanolanteil auch den Verbrauch des Fahrzeugs.
Berlakovich hält an Einführung fest
In Österreich hält Landwirtschaftsminister Berlakovich am Plan fest, E10 im Herbst einzuführen - mehr dazu in oe1.ORF.at. „Es wird nur ein ganz geringer Anteil an Getreide für die Bioenergieproduktion verwendet. Die Nahrungsmittelproduktion ist in keinster Weise gefährdet“, sagte am Donnerstag ein Sprecher von Berlakovich. Sowohl in Österreich als auch europa- und weltweit stünden „Flächen- und Produktionspotenziale in mehr als ausreichendem Maß zur Verfügung“. Berlakovich hat mit seinem E10-Vorhaben - bis auf die Biosprit- bzw. Agrarbranche - wenige Mitstreiter. Die Debatte in Deutschland gibt heimischen Kritikern Aufwind.
SPÖ abwartend
Wann genau der Biosprit in Österreich kommen soll, hänge vom Koalitionspartner respektive dem Büro von Verkehrsministern Doris Bures (SPÖ) ab. „Es laufen Verhandlungen.“ Für Bures ist es aber offenbar noch nicht fix, dass der umstrittene Biosprit im Herbst eingeführt wird. Das Ministerium spielte am Donnerstag den Ball zurück zu Berlakovich. Die entsprechende E10-Verordnung liege in seiner Verantwortung, „der dafür auch das Einvernehmen von Gesundheitsministerium, Wirtschaftsministerium und Verkehrsministerium herstellen muss“, so ein Bures-Sprecher in einer Stellungnahme.
Deutlicher wurde die SPÖ-Abgeordnete Petra Bayr. Sie forderte Berlakovich in einer Aussendung auf, von der E10-Einführung im Herbst abzusehen. „Agrotreibstoffe sind weder bio noch nachhaltig. Der Anbau von Pflanzen für die Gewinnung von Treibstoff verdrängt den Anbau von Nahrungsmitteln“, in Zeiten wie diesen sei das „unmoralisch“, so die SPÖ-Bereichssprecherin für globale Entwicklung.
Kritik von FPÖ und BZÖ
Auch FPÖ und BZÖ sprachen sich vor dem Hintergrund der neu aufgeflammten Debatte über gestiegene Nahrungsmittelpreise gegen die E10-Einführung im Herbst aus. „Der Beimengungsgrad bei Agrartreibstoff E10 und die Tatsache, dass Nahrungsmittel verwendet werden, um im Auto verbrannt zu werden, gefallen mir ganz und gar nicht. Ich bin dafür, den Herbsttermin auszusetzen“, so FPÖ-Umweltsprecher Norbert Hofer.
„E10 ist für die Landwirte existenzgefährdend, weil die Futtermittel immer teurer werden. Außerdem gehört Essen auf den Teller und nicht in den Tank“, meinte BZÖ-Agrarsprecher Gerhard Huber. Er vermute, dass Berlakovich „nur wegen Raiffeisen/Agrana auf E10 beharrt“.
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