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Wachstumsraten etwas schwächer

Mit China und Indien drohen die größten Schwellenländer als Schwungräder für die schwächelnde Weltwirtschaft auszufallen. „Die Bewertungen für China und Indien haben sich seit Mai deutlich geändert“, warnte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Juni in ihrem Ausblick. Für die Weltbank bleiben die beiden Länder dennoch die globalen Wachstumslokomotiven.

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Indien läuft sogar Gefahr, wegen der Wachstumsschwäche mit der Bonitätsnote auf Ramschniveau abzustürzen. Das weckt neue Zweifel daran, dass die Schwellenländer der unter der Schuldenkrise in Europa leidenden Weltwirtschaft neue Impulse verleihen können.

Stagnation auf hohem Niveau

Der OECD-Frühindikator für China fiel im April um 0,3 auf 99,1 Punkte. Er entfernte sich damit weiter von der 100-Zähler-Marke, die den langjährigen Durchschnittswert markiert. Die Schwäche hielt im Mai an, wie Konjunkturdaten signalisieren. Die Einzelhändler steigerten ihren Umsatz um 13,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Einen geringeren Zuwachs gab es zuletzt im Februar 2011.

Auch die Industrie blieb hinter den Prognosen zurück: Deren Produktion zog um 9,6 Prozent an, während Ökonomen mit 9,9 Prozent gerechnet hatten. Die Entwicklung der Produzentenpreise beobachten Ökonomen ebenfalls mit Sorge - sie fielen um 1,4 Prozent und damit den dritten Monat in Folge. „Das deutet auf eine beträchtliche Flaute der heimischen Produktion hin“, sagte Xianfang Ren von IHS Global.

„Nur“ 8,2 Prozent Wachstum

Chinas Wirtschaft wird Prognosen zufolge in diesem Jahr mit 8,2 Prozent so langsam wachsen wie seit 1999 nicht mehr, weil der Exportweltmeister unter der Krise in seinem wichtigsten Absatzmarkt, der EU, leidet. Die Zentralbank senkte im Juni erstmals seit der weltweiten Finanzkrise vor vier Jahren ihren Leitzins, um mit billigerem Geld neue Konjunkturimpulse zu setzen.

Spielraum für weitere Schritte eröffnet die sinkende Inflation: Die Teuerungsrate fiel im Mai mit drei Prozent auf das niedrigste Niveau seit Mitte 2010. „Die Geldpolitik sollte weiter gelockert werden“, sagte Ökonom Wang Jun von der Denkfabrik China Center for International Economic Exchange.

Ratingagenturen zu Indien skeptisch

Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ist nicht das einzige Schwellenland, das gegen eine Konjunkturabkühlung kämpft. Indiens Bruttoinlandsprodukt wuchs zuletzt so langsam wie seit neun Jahren nicht mehr. Der Rückgang des OECD-Barometers um 0,2 auf 98,0 Punkte deutet eine weitere Abkühlung an. Indien droht zudem als erstes der großen Schwellenländer in Sachen Kreditwürdigkeit auf Ramschstatus abzustürzen.

Die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) nannte unter anderem das schwache Wachstum und den Reformstau als Faktoren, die für eine Herabstufung sprechen könnten. Indien ist derzeit mit einer Bonitätsnote von „BBB-“ nur einen Schritt vom sogenannten Ramschniveau entfernt. Auch Fitch senkte den Ausblick für die Bonitätsbewertung von stabil auf negativ. Nur von Moody’s hieß es, der Ausblick bleibe stabil.

Wachstum unter Erwartungen

Die indische Wirtschaft ist im ersten Quartal so langsam gewachsen wie seit neun Jahren nicht mehr. Von Jänner bis März legte das Bruttoinlandsprodukt lediglich um 5,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu. Analysten hatten im Schnitt mit 6,1 Prozent gerechnet.

In den Jahren vor der Finanzkrise hatte Indien noch mit Wachstumsraten von mehr als neun Prozent geglänzt und sich ein Wettrennen mit dem benachbarten China um das am schnellsten aufholende Schwellenland geliefert.

Chinesische Exporte stark gestiegen

Es gibt aber auch Hoffnungszeichen: Trotz der schwachen Nachfrage in Europa legten die chinesischen Exporte im Mai mit 15,3 Prozent mehr als doppelt so stark zu wie erwartet. Dazu trug auch die Abwertung des Yuan bei, dessen Kurs so stark nachgab wie noch nie in einem Monat. Zudem gewähren die Exporteure ihren Kunden inzwischen enorme Rabatte für Vorbestellungen, um das Geschäft zu beleben.

Auch das Gegensteuern der Regierung in Peking zeigt erste Erfolge: Die chinesischen Banken vergaben im Mai überraschend viele neue Kredite im Wert von umgerechnet rund 100 Mrd. Euro. Experten führen das darauf zurück, dass die Behörden Investitionen schneller absegnen.

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