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Jahrzehntealte Missstände

Nach vier Jahren will die rot-schwarze Koalition ihr Versprechen eines „zeitgemäßen und leistungsorientierten Dienst- und Besoldungsrechts für alle neu eintretenden LehrerInnen“ (Regierungsprogramm 2008) einlösen - am Donnerstag beginnen die Verhandlungen. Dass dabei höhere Einstiegsgehälter ein Thema sein werden, ist der Lehrerinitiative „Bildungsrecht“ relativ egal.

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Die Lehrer äußern in einem offenen Brief an alle beteiligten Ministerien die Befürchtung, dass die Gespräche „hauptsächlich unter budgetären Aspekten geführt werden“ und pädagogische Überlegungen unter den Tisch fallen. Die Unterzeichner des Briefes sehen in den Verhandlungen „die einmalige Chance“, gehaltstechnische mit pädagogischen Fragen zu verbinden „und somit mit einer Gehaltsreform einen schulischen Innovationsschub in Gang zu setzen“.

Überlastete Lehrer warten auf „Botschaft“

Die Lehrergruppe fordert ein radikales Zusammenstreichen der Schulbürokratie - etwa die ersatzlose Abschaffung von Bezirksschulräten - und vor allem mehr Eigenverantwortung: Schulen und Lehrer sollten viel autonomer handeln können. Verwaltungsaufgaben sollten zudem von Verwaltungspersonal übernommen werden, damit die Lehrer sich ganz den pädagogischen Tätigkeiten widmen können. „Tausende an ihren Leistungsgrenzen arbeitende LehrerInnen“ würden auf eine entsprechende Botschaft warten.

Tatsächlich ist die Lehrertätigkeit laut einer weiterhin maßgeblichen Studie aus dem Jahr 2001 mit Nebentätigkeiten überfrachtet. Nur rund ein Drittel ihrer Arbeitszeit können die Lehrer laut Eigenangaben dem Unterricht widmen, rund ein weiteres Drittel der Vor- und Nachbereitung. Trotz langer Ferien kommen die Lehrer damit pro Jahr nach eigener Einschätzung auf gleich viel oder mehr Arbeitsstunden wie jeder durchschnittliche Angestellte. Hervorgestrichen wurden jedoch auffällig „große Unterschiede in der Arbeitszeit zwischen den einzelnen Lehrern“.

Engagement und Leistung als Privatvergnügen

Laut der Studie gab ein Viertel der Volks- und Sonderschullehrer die eigene Wochenarbeitszeit - inklusive aller Leistungen abseits des Klassenraums - mit weniger als 37,6 Stunden an. Ebenfalls ein Viertel arbeitet jedoch nach eigenen Angaben 49,3 Stunden. Der Rest der Lehrerschaft liegt im Hinblick auf die eigene Arbeitszeit dazwischen. „Der tatsächliche Arbeitsanfall, das Engagement und die tatsächlichen Leistungen des einzelnen Lehrers“ fänden „keinen Niederschlag in der Besoldung“, konstatierte die Studie.

Die jahrzehntealten Missstände sollen nun beseitigt werden: Bis zum Sommer will Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) die Eckpunkte der Reform in den Gesprächen mit Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP), Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) und der Lehrergewerkschaft festmachen. Die Gewerkschafter wollen zunächst die Vorschläge der Regierung entgegennehmen und bewerten; sie rechnen damit, dass es noch bis Anfang Juni dauern wird, bis die Verhandlungen wirklich ernst werden - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Zeit ist diesmal besonders viel Geld

Den Verhandlungen könnte diesmal nützen, dass weiteres Zuwarten viel Geld kosten würde: Bis 2025 geht rund die Hälfte der 125.000 Lehrer in Pension, schon jetzt gibt es jedoch zu wenige Lehrer. Gleichzeitig steigt der Personalbedarf durch Regierungsprojekte wie die Neue Mittelschule (NMS) und der Ausbau der Nachmittagsbetreuung. Laut der OECD-Studie „Bildung auf einen Blick“ liegt die Netto-Unterrichtszeit heimischer Lehrer in Hauptschule und AHS-Unterstufe deutlich unter dem EU-Schnitt, in Volksschulen jedoch deutlich über dem europäischen Mittel.

Die Lehrergehälter wiederum liegen zu Beginn der Laufbahn kaum über dem OECD-Schnitt, die Gehälter von Lehrern mit alten Verträgen verdoppeln sich jedoch bis zum Ende der Berufslaufbahn. Schon jetzt wendet der Bund fast zehn Prozent seiner Gesamtausgaben für Lehrer auf, davon zuletzt 2,78 Mrd. Euro für Bundeslehrer (AHS, berufsbildende mittlere und höhere Schulen) und 3,43 Mrd. Euro für die Landeslehrer (Volks-, Haupt-, Sonder-, Berufs- und Polytechnische Schulen), ein Anstieg um weit über zehn Prozent in fünf Jahren.

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