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Bekannter Assad-Gegner ermordet

Seit Monaten warnen immer wieder Beobachter und auch europäische Spitzenpolitiker wie der deutschen Außenminister Guido Westerwelle, davor, dass der Bürgerkrieg in Syrien auf Nachbarländer überspringen könnte. Besonders anfällig ist - aufgrund seiner traditionell engen Verbindungen zu Damaskus - der Libanon.

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So gab es in den vergangenen Monaten immer wieder gewaltsame Auseinandersetzungen mit Toten. In den vergangenen Tagen verstärkte sich die Gewalt zwischen Sunniten und alawitischen Anhängern des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Bei Straßenkämpfen wurden Anfang der Woche in der libanesischen Hauptstadt Beirut zwei Menschen getötet und vier weitere verletzt, wie die staatliche Nachrichtenagentur Lebanese News berichtete.

Begräbnis im Libanon

Reuters/Mohamed Azakir

Trauer und Wut beim Begräbnis des ermordeten Geistlichen Wahid

Panzer und Soldaten patrouillierten daraufhin in der ganzen Stadt, vor allem in dem Viertel Tarik al-Dschadida, wo es in der Nacht zuvor zu den Ausschreitungen gekommen war. Zuvor war am Sonntag an einem Militärkontrollpunkt im Norden des Landes der sunnitische Geistliche Ahmed Abdel Wahid erschossen worden. Der Scheich war ein bekannter Gegner des Assad-Regimes. Auch ein Begleiter des Mannes kam ums Leben.

Heftige Kämpfe

In der Folge kam es zu Protesten von Anhänger des Geistlichen in Beirut und im nördlichen und östlichen Libanon. Im sunnitischen Beiruter Viertel Tarik al-Dschadida lieferten einander bewaffnete Unterstützer und Gegner des syrische Regimes heftige Kämpfe, bei denen sogar Maschinengewehre und Panzerfäuste eingesetzt wurden. Bereits eine Woche zuvor waren bei Kämpfen zwischen sunnitischen Assad-Gegnern und alawitischen Anhängern des syrischen Regimes in der nördlichen Hafenstadt Tripoli mehrere Menschen getötet oder verletzt worden.

Bühne für Konflikte

Das Überschwappen des Konflikts kommt alles andere als überraschend. Der Libanon war in den letzten Jahrzehnten traditionell der Hinterhof und die Bühne, auf der Syrien Konflikte - etwa mit Israel - austrug. Umgekehrt war der Libanon ein beliebtes Ziel, wenn dessen selbst erklärte Schutzmacht Syrien getroffen werden sollte.

Die aktuelle libanesische Regierung, in der sich auch die radikalislamische Hisbollah befindet, steht dem Assad-Regime nahe. Offiziell bemüht sie sich weiter um eine neutrale Position. Die Schiitenbewegung Hisbollah steht aber auf der Seite des Assad-Regimes. Die libanesischen Sunniten wiederum sympathisieren mehrheitlich mit den syrischen Revolutionären.

Ein Mann sprüht in Beirut ein Graffiti an eine Wand

Reuters/Sharif Karim

Beide Seiten im Syrien-Konflikt tragen ihren Streit an Beiruts Wänden aus

Das hatte zuletzt auch zu einem „Graffiti-Krieg“ in Beirut geführt: Graffiti, die in der vom jahrzehntelangen Bürgerkrieg teils noch immer schwer desolaten Stadt allgegenwärtig sind, wurden bisher immer toleriert. Doch als vor wenigen Wochen immer mehr Assad-kritische Graffiti auftauchten, griffen die libanesischen Behörden plötzlich ein. Als erstes traf es den Maler und Dichter Seman Chawan, der das Bild eines gesichtslosen Soldaten mit einem Gewehr im Osten der Stadt an Wände sprayte. Chawam muss sich im Juni erneut vor Gericht verantworten.

„Hatten nichts Illegales getan“

Und im April verhaftete die Militärplolizei die Aktivsten Ali Fachri und Chodr Salema, weil sie mit Graffiti den Aufstand in Syrien unterstützten. Das beleidigende Bild war ein Recyclingsymbol mit den Worten „Syrien: Die Revolution geht weiter“. Das sei zugleich ein Zeichen der Unterstützung für die syrische Opposition und ein Appell an sie, die sektiererische innere Spaltung zu überwinden, so Salema gegenüber der britischen BBC. „Weil wir nichts Illegales getan hatten, beschuldigten sie uns, wir hätten versucht, einem Militär-Checkpoint zu entgehen.“

Die Ironie der Geschichte laut der Internetplattform Now Lebanon: Das Graffiti war letztlich sowohl gegen das Regime als auch gegen die Opposition gerichtet. So sollte es symbolisieren, dass der Sturz des Regimes, nicht der Ruf nach einer internationalen Intervention der richtige Weg ist.

„Wollten Exempel statuieren“

Fachri zeigte sich gegenüber der Plattform New Lebanon überzeugt, dass die Verhaftung politisch motiviert war. „Ein Graffiti rechtfertigt weder Inhaftierung noch psychologische Folter. Sie wollten an uns ein Exempel statuieren. Sie versuchen, die Jungen davon abzuhalten, ihre Meinung an den Mauern von Beirut kundzutun“, so Fachri.

Für Aiman Mhanna, den Leiter des Samir Kassir eyes Center (SKeyes; eine regionale Organisation für Pressefreiheit, Anm.), haben tagelange Demos und Druck via Soziale Netzwerke den Ausschlag gegeben, dass Fachri und Salema rasch wieder auf freien Fuß gesetzt wurden. Mhanna zeigt sich trotzdem besorgt über das scharfe Vorgehen der Beamten gegen Gaffiti, da das ein Weg sei, auf dem normale Bürger legal ihre Meinung formulieren könnten.

Doch ist fraglich, ob die Regierung diese Auseinandersetzung überhaupt noch stoppen kann. Denn der Krieg „an den Mauern Beiruts“ zwischen Anhängern des Aufstands und Verteidigern von Assads Regime dauere schon ein halbes Jahr an, wie Fachri betont. „Wir sprühen ‚Nieder mit Baschar‘ (al-Assad, Anm.) auf die Wand - und dann kommt am nächsten Tag jemand und sprüht ‚Lang lebe Baschar‘ darüber.“

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