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„Es ist gut, eine Wahl zu haben“

Die schwedische Favoritin Loreen hat sich beim 57. Eurovision Song Contest in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku den vorhergesagten Sieg nicht nehmen lassen. Am Ende hatte sie mit „Euphoria“ 372 Punkte und damit 113 mehr als die russische Oma-Danceflor-Gruppe Buranovskiye Babushki auf Platz zwei. Neben Loreen glänzte vor allem eine: die deutsche Moderatorin Anke Engelke.

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Die deutsche Jurychefin Anke Engelke zeigte Aserbaidschans Präsidenten Ilcham Alijew vor geschätzten 120 Millionen Fernsehzuschauern in Europa lächelnd die Zähne, als sie bei ihrem Kurzauftritt zur Punktevergabe mit deutlichen, wenn auch charmant verpackten Worten an die Adresse der autoritären Führung überraschte. Auch andere Prominente äußerten sich kritisch. „Heute Nacht konnte ja niemand für sein eigenes Land abstimmen. Aber es ist gut, abzustimmen, und es ist gut, eine Wahl zu haben. Viel Glück auf eurer Reise, Aserbaidschan. Europa schaut auf euch“, sagte Engelke in der Liveschaltung nach Baku, bevor sie von der Grand-Prix-Party in Hamburg die deutsche Punktwertung verkündete.

Anke Engelke

dapd/Nigel Treblin

Engelke moderierte den Song Contest vor einem Jahr in Düsseldorf

Berichte von Angriffen auf Journalisten

Um den Musikwettbewerb in der früheren Sowjetrepublik im Südkaukasus hatte es im Vorfeld heftige Diskussionen gegeben. Die Regierung des Landes unter Alijew steht wegen ihres Umgangs mit Oppositionellen und wegen Verstößen gegen die Rede- und Pressefreiheit in der Kritik. Bis zum Tag des Finales kam es immer wieder zu Protesten, die die Führung mit Polizeigewalt unterband. Dutzende Regierungsgegner wurden allein in der letzten Grand-Prix-Woche verprügelt und festgenommen.

Einen Tag vor dem Finale verlangte das Internationale Presseinstitut (IPI) in Wien vom aserbaidschanischen Präsidenten Aufklärung über Berichte von Angriffen auf Journalisten. In dem offenen Brief wurde Alijew zudem aufgefordert, er solle die Fälle von sechs inhaftierten Reportern überprüfen. Berichte über Angriffe auf mehrere Journalisten sollten vollständig und transparent untersucht werden, mahnte IPI-Direktorin Alison Bethel McKenzie an.

Viele internationale Beobachter hätten berichtet, dass die Beschuldigungen, die zur Inhaftierung der Journalisten führten, wegen ihrer kritischen Berichterstattung konstruiert worden seien. Sollte sich das als wahr herausstellen, sei das eine Verletzung der Menschenrechte.

Politische Signale auch von Loreen

Siegerin Loreen war die Teilnehmerin, die sich am offensivsten mit der Opposition in Aserbaidschan solidarisiert hatte. Am Mittwoch traf sie Vertreter der Organisation „Sing For Democracy“. Ein starkes Signal - und ähnlich stark fiel auch der Auftritt der 28-Jährigen mit ihrem Lied „Euphoria“ aus: Loreen holte mit 372 Punkten die zweithöchste Punktzahl in der Geschichte des Wettbewerbs nach dem Norweger Alexander Rybak 2009.

Gewinnerin des Song Contest 2012, Loreen

APA/EPA/Joerg Carstensen

Loreen „euphorisch“ nach ihrem Sieg

Präsidenten-Schwiegersohn als Pausensänger

Während der glatt abgelaufenen, von der deutschen Firma Brainpool produzierten Finalshow gab es zwar keine politischen Aktionen und Äußerungen der Künstler - das verbieten die Regeln der Europäischen Rundfunkunion EBU, die den Wettbewerb veranstaltet. Allerdings bekam die autoritäre Führung wohl „Nie Genug“: So hieß zumindest auf Englisch („Never Enough“) das Lied des Popstars Emin Agalarow.

Er ist der Schwiegersohn des Staatschefs Alijew und trat in der Pause vor der langwierigen Punktevergabe auf. Als Vorsitzende des Nationalen Organisationskomitees ESC 2012 hatte die Frau des Präsidenten, Mechriban Alijewa, agiert.

Überraschungen in der zweiten Reihe

Für Schweden ist es der fünfte Sieg in der Grand-Prix-Geschichte, die 1956 mit einem kleinen Wettbewerb in Lugano begann. Zuletzt gewann das skandinavische Land 1999. Auch der berühmteste Sieg der Eurovision-Geschichte war schwedisch: Abba 1974 mit „Waterloo“. Überraschende Ergebnisse lieferte der Contest heuer wenige, die Wettbüros lagen großteils goldrichtig. Loreen war zuvor als Topfavoritin aller 42 Teilnehmer gehandelt worden, ebenso wie die prognostizierten zweitplatzierten russischen Babuschki. Auf Rang drei landete ebenfalls wie erwartet der Serbe Zeljko Joksimovic.

Aserbaidschan wird so langsam zu einer festen Größe in der Grand-Prix-Gemeinde: Diesmal landete Sabina Babajewa auf Platz vier - nach Platz eins, fünf, drei und acht in den Vorjahren. Also fünf Top-Ten-Platzierungen bei fünf Teilnahmen. Überraschend schlecht schnitten die irischen Zwillinge Jedward auf Platz 19 ab - nach Rang acht im Vorjahr. Und der 76-jährige britische Sänger Engelbert kam sogar nur auf den 25. und vorletzten Platz. Dabei hatte seine Ballade „Love Will Set You Free“ Experten wie Fans überzeugt. Den überraschend letzten Platz belegte der Norweger Tooji.

Schlechte Nachricht für Trackshittaz

Nach dem großen Finale veröffentlichte die EBU außerdem die detaillierten Ergebnisse der Semifinale. Österreich belegte demnach nur den 18. und somit letzten Platz. Die Trackshittaz mussten sich mit mageren acht Punkten geschlagen geben. Ganze fünf sind dem Nachbarland Schweiz zu verdanken, zwei Belgien und ein Punkt dem fernen Island. Der vorletzte Platz, den Belgiens Vertreterin Iris mit „Would You?“ belegte, erhielt mit 16 Punkten immerhin schon doppelt so viele wie die Mühlviertler Rapper. Platz eins im ersten Halbfinale ging an Russland. Die Seniorentruppe Buranovskiye Babuschki kam mit „Party For Everybody“ auf 152 Punkte.

Trackshittaz

APA/EPA/Joerg Carstensen

Trackshittaz holten die wenigsten Punkte heim

Angesichts des schlechten Abschneidens Österreichs sagte ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, dass die beiden Mühlviertler eine gute Performance geliefert hätten. Wie der Auswahlmodus beim österreichischen Vorentscheid im kommenden Jahr aussehe, werde man später eruieren. Eine Diskussion über die grundsätzliche Teilnahme Österreichs beim Contest werde es jedenfalls nicht geben.

120 Millionen schauten zu

Insgesamt verfolgten geschätzte 120 Millionen Fernsehzuschauer in ganz Europa die pompöse Musikshow aus der von Deutschen gebauten Crystal Hall am Kaspischen Meer. Der 58. Eurovision Song Contest wird in Schweden über die Bühne gehen. Als Termin für das Finale gab die EBU bereits den 18. Mai 2013 bekannt, die Halbfinale finden am 14. und 16. Mai statt.

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