Krankheitspech in Athen
Nicht einmal eine Woche nach seiner Ernennung ist der griechische Finanzminister Vassilis Rapanos zurückgetreten. Das teilte das Amt von Ministerpräsident Antonis Samaras am Montag mit. Der 64-jährige Rapanos war am Freitag kurz vor seiner Vereidigung zusammengebrochen und ins Krankenhaus gebracht worden. Der frühere Bankier klagte über Übelkeit, Magenbeschwerden und Schwindelgefühle.
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Griechischen Medienberichten zufolge hat Rapanos eine lange Krankengeschichte. Auf ihn als Chef des Schlüsselressorts zur Lösung der schweren Schuldenkrise des südosteuropäischen Euro-Landes hatten sich viele Hoffnungen gerichtet. Der 65-Jährige steht den Sozialisten nahe.
In seinem Rücktrittsgesuch schrieb Rapanos, sein Gesundheitsproblem sei nicht überwunden. Sein Zustand erlaube ihm nicht, seine Aufgaben zu erfüllen. Er bedaure sehr, dass er das Angebot, Finanzminister zu werden, ablehnen müsse, hieß es in dem Rücktrittsschreiben.
Ärger über eigenes Team?
Seit Tagen gab es aber auch Gerüchte, wonach er auch unzufrieden mit der Zusammensetzung des Teams sei, das ihm bei seinen Aufgaben helfen sollte. Rapanos wollte demnach lieber ihm vertraute Technokraten im Finanzministerium sehen als Politiker. Das sei ihm jedoch verweigert worden. Aus offiziellen Quellen wurden diese Gerüchte nicht kommentiert.
Wer ihm nun nachfolgen soll, ist bisher nicht bekannt. Sein Stellvertreter ist der 38-jährige Christos Staikouras. Beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel wird noch Interimsminister Giorgos Zanias, ein hoher Beamter aus dem Finanzministerium, Griechenland vertreten. Er ist ein erfahrener Funktionär und hatte bei allen Verhandlungen über die Probleme Griechenlands teilgenommen.
Samaras nach Augen-OP außer Gefecht
Auch Samaras selbst wird nicht in Brüssel sein: Er war am Samstag wegen einer Netzhautablösung in einem Athener Krankenhaus operiert worden. Mittlerweile wurde er zwar entlassen, darf auf Anweisung seiner Ärzte vorerst weder fliegen noch längere Autofahrten unternehmen. Deshalb wird Staatspräsident Karolos Papoulias die griechische Delegation aus Außenminister Dimitris Avramopoulos und Zanias anführen. Die beiden Minister berieten am Montag über das Ziel der neuen Regierung, den Geldgebern Zugeständnisse abzutrotzen.
„Troika“ verschiebt Besuch
Auch die Hoffnungen Berlins und Brüssels auf einen möglichst raschen Kassensturz in Griechenland sind durch die Erkrankungen geplatzt. Der EU-Gipfel Ende dieser Woche wird nach Darstellung der deutschen Bundesregierung keine Entscheidungen über das Reformprogramm des pleitebedrohten Landes treffen. Zunächst müsse der neue Bericht der Finanzkontrolleure von EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) vorliegen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin.
Die „Troika“ hatte ihre geplante Athen-Reise aufgrund der gesundheitlichen Probleme kurzfristig abgesagt. Nun würden die Gespräche „vermutlich Anfang Juli beginnen“, hieß es. Mögliches neues Datum könnte der 2. Juli sein.
Athen will mehr Zeit
Die neue Regierung in Athen will durchsetzen, dass die Sparauflagen für das Land um zwei Jahre gestreckt werden. Das werde das wichtigste Ziel beim EU-Gipfel sein, sagte Regierungssprecher Simos Kedikoglou am Montag im Rundfunk. Alle anderen Vorhaben zur Lockerung des strikten Sparkurses sollen nach seinen Worten „in einem Zeitraum von vier Jahren“ umgesetzt werden.
Athen pocht auf Erleichterungen sowie mehr Zeit bei der Umsetzung der Spar- und Reformauflagen als Gegenleistung für die 130 Milliarden Euro der internationalen Geldgeber. Man wolle „Ungerechtigkeiten rückgängig machen“, die es bei Pensionen und kleinen Gehältern in den vergangenen Jahren gegeben habe.
Arbeitslosengeld soll statt bisher ein Jahr künftig 24 Monate gezahlt werden. Bei aller Verschlankung der staatlichen Strukturen soll es keine Entlassungen mehr geben. In Brüssel stießen die Pläne am Wochenende umgehend auf Kritik. Eine zeitliche Streckung des Reformprogramms würde nach Darstellung auch der EU zu weiteren Milliardenhilfen der Geldgeber führen.
Gegen Sparauflagen verstoßen?
Einem Medienbericht zufolge soll Griechenland gegen die internationalen Sparauflagen verstoßen haben, indem mehr Beamten eingestellt wurden als erlaubt. Obwohl Griechenland sich verpflichtet habe, nur jede fünfte durch Pensionierung frei gewordene Stelle wiederzubesetzen, seien in den vergangenen zwei Jahren 70.000 Staatsdiener eingestellt worden, berichtete das griechische Nachrichtenmagazin „To Vima“ am Sonntag unter Berufung auf einen internen Bericht der „Troika“. Demnach wurden fast alle freiwerdenden Stellen wiederbesetzt. Offizielle Stellungnahme dazu gibt es noch keine.
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