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„Kompromiss“ wegen Budgetproblemen

Für den Steuerrechtsexperten Werner Doralt ist „Euphorie“ über das am Freitag abgeschlossene Schwarzgeldabkommen mit der Schweiz nicht angebracht. Das Problem sei damit nicht dauerhaft gelöst, das Abkommen ein Schnellschuss und ein „Kompromiss, geprägt von der budgetären Zwangslage Österreichs“, sagte Doralt am Samstag im Ö1-Interview „Im Journal zu Gast“. Steuerhinterzieher kämen günstig weg.

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Nach Ansicht Doralts hätte das Ziel ein Abkommen der EU sein müssen. „Österreich prescht jetzt vor und bringt einen Keil in die Verhandlungen, die die EU führen wollte.“ Außerdem gebe Österreich durch das Abkommen die Forderung gegenüber anderen Ländern nach einem automatischen Informationsaustausch auf. Österreicher, die Schwarzgeld in der Schweiz anlegen würden, seien auch weiterhin durch die Anonymität geschützt - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Gar kein Zugriff?

Von einer dauerhaften Lösung des Schwarzgeldproblems kann nach den Worten Doralts „überhaupt“ keine Rede sein. „Wenn der österreichische Fiskus draufkommt, dass ein Österreicher Steuern hinterzogen und den Geldbetrag in der Schweiz veranlagt hat, dann bekommt der österreichische Fiskus den Zugriff auf die Bankdaten nur dann, wenn er dem Schweizer Fiskus den Namen der Schweizer Bank nennt. Das weiß er aber in der Regel nicht.“

Daher werde sich das Schwarzgeldproblem rasch wieder stellen, ist Doralt sicher: „Denn der Österreicher, der in der Schweiz ein Bankkonto hat, kann relativ sicher sein, dass der österreichische Fiskus nie erfährt, welche Bank das ist.“ Zudem vermutet er, dass viele der Steuersünder ihr Geld schon länger als zehn Jahre in der Schweiz liegen haben, die Delikte seien damit verjährt.

„Euphorie nicht berechtigt“

Doralt kritisiert die „steuerpolitischen Kosten“ dieses Abkommens, nämlich die Aufgabe der Forderung nach Informationsaustausch. Derartigen EU-Bestrebungen laufe der österreichische Abschluss entgegen. Auch eigenen, österreichischen Interessen diene das Abkommen nicht, führt der Experte aus: „Die Anonymität in der Schweiz schützt den Österreicher, der Schwarzgeld in die Schweiz transportiert, weiterhin.“

Dass die Steuermoral durch die vereinbarte Moral steigt, glaubt Doralt nicht, schon eher das Gegenteil. Auch an mehr Steuergerechtigkeit will der Experte nicht glauben. Die gefundene Lösung könne nicht gerecht sein und „sie hat auch nicht den Anspruch, gerecht zu sein“, so Doralt. Denn wer Steuern hinterzogen hat, komme damit „relativ günstig weg“. Das Abkommen sei nur unter dem Druck der Bugetsituation zustande gekommen, das habe Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) auch in einer Aussendung zugegeben.

Der Experte sieht vor allem einen Zweck im Vordergrund: Der Staat habe damit die Möglichkeit, „einen größeren Geldbetrag, den er in Anbetracht der Budgetsituation dringend benötigt, relativ rasch zu lukrieren“. Vor diesem Hintergrund sei „die Euphorie der Regierungsparteien und insbesondere der Finanzministerin nicht berechtigt“, kritisiert Doralt.

Unterschiedliche Schätzungen

Ob tatsächliche - wie von der Regierung kalkuliert - eine Milliarde Euro in die Staatskasse fließen wird, wollte Doralt nicht kommentieren. Wie viel österreichisches Schwarzgeld in der Schweiz liegt, werde wohl erst klar, wenn zum ersten Mal die Kapitalertragssteuer in der Höhe von 25 Prozent fällig wird, so Doralt. Das sei übrigens ein Bagatellbetrag im Vergleich zu dem, was sich Steuersünder bei der unversteuerten Einnahme erspart hätten.

Die österreichische Bundesregierung vermutet zwölf bis 20 Mrd. Euro an „unversteuerten österreichischen Geldern“ in eidgenössischen Banken. Doch bei den Schätzungen gibt es riesige Differenzen: Die „Aargauer Zeitung“ vermutet mit Verweis auf eine bereits 2010 in der Schweiz verfasste Studie des auf Finanzrecherchen spezialisierten Unternehmens Helvea sogar fast 50 Milliarden. Davon sollen 90 Prozent unversteuert sein - auch deutlich mehr als offizielle Schätzungen, die von 80 Prozent ausgehen.

Ebenfalls im Ö1-„Mittagsjournal“ verteidigte ÖVP-Obmann Michael Spindelegger die Lösung hingegen. Ohne Abkommen würde Österreich schließlich „gar nichts“ von dem im Ausland angelegten Geld haben, erklärte der Vizekanzler.

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