Biotop-Schwimmen, „Landschaftspflege“
Am 26. Jänner hat der Korruptions-U-Ausschuss mit den Zeugenbefragungen begonnen - mehr als vier Monate später sind zwei von sieben Themenkomplexen, bei denen der Verdacht auf mögliche Schmiergeldzahlungen, Parteienfinanzierung und andere illegale Verquickungen von öffentlicher Hand mit Privaten und Firmen besteht, vorerst abgeschlossen.
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Nach der Telekom-Austria-Affäre und den Immobiliendeals mit Millionenprovisionen (Stichworte: BUWOG-Affäre, Justizzentrum Wien-Mitte und Terminal Tower in Linz) geht es in den nächsten Wochen um den Verdacht, dass bei der Vergabe des Auftrags zur Digitalisierung und Zusammenlegung der Funksysteme von Polizei, Rettung und Feuerwehr Schmiergeld floss.
Auch wenn der U-Ausschuss keine eindeutigen Beweise oder „Geständnisse“ für die im Raum stehenden Verdachtsmomente lieferte, zeichnet er doch von Mal zu Mal aufs Neue ein Bild des Handelns von regierenden Politikern, Beamten und staatsnahen Firmen. Immer wieder bestätigte sich, dass private Beziehungen und ein offenbar eingeübtes Geben und Nehmen zwischen gewählten Volksvertretern, Interessenvertretern und Lobbyisten keine Seltenheit sind - ein System „gegenseitiger Gefälligkeiten“, wie es mit dem Ex-TA-Festnetzvorstand Rudolf Fischer einer der Insider formulierte. Von Fischer war das freilich als Entschuldigung gemeint.
Blaulichtfunk schon ganz zu Beginn Thema
Gleich zu Beginn wurde in der TA-Causa durch Zeugenaussagen der Verdacht erhärtet, dass sich der staatsnahe Konzern beim Behördenfunk, um den es in den nächsten Wochen gehen wird, durchgesetzt habe. So soll ein Vorschlag der TA als Novelle der Universaldienstverordnung vorgelegt worden sein. Ex-Infrastrukturminister Hubert Gorbach (FPÖ/BZÖ) dementierte das und will auch kein Schmiergeld erhalten haben. Ansonsten gab sich der Ex-Minister zugeknöpft.
Auch angebliche TA-Scheinrechnungen zur Finanzierung des Wahlkampfs der damaligen BZÖ-Justizministerin Karin Gastinger wurden von Aussagen erhärtet - vom BZÖ freilich dementiert, während Gastinger nichts davon gewusst haben will.
„Haben sehr sorgfältig gehandelt“
Für Aufsehen im Ausschuss sorgt auch ein ganzes Paket von E-Mails zwischen ÖVP-Funktionären und der TA mit diversen Sponsoringbitten, insbesondere aber einer angeblichen Zusage der TA über 100.000 Euro durch Lobbyist Peter Hochegger an die Bundespartei.
Zu den angeblichen Manipulationen des TA-Börsenkurses, womit für Teile des TA-Managements Boni fällig wurden, meinte Ex-ÖIAG-Chef Peter Michaelis vor dem U-Ausschuss, er habe da nie nachgefragt und erst via ORF davon erfahren. Dennoch meint er: „Wir haben hier sehr sorgfältig gehandelt.“
Alles Mund zu Mund
Dazu komnen die Begleichung einer Rechnung des ÖVP-Jugendwahlkampfs 2008 durch die Hochegger-Firma Valora. Ex-ÖVP-Innenminister Ernst Strasser weist Vorwürfe zurück, für 100.000 Euro von Hochegger lediglich Scheinrechnungen gelegt zu haben, widerspricht in der Angelegenheit aber der Version des Lobbyisten. Ex-FPÖ-Verkehrsminister Mathias Reichhold hat seinerseits 70.000 Euro von Hochegger erhalten - eine sehr verbale Angelegenheit: Der Vertrag und die Leistung seien mündlich erbracht worden, so Reichhold.
Die ÖVP kommt zeitweise durch den U-Ausschuss in Bedrängnis - Stichwort E-Mails mit TA und Sponsoring. Bisheriger Knalleffekt war Mitte März die Einleitung von Ermittlungen gegen den ÖVP-Fraktionsführer im Ausschuss, Werner Amon, wegen TA-Zahlungen an den ÖAAB. Ein rasch präsentierter „Verhaltenskodex“ als „politisch-moralische Handlungsanleitung“ für Volkspartei-Funktionäre sollte den Befreiungsschlag bringen.
Die Immodeals
Mitte April dann Auftakt für das zweite Kapitel, also die umstrittenen Immobiliendeals der Republik während der schwarz-blauen Regierungsjahre: BUWOG-Privatisierung, Einzug der Justiz in den City-Tower in Wien-Mitte (Errichter: Porr) und der Bezug des Terminal Towers auf dem Linzer Bahnhof (Errichter: Porr) durch das Finanzamt.
Ex-Finanzminister Grasser, seine Freunde - der Lobbyist Walter Meischberger und der Immobilienmakler Plech - sowie Hochegger bestreiten alle Vorwürfe, dass etwa Absprachen getroffen und Aufträge provisionsmaximierend erteilt worden seien. Doch erstmals ergibt sich aus Befragungen ein detailliertes Bild, wie es etwa zur Vergabe des Bieterverfahrens an die Bank Lehman Brothers kam. Mehrere Zeugenaussagen legen den Schluss nahe, dass Grasser deutlich stärker involviert gewesen sein könnte, als er das selbst darstellt.
„Schwarz-blaue Trittbrettfahrer“
Der frühere Porr-Chef Horst Pöchhacker, beschwerte sich über „schwarz-blaue Trittbrettfahrer“, die mit dem „Segen des Ministers“ aufgetreten seien. Er prägte auch die Formel von der „politischen Landschaftspflege“, um die ganzen Vorgänge zu beschreiben.
Meischberger wiederum nützte einen seiner Auftritte, um seine von der Polizei aufgezeichnete und sprichwörtlich gewordene Frage „Wo woa mei Leistung?“ in „Hinter jeder Zahlung steht auch eine Leistung“, umzumünzen. Die Leistung bestand nach eigenen Aussagen im Wesentlichen darin, dass er „im richtige Biotop schwimmen und die richtigen Informationen verwerten“ habe müssen.
So wie sich überhaupt der U-Ausschuss als reiche Quelle für inhaltliche Ausweichmanöver erwies: An praktisch allen Befragungstagen, litten die Zeugen unter Erinnerungslücken, entschlugen sich unter Verweis darauf, dass sie Beschuldigte in einem Verfahren seien, der Aussage - oder schwiegen geradeheraus.
Die weiteren Themen
Nach der Blaulichtfunkaffäre beleuchtet der U-Ausschuss noch vier weitere Themen: Inserate staatsnaher Unternehmen (etwa ÖBB und ASFINAG) seit 2006 und die Frage, ob diese auf Weisung oder sonstigen Einfluss von Regierungsmitgliedern geschaltet wurden. Als eigener Punkt wird dann die Frage von Inseraten und Medienkooperationen durch Ministerien vom Jahr 2000 an untersucht.
Weiters nimmt der Ausschuss auch die Lockerung des Glücksspielmonopols unter Grasser und in diesem Zusammenhang getätigte politisches Interventionen oder Zahlungen von Glücksspielunternehmen ins Visier. Zu guter Letzt wird untersucht, ob es seit dem Jahr 2000 Missbrauch und Geldzahlungen in Zusammenhang mit der Verleihung von Staatsbürgerschaften gab.
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