Geld für Banken so billig wie noch nie
Das Geld im Euro-Raum ist so billig wie nie - zumindest für Banken: Erstmals seit Einführung des Euro 1999 fällt der Leitzins unter ein Prozent. Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) beschloss am Donnerstag eine Zinssenkung um 0,25 Punkte auf 0,75 Prozent, wie die Notenbank in Frankfurt mitteilte.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Der Zins für Übernachteinlagen bei der EZB wird ebenfalls um 25 Basispunkte auf null Prozent reduziert. Damit lohnt es sich für Banken überhaupt nicht mehr, Milliarden kurzfristig bei der Notenbank zu parken. Die Gründe für die Beschlüsse wird EZB-Präsident Mario Draghi am Nachmittag vor der Presse erläutern.
Erwarteter Schritt
Die meisten Volkswirte hatten die Zinssenkung im Kampf gegen eine drohende Ausbreitung der Rezession erwartet. Die Inflationsrisiken gingen zuletzt zurück, während sich die schwache Konjunktur immer weiter ausbreitet. Niedrige Zinsen verbilligen Kredite. Das erhöht tendenziell die Investitionsneigung von Unternehmen und die Konsumfreude der Verbraucher - und kann so die Konjunktur ankurbeln. Zugleich befeuern niedrige Zinsen aber die Inflation.
EZB-Präsident Mario Draghi begründete die Zinssenkung mit der schwachen konjunkturellen Verfassung zahlreicher Länder in der Euro-Zone. Zugleich sei die Teuerung in den Mitgliedsländern in jüngster Zeit auf dem Rückmarsch und dürfte spätestens 2013 die von der EZB angepeilte Marke von knapp zwei Prozent unterschreiten.
„Wachstum bleibt schwach"“
„Das Wirtschaftswachstum bleibt weiterhin schwach und die erhöhte Unsicherheit belastet das Vertrauen.“ Entsprechend sei die Entscheidung im EZB-Rat „einstimmig in jeder Hinsicht“ gefallen, sagte der Italiener, der seit seinem Amtsantritt im vergangenen November die Zinsen damit bereits dreimal gesenkt und gut eine Billion Euro in den Finanzsektor gepumpt hat.

APA
Draghi dämpfte die Hoffnung auf eine weitere langfristige Geldspritze der Zentralbank für die Banken. Die um die Jahreswende aufgelegten langfristigen Kreditlinien für die Banken benötigten noch Zeit, um zu wirken, sagte Draghi am Donnerstag auf der Pressekonferenz nach der historischen Zinssenkung in Frankfurt. „Der Kreditfluss bleibt schwach“, räumte Draghi ein.
Andere wichtige Zentralbanken wie die US-Notenbank Fed, die Bank of England und die Bank of Japan haben ihre Leitzinsen schon seit langem de facto auf null Prozent gesenkt. Für den Euro-Raum betonte in der vergangenen Woche EZB-Chefvolkswirt Peter Praet: „Es gibt keine Doktrin, dass der Leitzins nicht unter einem Prozent liegen kann.“
Mehr Verantwortung für EZB
Nach dem Willen der Politik werden Europas oberste Währungshüter bei der Euro-Rettung künftig eine noch gewichtigere Rolle übernehmen: Für die Banken im Euro-Raum soll es eine einheitliche Aufsicht „unter Einbeziehung“ der EZB geben. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach beim jüngsten EU-Gipfel Ende vergangener Woche von einer „Superaufsichtsbehörde“.
IWF: Anleihekäufe wären effektiver
IWF-Chefin Christine Lagarde hatte kurz vor der Zinsentscheidung der Notenbank die Wiederaufnahme ihrer umstrittenen Staatsanleihekäufe im Kampf gegen die Krise empfohlen. Verstärkte Anleihekäufe seien im Vergleich zu einer Zinssenkung zielgerichteter und effektiver, sagte die frühere französische Finanzministerin, die den Internationalen Währungsfonds (IWF) seit Mitte vergangenen Jahres leitet.
„Wir sind uns nicht sicher, ob das im Moment der beste Weg ist“, sagte sie am Dienstag im US-Fernsehsender CNBC. „Deutschland braucht keine Zinssenkung der EZB, aber Italien und Spanien. Man kann aber mit diesem geldpolitischen Instrument nicht differenzieren. Hingegen kann das Wertpapierkaufprogramm viel selektiver und vernünftiger eingesetzt werden.“ Der IWF hatte noch vor vier Wochen eine laxere Geldpolitik der EZB und eine Zinssenkung gefordert.
Zinssenkung enttäuscht Finanzmärkte
Die Finanzmärkte reagierten am Donnerstag enttäuscht auf die Zinssenkung. Die Aktienbörsen gaben ihre Gewinne größtenteils ab, auch die Wall Street eröffnete im Minus, und der Euro rutschte auf den tiefsten Stand seit Anfang Juni ab und fiel im Tagesverlauf um fast 1,5 Cent bis zuletzt auf 1,2364 US-Dollar. „Durch das zögerliche Handeln der EZB bleibt Europa verwundbar“, sagt Holger Schmieding, Chefökonom der Berenberg-Bank.
Links: