Payola 2.0
US-Popstar Madonna ist bei der Veröffentlichung ihres Albums „MDNA“ unter großem Druck gestanden: Alles andere als eine sofortige Spitzenposition in den US-Charts wäre als Misserfolg gewertet worden. Dann waren die neuen Charts da, Madonna auf Platz eins und die erwartete Übung somit gelungen. Vor allem weil der Musikkonzern Live Nation nachgeholfen hat.
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359.000-mal wurde „MDNA“ laut Billboard-Album-Charts vom Fleck weg verkauft. Vertrieben hat das Album die Plattenfirma Interscope. Gekauft haben aber nicht nur Madonna-Fans, sondern in unbekanntem Ausmaß auch Live Nation, die das Album verschenken: In den USA und ausgewählten anderen Ländern gab es zu jeder Bestellung eines Tickets für die aktuelle Madonna-Tournee das Album „MDNA“ wahlweise als per Post zugeschickte CD oder als Gratisdownload beim Musikportal iTunes dazu.
Madonna bei weitem nicht allein
Dass Live Nation mit seiner Veranstaltertochterfirma Ticketmaster die Promotion nicht an die große Glocke gehängt hat, versteht sich von selbst. Ebenso sehr machten einander Interscope und Live Nation gegenseitig die Mauer und schwiegen darüber, wie viele Stück von „MDNA“ in Wahrheit nicht verkauft, sondern verschenkt wurden. Es gibt aber Vergleichswerte, denn Madonna ist bei weitem nicht die einzige mit herbeifantasierten Hitparadenerfolgen. Und nicht einmal das Geschäftsmodell ist neu.

Reuters/Jeff Haynes
Die „Queen of Pop“ bleibt mit ein wenig Trickserei auf dem Thron
Wie sowohl das Wirtschaftsmagazin „Forbes“ als auch das Branchenblatt „Billboard“ erinnerten, gelangen den US-Künstlern Bon Jovi und Tom Petty in der Vergangenheit auf diese Art ebenfalls „Überraschungshits“. Ersterer kam mit „Lost Highway“ im Jahr 2007 auf Platz eins der Hitparade, Letzterer mit „Mojo“ im Jahr 2010 immerhin auf Platz zwei. In beiden Fällen wurde eine unbekannte Stückzahl als Draufgabe zum Konzertticket verschenkt.
Hitparadenerfolg, not born this way
Bei Lady Gaga kennt man zumindest Zahlen: Grob die Hälfte des Hitparadenerfolgs von „Born This Way“ geht auf eine damalige „Promotion-Aktion“ beim Internetportal Amazon zurück, bei der man das Album um 99 US-Cent (75 Euro-Cent) kaufen konnte. Die Plattenfirma damals wie heute: Interscope. Aus dem Schönheitsfehler, dass die echten Verkaufszahlen auf die Art früher oder später bekannt werden, hat Interscope inzwischen offenbar gelernt und eben auf das stille Verschenken von Alben als Konzertsouvenir umgestellt.
Manipulation so alt wie das Geschäft selbst
Die Manipulation im Musikgeschäft ist dabei so alt wie das Business selbst: Spätestens seit den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts gehörte es zur Pflichtübung, die Bestückung von Jukeboxes, die damals meist „Rock Ola“ hießen, in „In-Lokalen“ mit Bestechung zu beeinflussen. Effizienter, aber teurer war es, mit meist korrupten landesweit bekannten Radio-DJs Abmachungen zu treffen. Das nannte man dann „Payola“ - ein bis heute in der DJ-Szene geläufiges Schimpfwort für gekaufte Kollegen.
Später wurden Publikumscharts durch organisierte Massenanrufe und Postsendungen manipuliert. Bei den späteren Verkaufshitparaden gehörte es für Plattenfirmen zum Standard, mit Großkunden schon vorab riesige Abnahmemengen zu vereinbaren. Damit zählte das Album aus Sicht der Musikindustrie bereits als verkauft. Dass mit Großkunden allerdings ebenso großzügige Rückgabevereinbarungen ausgehandelt werden, wurde nobel verschwiegen.
Es geht auch anders
Der erste Platz von Hitparaden muss daher nicht immer das populärste Album sein. Auf dem zweiten Platz der US-Albumcharts lag etwa vor kurzem mit zu diesem Zeitpunkt 199.000 verkauften Stück überraschend Soulpop-Senior Lionel Richie mit seinem Album „Tuskegee“, einer an sich nicht sonderlich begeisternden Country/Best of-Mischkulanz. Aber zum Unterschied von anderen fürchtet Richie nicht das Echo seines Publikums, im Gegenteil: Er tat sich etwa die Ochsentour an, sich in das Studio des Homeshopping-TV-Kanals HSN zu stellen und einfach seine Musik vorzuspielen. In einer Stunde hatte er 20.000 Stück an echte Käufer verkauft.
Lukas Zimmer, ORF.at
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