Waffen für Warlords als Gegengeschäft
Das Geschäft mit der illegalen Entsorgung von Müll ist mittlerweile eine der Haupteinnahmequellen des organisierten Verbrechens in Italien. Nach Schätzungen verschwindet ein Viertel des gesamten Abfalls im Land einfach von der Bildfläche. Ein Teil davon landet, über unterschiedliche Wege, in der „Dritten Welt“. Für diese Art der „Entsorgung“ hat die Mafia offenbar neue Partner gefunden.
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Der EU-Sondergesandte für Somalia, Alexander Rondos, prüft laut dem Onlineportal EUobserver derzeit Berichte über eine Zusammenarbeit somalischer Piraten und italienischer Mafia-Clans im Geschäft mit Giftmüll. Auf die Thematik aufmerksam geworden sei Brüssel aufgrund der Arbeit des französischen Kriminologen Michel Koutouzis, der sich in einem im Mai erschienenen Buch intensiv mit der Thematik befasste. Unter anderem führte Koutouzis auch Untersuchungen für die UNO und die EU durch.
Laut seinen Recherchen beliefern italienische Mafia-Clans wie die Camorra, die ’Ndrangheta und die Sacra Corona Unita somalische Warlords mit leichten Infanteriewaffen und erhalten dafür die Erlaubnis, Müll im Meer zu versenken. Die Waffen kämen vom westlichen Balkan.
„Vor der Nase“ europäischer Kriegsschiffe
„Tonnen von Abfall werden jedes Jahr vor den Küsten Somalias, des Sudan und Eritreas vor der Nase unzähliger Kriegsschiffe, die Seefracht im Roten Meer und Golf von Aden kontrollieren, entsorgt“, zitierte der EUobserver Koutouzis. Ein Teil der Einnahmen aus dem schmutzigen Geschäft - „Hunderte Millionen Euro pro Jahr“ - werde über die Tourismusindustrie in Kenia und Tansania gewaschen.

APA/EPA/US-Navy
US-Soldaten stellen Piratenboot vor der somalischen Küste
Eigentlich hätte das Thema die Weltöffentlichkeit längst alarmieren müssen. Schon 2005 seien der UNO Informationen vorgelegen, dass nach dem Tsunami Ende 2004 im Indischen Ozean an der somalischen Küste sowohl giftiges Blei, Cadmium und Quecksilber als auch Spitalsmüll angeschwemmt worden war. Die Folge seien rund 300 Todesfälle in der Region Benadir und rund um die Hafenstadt Hobyo, einen der Brennpunkte der somalischen Piraterie, gewesen.
Suche nach Geldquellen der Piraten
Rondos nimmt Koutouzis’ Hinweise offenbar ernst. Er habe diese zur Prüfung an Fachleute weitergeleitet, „die besser dazu geeignet sind, sich das anzusehen, als ich“, sagte der frühere griechische Diplomat laut EUobserver Mitte Juni vor Journalisten in Brüssel. „Wir müssen herausfinden, wer sie (die Piraten, Anm.) finanziert. Sie sind Teil eines viel größeren Problems, das wir im Indischen Ozean haben - der Globalisierung des organisierten Verbrechens. Ermittlungen laufen.“

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Ein Kriegsschiff der „Mission Atalanta“ begleitet einen Frachter
Laut dem Kommandeur der EU-Anti-Piraterie-Mission „Operation Atalanta“, Admiral Duncan L. Potts, wird derzeit ein Koordinationszentrum, das sich mit der Finanzierung der Piraterie befassen soll, eingerichtet. Für die „Italien-Connection“ habe er jedoch keine stichhaltigen Beweise.
Nach Tsunami: Giftmüll taucht an Küste auf
Koutouzis glaubt das nicht. „Natürlich wissen sie es, aber sie wollen nichts unternehmen“, zitierte ihn der EUobserver aus einem Interview. Für das Umweltprogramm der UNO steht seit Jahren fest, dass Afrika als illegale Deponie für giftige Abfälle missbraucht wird. Die nach dem Tsunami aufgetauchten Container hätten Beweise dafür geliefert, „dass europäische Unternehmen systematisch giftigen Abfall in diesen Gewässern entsorgen“, hatte es schon in einem Artikel des EUobserver 2008 geheißen. Damals sprach die UNO sogar von radioaktiven Abfällen. Die EU reagierte nicht.
Müll verschwindet einfach
Auch für die italienische Mafia ist das Geschäft mit der illegalen Entsorgung kein neues. Laut Angaben der italienischen Umweltschutzorganisation Legambiente aus dem Jahr 2010 verschwinden in Italien jährlich mehr als 25 Mio. Tonnen Abfall - rund ein Viertel des Gesamtvolumens. Damit erwirtschafte das organisierte Verbrechen rund 1,5 Mrd. Euro pro Jahr. Neben Drogenhandel und Prostitution gilt das schmutzige Geschäft mit dem Müll mittlerweile als das dritte zentrale Standbein der Mafia.
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