Regime bestätigt Angriff
Syrische Rebellen haben in der Nacht auf Samstag das Gebäude des Staatsfernsehens in der umkämpften Metropole Aleppo angegriffen. Die Aufständischen hätten rings um das Haus Sprengsätze deponiert, seien dann aber bei dem Versuch, das Gebäude zu stürmen, von der syrischen Luftwaffe beschossen worden, teilte die im Ausland ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit.
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Daraufhin hätten sich die Rebellen, die nach eigenen Angaben die Hälfte der Stadt kontrollieren, zurückgezogen. Der Organisation zufolge gab es in zwei westlichen Stadtteilen von Aleppo zudem heftige Kämpfe.
Die amtliche Nachrichtenagentur Sana bestätigte den Angriff auf die Niederlassung des Staatsfernsehens und berichtete von „Terroristen, die Zivilisten und das Gebäude angegriffen“ hätten. Syrische Soldaten seien aber zur Verteidigung angerückt. Bei dem Vorfall seien „Terroristen getötet und verletzt worden“, hieß es weiter. Mit dem Begriff „Terroristen“ umschreibt die syrische Führung regierungskritische Demonstranten und Aufständische im Land.
Aggressive Angriffstaktik auf Staatseinrichtungen
In der seit über einer Woche andauernden Schlacht um die Wirtschaftsmetropole Aleppo konnten die Aufständischen nicht nur die Angriffe der regulären Armee abwehren, sondern hatten diese Woche auch einen Panzerangriff auf einen Luftwaffenstützpunkt gestartet. Die Rebellen eröffneten mit einem erbeuteten Panzer das Feuer auf den Luftwaffenstützpunkt Menakh rund 35 Kilometer nördlich von Aleppo.
In der Stadt selbst befestigten die Rebellen ihre Stellungen in Erwartung des Sturm der 2,5 Millionen Einwohner zählenden Stadt. Nach eigenen Angaben haben sie in dieser Woche drei Polizeistationen eingenommen. Mehrere andere Polizeieinrichtungen und kleinere Militärstützpunkte würden belagert.

REUTERS/Shaam News Network
Nach eigenen Angaben kontrollieren die Rebellen in Aleppo mehrere Polizeistationen
Entführter TV-Moderator ermordet
Am Samstag wurde weiter bekannt, dass ein Mitte Juli aus seinem Haus in Damaskus entführter Moderator des syrischen Staatsfernsehens ermordet worden ist. Das berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte: „Eine bekannte Persönlichkeit des syrischen Staatsfernsehens ist exekutiert worden und die Al-Nosra-Front hat sich zur Tat bekannt“, bestätigte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.
Bereits am Freitag hatte die Al-Nosra-Front in einer Mitteilung die Entführung und den Mord an Mohammed al-Said verkündet: „Die Helden von Ghouta-West (Stadtteil von Damaskus, Anm.) haben den Moderator der (regierungsnahen, Anm.) Schabiha-Miliz am 19. Juli festgenommen, verhört und ihn anschließend getötet.“ Der Text wurde auf eine Website gestellt, auf der auch die Flagge der Al-Kaida zu sehen ist. Begleitet ist er von einem Foto des Moderators und dem Satz: „Dies soll all jenen als Lektion dienen, die das Regime unterstützen.“
Damaskus „so heftig beschossen wie nie zuvor“
Neben Aleppo ist unterdessen auch die Hauptstadt Damaskus weiter Schauplatz schwerer Kämpfe. Die Armee habe das südliche Viertel Tadamun „so heftig beschossen wie nie zuvor“, teilte die Beobachtungsstelle mit. Auch im östlichen Bezirk Jobar gab es demnach Gefechte. Laut Sana ging die Armee auch hier gegen „Terroristen“ vor. Eine „große Anzahl“ von ihnen sei festgenommen oder getötet worden, meldete die Nachrichtenagentur. Zudem seien Waffen beschlagnahmt worden.
Der der Opposition in Syrien nahestehenden Beobachtungsstelle zufolge wurden landesweit am Samstag mindestens 13 Menschen getötet, darunter jeweils sechs Menschen im östlichen Deir Essor und im Großraum Damaskus. Am Freitag starben demnach landesweit mindestens 84 Menschen, darunter 46 Zivilisten. Der blutig ausgetragene Konflikt im Land hält seit nunmehr eineinhalb ahren an.
Agentur: Iranische Pilger verschleppt
In Damaskus wurden einem staatlichen Medienbericht zufolge 48 iranische Pilger verschleppt. „Bewaffnete Gruppen“ hätten die Pilger auf der Straße zum Flughafen entführt, zitierte die Nachrichtenagentur Irna einen namentlich nicht genannten Vertreter der iranischen Botschaft in Damaskus am Samstag. Der Iran ist einer der wenigen verbliebenen Verbündeten der syrischen Führung.
In Syrien wurden im vergangenen Monat die meisten Menschen seit mehr als einem Jahr getötet. Es sei die höchste Opferzahl seit Beginn des Aufstandes gegen Präsident Baschar al-Assad im März 2011, berichtete am Samstag die Beobachtungsstelle. Mindestens 4.239 Menschen seien im Juli getötet worden, darunter 3.001 Zivilisten, 1.133 Soldaten und 105 Deserteure.
Hackerangriff auf Reuters-Blog
Ebenfalls zu einem Angriff - wenn auch virtuell - ist es zudem auf die weltgrößte Nachrichtenagentur Reuters mit Sitz in London gekommen. Die Agentur wurde eigenen Angaben zufolge Ziel eines Hackerangriffs. Im Blogbereich von Reuters.com seien mehreren Reuters-Journalisten gefälschte Einträge untergeschoben worden, unter anderem zu einem erfundenen Interview mit einem syrischen Rebellenführer. Das teilte Thomson Reuters am Freitag über den Kurznachrichtendienst Twitter mit und berichtete darüber am Samstag auch im eigenen Nachrichtendienst.
In dem Beitrag wurde der Kommandeur der oppositionellen Freien Syrischen Armee, Oberst Riad al-Asaad, mit den Worten zitiert, seine Truppen würden sich aus dem nordsyrischen Aleppo zurückziehen. Dort liefern sich Militär und Aufständische seit Tagen heftige Kämpfe. Die Agentur erklärte, sie habe ein solches Interview nie geführt, der Eintrag sei gelöscht worden. Wer hinter dem Hackerangriff stecke, sei unklar, hieß es in der Meldung. Die Plattform mit den Blogs sei am Freitag vorerst vom Netz genommen worden.
Syrien bittet Russland um Finanzhilfe
Syrien hat unterdessen seinen Verbündeten Russland um Finanz- und Wirtschaftshilfe gebeten, um die Folgen der westlichen Sanktionen gegen das Regime in Damaskus abzufedern. Vizeregierungschef Kadri Dschamil habe bei Gesprächen in Moskau besonders einen Mangel an Erdölprodukten wie Diesel beklagt, wie Medien in Moskau am Samstag berichteten.
Die Delegation habe zudem „eine gewisse Summe in harter Währung beantragt, um die komplizierte Lage in Syrien zu überbrücken“, hieß es. Die UNO-Vetomacht Russland blockiert im Weltsicherheitsrat eine Resolution gegen seinen Waffenkunden Syrien. Auch Forderungen nach einem Rücktritt von Präsident Assad lehnt Moskau ab.
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