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Das mythologische Transsilvanien

Dracula ist zusammen mit Frankenstein die bekannteste aller Figuren der Gruselliteratur. Er ist um vieles berühmter als sein irischer Schöpfer Bram Stoker, der 1847 in Dublin geboren wurde und am Freitag vor genau 100 Jahren verstarb.

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Dracula war nur nachts unterwegs, konnte vielerlei Gestalt annehmen, hinterließ als einzige Spuren seines Tuns kleine Wunden am Hals und war eine Gefahr für jeden Menschen. Jahrhundertelang trieb er sein Unwesen nur in Transsilvanien, einer rumänischen Region „hinter den Wäldern“, aber wenn man Stoker Glauben schenkt, dann konnte die Ausdehnung seines finsteren Reiches auf England gerade noch abgewendet werden.

Stoker kam erst spät zur Literatur, und selbst als er einen erfolgreichen Roman veröffentlicht hatte, bestimmten andere Interessen weitgehend sein Leben. Nach einem Mathematikstudium nahm Stoker 1868 eine Stelle als Sekretär in der öffentlichen Verwaltung Dublins an. Die Tätigkeit füllte ihn nicht aus. So begann er, häufig ins Theater zu gehen, moderne Literatur zu lesen und auch eigene Texte zu verfassen. 1871 nahm er nebenbei eine Stelle als unbezahlter Theaterkritiker der Tageszeitung „Mail“ in Dublin an.

Bela Lugosi als Graf Dracula

AP/Universal Pictures

Bela Lugosi als Dracula: Die Filme machten ihn - und Bram Stoker - unsterblich

Langer Weg zum Erfolg

1876 kam der berühmte Schauspieler Henry Irving nach Dublin. Stoker schloss enge Freundschaft mit ihm und wurde 1878 Manager von Irvings Lyceum Theatre in London. Auch dort ließ die Arbeit Stoker genug Gelegenheit zum Schreiben. 1882 veröffentlichte er ein erstes Buch, die für Kinder gedachte Kurzgeschichtensammlung „Zu Sonnenuntergang“, die allerdings nur wenig Erfolg hatte. Sein Romandebüt „Der Schlangenpass“ wurde 1889 in mehreren Zeitungen und Zeitschriften abgedruckt und erschien ein Jahr später in Buchform.

Durch seine Tätigkeit als Manager des Lyceum Theatre lernte Stoker zahlreiche bekannte Leute kennen. Zu diesen gehörte auch der ungarische Reisende Arminius Vambery, der Stoker von den auf dem Balkan verbreiteten Vampirlegenden erzählte. Im Sommer des Jahres 1890 machte sich Stoker daran, einen eigenen Vampirroman zu schreiben. Er verknüpfte die Legenden mit der historischen Figur des Vlad Tepes, eines äußerst grausamen Fürsten in der rumänischen Walachei des 15. Jahrhunderts, der den Beinamen Dracula trug. Auch von älteren Vampirromanen ließ sich Stoker inspirieren.

Cover der Neuübersetzung von Bram Stokers "Dracula"

Steidl Verlag

Buchhinweis

Bram Stoker: Dracula. Neu übersetzt von Andreas Nohl. Steidl, 540 Seiten, 28,80 Euro.

Alter Dracula in neuem Gewand

„Dracula“ erschien 1897 und wurde seither immer wieder nachgedruckt. Viele Lorbeeren erntet derzeit eine ungekürzte und überarbeitete Neuübersetzung des Buches auf Deutsch im Steidl-Verlag. Andreas Nohl beschränkte sich nicht darauf, den ursprünglichen Text in eine heute leichter lesbare Fassung zu bringen - er betätigte sich auch als Lektor. Allzu ausschweifende Schwurbeleien wurden entfernt, logische Fehler und Recherchemängel behoben. Beides war wohl Stokers beruflicher Doppelbelastung geschuldet.

„Universelle menschliche Ängste“

Die Faszination an Dracula und - wie man am Kinoprogramm der letzten Jahre sieht - überhaupt an Vampiren scheint also ungebrochen und auch in der heutigen Zeit noch gültig zu sein. Wie der Kritiker Daniel Farson einmal anmerkte, ist der Erfolg des Romans darauf zurückzuführen, „dass er im Mythos des Vampirs und der Untoten universelle menschliche Ängste anspricht. Aber es war auch ein Geniestreich, die Legende durch Verweise auf Fotoapparate und Phonographen mit der Aktualität zu verbinden.“

Trotz des Erfolgs seines Romans blieb Stoker Mitarbeiter von Irving. Er arbeitete weiter als Manager des Lyceum Theatre und begleitete den Schauspieler als Tourneemanager. Stoker schrieb noch zahlreiche weitere Romane, erreichte jedoch mit keinem auch nur annähernd den Erfolg von „Dracula“. Als er am 20. April 1912 starb, widmete ihm lediglich die „Times“ in London einen Nachruf. Der Erfolg seines Romans sorgte jedoch dafür, dass Bram Stoker nicht in Vergessenheit geriet.

Unsterblich - auch durch die Filme

Vor allem war „Dracula“ nicht nur als Buch ein großer Erfolg: Auch der Film entdeckte den Stoff schon früh. Bereits 1922 entstand in Deutschland „Nosferatu: eine Symphonie des Grauens“. Bekanntester Filmdarsteller des Grafen Dracula sollte der Ungar Bela Lugosi werden. Seine Darstellung in der Verfilmung aus dem Jahr 1931 sollte das filmische Bild des Vampirs über Jahrzehnte prägen. Zahlreiche weitere Verfilmungen sind inzwischen entstanden.

Francis Ford Coppola setzte den Stoff 1992 mit Gary Oldman in der Titelrolle um. Tim Burton wiederum beschäftigte sich mit dem filmischen Mythos Dracula und setzte mit „Ed Wood“ dem gleichnamigen Trashfilmer ein Denkmal, indem er dessen „Dracula“-Dreharbeiten zum Inhalt eines Films machte, in dem Johnny Depp in der Titelrolle zu sehen war. Die Angst vor dem finsteren Grafen scheint ungebrochen zu sein - und heute ist Bram Stoker so unsterblich wie Dracula selbst.

Links:

  • Dracula (Neuübersetzung im Steidl Verlag)
  • Ed Wood (Film, Wikipedia)
  • Dracula (YouTube; 1931, mit Bela Lugosi in der Titelrolle)