Fehlspekulation wohl kein Einzelfall
Die Investmentabteilung von JPMorgan hat im vergangenen Quartal mit synthetischen Wertpapieren einen Verlust von satten zwei Milliarden Dollar (1,54 Mrd. Euro) eingefahren. In Finanzblogs im Internet kursieren Schätzungen, dass sich der entstandene Verlust noch wesentlich erhöhen könnte. Die Fehlspekulation sei in der Verantwortung eines Mannes gelegen, in der Branche „Wal von London“ genannt.
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Ein Londoner JPMorgan-Trader, der mit bürgerlichem Namen Bruno Iksil heißen soll, war bereits vor einigen Wochen durch Agentur- und Zeitungsberichte gegeistert. Bloomberg und „Wall Street Journal“ („WSJ“) hatten berichtet, dass der gebürtige Franzose derart große Geschäfte getätigt habe, dass sich infolgedessen der ganze Markt bewegt habe. Bankchef Jamie Dimon hatte die Berichte damals als „Sturm im Wasserglas“ bezeichnet.

dapd/AP/Charles Dharapak
JPMorgan-Chef Dimon sprach von „ungeheuerlichen Fehlern“
„Ein wenig“ mit Verlusten zu tun
Bei der Telefonkonferenz am Donnerstag, in der Dimon den Milliardenschnitzer eingestehen musste, räumte er ein, dass die Verluste „ein wenig“ mit den in den Medien geschilderten Vorgängen zu tun haben könnten und sagte: „Ich glaube, wir haben das ein bisschen zu sehr verteidigt.“ Das letztlich schiefgegangene Geschäft war eigentlich als „Absicherungsgeschäft“ (Hedge, Anm.) klassifiziert. Pikanterweise häuften sich die Verluste ausgerechnet in solchen Geschäften an, die eigentlich dazu dienen sollen, Einbußen im Handel zu begrenzen.
Ähnliche Gefahren bei anderen Banken
Doch die Sorgen der Finanzbranche werden sich dadurch nicht eindämmen lassen. Denn Experten rechnen damit, dass die Fehlspekulationen von JPMorgan kein Einzelfall sind. So wird befürchtet, dass bei anderen Instituten ähnliche Gefahren lauern könnten. Dass es sich um einen Einzelfall und -täter handelt, wird von einigen Experten entsprechend vehement bestritten.
Sie geben zu bedenken, dass die Banken in der Vergangenheit nach Milliardenverlusten die Schuld stets gerne auf das Fehlverhalten einzelner Händler geschoben hätten. In der Vergangenheit hatten etwa die französische Societe Generale (SocGen) und die Schweizer UBS Zockerskandale auf das Fehlverhalten einzelner Händler geschoben.
Fehler im Risikomanagement
Wirtschaftsprofessor Thomas Hartmann-Wendels von der Universität Köln machte das Management der Bank für den Milliardenverlust verantwortlich. „Offensichtlich sind im Risikomanagement der Bank Fehler gemacht worden. Ich glaube nicht, dass ein einzelner Händler versucht hat, bewusst Regeln der Bank zu verletzen und Risiken einzugehen“, sagte er der Finanznachrichtenagentur dpa-AFX am Freitag.
Auch der US-Börsenexperte Dennis Gartman, Inhaber des renommierten Börsenbriefs „The Gartman Letter“, äußerte sich in einem Interview des amerikanischen Fernsehsenders CNBC in diese Richtung: „Das ist ganz klar nicht die Tat eines einzelnen Schurken wie bei der SocGen.“ Der Investor erwartet weitere dunkle Wolken über der Geldindustrie. „Auf schlechte Nachrichten folgen gewöhnlich noch mehr schlechte Nachrichten“, sagte Gartman und warf damit die Frage nach weiteren Löchern auch bei anderen Banken auf.
„Butter auf dem Kopf“
Bankchef Dimon gab sich bei der Bekanntgabe des Verlusts am Donnerstag zerknirscht und sagte, das Institut habe „Butter auf dem Kopf“. „Das ist ein ziemlich verblüffendes Eingeständnis für eine Gesellschaft, die auf ihr Risikomanagementsystem und seine starke Bilanz so stolz ist“, kommentierte Todd Hagerman vom Broker Sterne Agee. „Das Timing könnte nicht schlechter sein. Das wird Auswirkungen auf alle Händler und Broker haben.“
Ab Juli soll die „Volcker-Rule“ gelten, mit der allzu große Spekulationen eingedämmt werden sollen. Das nach dem früheren Fed-Vorsitzenden Paul Volcker benannte Gesetz versucht unter anderem, den Eigenhandel der Banken einzudämmen. Wall Street versuchte die Regelung abzuschwächen, einer der stärksten Kritiker des Vorhabens war JPMorgan-Chef Dimon.
Sogenannte Absicherungsgeschäfte
Regulatoren und Parlamentarier werden nun auf mehr Details über den Trade drängen, wird erwartet. „Die enormen Verluste, die JPMorgan veröffentlicht hat, sind der letzte Beweis dafür, dass das, was die Banken Absicherungsgeschäfte nennen, oft nichts weiter sind als risikoreiche Wetten von Banken, die sich sicher sein können, dass sie zu groß sind als dass man sie untergehen lässt“, erklärte US-Senator Carl Levin am Donnerstagabend (Ortszeit).
Ähnlich äußerten sich die Aktienanalysten von Goldman Sachs in einem ersten Kommentar zu den Auswirkungen auf das Geschäft von JPMorgan. Der angefallene finanzielle Verlust im zweiten Quartal scheine handhabbar, schrieben die Analysten. Aber selbst wenn sich das Ereignis als ein spezifisches Problem von JPMorgan herausstellen sollte, werfe die Fehlspekulation doch Fragen um die regulatorischen Anforderungen an die US-Banken im Rahmen der Volcker-Rule auf.
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