Der Minister als Durchlaufposten
Für die Fotografen hat Ex-Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) Ende Juni im Korruptions-U-Ausschuss noch gelächelt. Bei der Befragung durch die Abgeordneten zur aufklärungsbedürftigen Vergabe des Blaulichtfunks gab er sich jedoch wortkarg, Erinnerungslücken inklusive. Vor allem schob er die Verantwortung für die zentralen Entscheidungen in der Causa weit von sich.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Strasser nutzte noch vor Beginn der Befragung die Gelegenheit, eine Stellungnahme abgeben zu können. Dabei betonte er, dass es das erste Mal sei, dass er offiziell zum Blaulichtfunkprojekt befragt werde. Er sei bis jetzt weder von einer Strafbehörde noch von einem Richter noch von einer anderen öffentlichen Institution damit konfrontiert worden. Für Aufregung sorgte schließlich wie schon am Vortag der BZÖ-Abgeordnete Stefan Petzner mit der Berufung auf geheime Insiderinformationen.
Alles an Strasser vorbeiverhandelt?
Vor der erneuten Streiterei über die Vorlage von Petzners „Geheimpapier“ versuchten die Abgeordneten, einen Ansatzpunkt für Strassers Verantwortlichkeit in der Causa zu finden - mit großer Mühe: Demnach wickelte damals sein Kabinettschef Christoph Ulmer Verhandlungen und Entscheidungen im Wesentlichen im Alleingang ab, ohne seinen Chef auf dem Laufenden zu halten. „Strasser putzt sich an Beamten ab“, titelte der „Standard“ (Onlineausgabe) aus dem Verhandlungssaal.

Reuters/Herwig Prammer
Strasser vor Beginn der Befragung
Dafür, dass das erste Blaulichtfunkprojekt ADONIS gestoppt und in einer fragwürdigen Neuausschreibung unter dem Namen Tetron neu vergeben wurde, machte Strasser ebenfalls seinen Beamtenapparat verantwortlich. Vom Ausstieg aus dem ersten Vertrag, der die Republik rund 30 Millionen Euro kostete, bekam der Minister nach eigenen Angaben nur am Rande etwas mit. Die Verantwortung für den kostspieligen Übergang von einem Vertragspartner zum anderen sieht Strasser wiederum allein beim Finanzministerium und der Finanzprokuratur liegen - diese hätten den Schritt gebilligt.
„Weiß nicht, was Sie meinen“
Von Schmiergeldverdacht beim Blaulichtfunkprojekt will Strasser nichts mitbekommen zu haben. Demnach soll der Lobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly von den Partnern des 2004 siegreichen Tetron-Konsortiums 4,4 Mio. Euro erhalten haben (bis zu 2,6 Mio. Euro von Motorola, 1,1 Mio. Euro von der Telekom Austria, 720.000 Euro von Alcatel). Mensdorff-Pouilly weist Korruptionsvorwürfe zurück. Auch Strasser meinte, vom Grünen Peter Pilz dazu befragt: „Ich weiß nicht, was Sie im Zusammenhang mit Schmiergeld meinen.“
„Tiefe Enttäuschungen“ und „bittere Erfahrungen“
Im Hinblick auf die - nachweisbaren - Geldflüsse an Strassers Umfeld meinte er, er könne sich „nicht vorstellen, dass es hier irgendwelche Unregelmäßigkeiten gegeben hat. Sollte das doch so sein, dann wäre das für mich eine tiefe Enttäuschung.“ Ebenso reagierte er auf Fragen nach Ulmers ansatzlosem Wechsel aus dem Ministerium zum schließlich siegreichen Anbieter: Er vertraue Ulmer „nach wie vor und wäre menschlich tief enttäuscht, wenn dieses Vertrauen nicht gerechtfertigt wäre“.
Zurückgewiesen wurde von Strasser auch der Verdacht, er habe das erste Blaulichtfunkprojekt ADONIS des Mastertalk-Konsortiums bewusst „umgebracht“, um dann die Neuvergabe an das Tetron-Konsortium durchführen zu können. Er habe natürlich versucht, die im Jahr 2003 aufgetretenen Probleme in Gesprächen mit den Partnerfirmen Siemens, Raiffeisen und Mastertalk auszuräumen. „In meiner Intention war es, ADONIS umzusetzen, und es war eine bittere Erfahrung, dass es leider nicht funktioniert hat.“ Daher habe man das Projekt beendet.
Pilz entnervt
Pilz ärgerte sich über Strassers Angabe, bei einem der größten Vergabeverfahren seines Ministeriums nicht einmal zu wissen, wer die Bieter waren. Auch Mensdorff-Pouillys Firma Valurex, die in dem Deal als Drehscheibe fungierte, will Strasser bis heute kein Begriff sein („Valurhops oder wie die heißt“). Er habe auch „keine Kenntnis“ zu Jagdeinladungen nach Schottland durch Mensdorff-Pouilly. Entnervt stellte Pilz dem Ex-Minister die Frage, ob er zumindest wisse, wer Mensdorff-Pouilly sei. Strasser antwortete kühl: „Ja, natürlich.“
Auch die Identität und die Handlungen der tätigen Berater - zu einem Gutteil aus Strassers engstem Umfeld - gingen an ihm laut eigenen Angaben vorbei. Er habe seinen „Beamten vertraut“, sagte er. Vor allem Pilz versuchte, Strassers „Ahnungslosigkeit“ mit möglichst unausweichlichen Entscheidungsfragen beizukommen. So rang er ihm bei der Frage, ob es üblich sei, dass hohe Ministeriumsmitarbeiter zugleich vom Ministerium als Berater angestellt werden, zumindest die Antwort ab: „Nein.“
Indiz für Druck zur Beauftragung von Motorola
„Nicht bekannt“ war Strasser wiederum ein Schreiben von Siemens - als Teil des ursprünglich beauftragten Konsortiums -, in dem dem Innenministerium 2003 angeboten wurde, man könne sich auch „eine Änderung der derzeitigen Gesellschafterstruktur vorstellen“. Nach Meinung von Pilz sollte damit die Bereitschaft signalisiert werden, dass der US-Konzern Motorola - durch Lobbying von Mensdorff-Pouilly unterstützt - ohne Neuausschreibung ins Boot geholt werden sollte.
Ebenfalls vorgelegt wurde eine Mail an Strasser vom Mai 2002, in der ihm ein Mitarbeiter mitteilte, dass der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser einem deutschen Banker zur Doppelstaatsbürgerschaft verhelfen möchte, „um ihn zum Sektionsleiter-Stv. machen zu können“. Nachsatz: „Das sollten wir nutzen, wir haben ja da auch einige Anliegen an Grasser.“ Strasser stimmte der „Staatsbürgerschaftsintervention“ zu. Strasser wollte die Mails nicht direkt kommentieren, meinte aber, es sei normal, im Fall von gegenseitigen Anliegen einen Konsens zu suchen.
Aufregung über neues „Geheimpapier“
Eine ungeplante Erholungsphase bekam Strasser, als Petzner das bereits zuvor gegenüber Medien angekündigte Dossier präsentierte. Bereits am Vortag hatte er sich auf „Insiderinformationen“ aus dem Umfeld einer der beteiligten Firmen berufen, die den anderen Abgeordneten nicht zugänglich waren. Diesmal ging es um Informationen aus dem Ministerium selbst. Für zusätzlichen Unmut bei den Abgeordneten sorgte, dass Petzner das Papier schließlich den anwesenden Journalisten austeilte und dann erst an seine Kollegen.
Das Papier belegt, dass es im Finanzministerium großen Widerstand gegen das Ende von ADONIS und die Neuausschreibung als Tetron gegeben und das Innenministerium das Projekt nur durch großen Druck durchgebracht habe. Das Wort „Erpressung“ fiel. Strasser ließ sich durch das Papier nicht aus dem Konzept bringen: Es sei normal, dass Ressorts verschiedener Ansicht seien, dabei könne es auch „deftiger“ zugehen - er habe jedoch von all dem nichts gewusst und sich in die Entscheidungen seines Stabs, dem er vertraut habe, nicht eingemischt.
Amon einer Meinung mit Strasser
Den Vorwurf, Strasser habe dem Finanzministerium ein „Ultimatum“ gestellt, wies er von sich. Auch ÖVP-Fraktionsführer Werner Amon wurde vom „Standard“ mit den Worten zitiert: „Net bes sein, ein Ultimatum sieht anders aus.“ Strasser sagte, es solle ihm das „Fax gezeigt werden, wo der Bundesminister für Inneres dem Bundesminister für Finanzen ein Ultimatum gestellt hat“. Für die entscheidende Frage, warum das Finanzministerium seinen Widerstand schließlich aufgegeben habe, möge man aber bitte den im Anschluss geladenen Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Herbert Anderl, fragen.
Anderl, damals für die Vergabe des Blaulichtfunks mitzuständig, konnte diese Frage nicht beantworten - ebenso wenig wie das Rätsel, wer Ulmer zum zentralen Verhandler dafür gemacht habe. Diese Frage konnte oder wollte bisher keiner der im Ausschuss Befragten beantworten, von Strasser abwärts. Dass Ulmer „ehrenamtlich“ tätig gewesen sei und das noch dazu im Ausland, sei jedoch ungewöhnlich, räumte Anderl ein. Ulmer habe jedoch „sicherlich keine verbotenen Bietergespräche“ geführt.
Links: