Stiglitz sieht neues Abschwungszenario
„Demokratien können nur ein begrenztes Maß an Einschnitten vertragen, ohne dafür Erfolge zu sehen“, warnt der Ökonom und Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz. Stiglitz sorgt sich vor allem um Europa: Die „Überdosis sparen mache alles nur noch schlimmer“.
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Der frühere Weltbankchefökonom Joseph Stiglitz appelliert an Europas Regierungschefs in einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“ (Mittwoch-Ausgabe), Krisenstaaten nicht noch zu größeren Sparbemühungen zu drängen.

APA/EPA/Jean-Christophe Bott
Joseph Stiglitz: Europa verträgt nur gewisses Maß an Sparen
Der harte Sparkurs in vielen Ländern verstärke den Abschwung. Europa könnte die zweite Rezession in kurzer Zeit bevorstehen. Weltweit, so Stiglitz, gebe es kein Beispiel dafür, dass Kürzungen von Löhnen, Pensionen und Sozialleistungen ein krankes Land genesen ließen.
Ökonom für Haushaltsbehörde im Euro-Raum
Stiglitz empfiehlt dem Euro-Raum eine gemeinsame Haushaltsbehörde, die auch Spielraum habe, regionale Unterschiede in der Wirtschaftskraft ausgleichen zu können, etwa wenn in einem Land besonders hohe Arbeitslosigkeit herrsche, zusätzliche Finanzmittel bereitstellen.
Das Stiglitz-Szenario
In Folge der Krise wird sich laut Stiglitz die Macht in der Weltwirtschaft von Europa und den USA in Richtung China und Indien verschieben. Den Umstand, dass die westlichen Industrienationen für beinahe 200 Jahre die Weltwirtschaft beherrscht haben, hält Stiglitz für eine „Anomalie der Geschichte“ - das werde nun korrigiert. Im Jahr 1820, erinnert der Ökonom, habe Asien noch für die Hälfte der weltweiten Wirtschaftsleistung gestanden. Geräuschlos werde der Machtwechsel nicht laufen.
Mit anderen Worten: Stiglitz ist eindeutig für eine Transferunion, die gerade in Berlin auf wenig Gegenliebe stößt.
Sorgenkind Spanien
Am ersten Arbeitstag nach Ostern ist auf europäischer Ebene das Schicksal von Spanien in den Blickpunkt gerückt. Die neue konservativ geführte Regierung des von Schulden geplagten Landes verkündet ein Sparvorhaben nach dem anderen. Doch die Nervosität auf den Finanzmärkten zur Lage in der viertgrößten Wirtschaftsmacht der EU hält unvermindert an.
Der Staatshaushalt für 2012 ist noch nicht vom Parlament verabschiedet worden, erweist sich aber schon jetzt als veraltet. Ministerpräsident Mariano Rajoy kündigte über Ostern zusätzliche Einsparungen an. Der konservative Regierungschef will die Ausgaben im Bildungs- und Gesundheitswesen um zehn Milliarden Euro senken. Das Budget für 2012 sah bereits die höchsten Einsparungen in der jüngeren Geschichte des Landes vor: Es soll durch drastische Streichungen in fast allen Bereichen und zusätzliche Steuereinnahmen eine Lücke von über 27 Milliarden Euro schließen.
Spanien muss immer höhere Zinsen zahlen
Die Anleger ließen sich davon aber nicht beeindrucken. Die Renditen für spanische Staatsanleihen stiegen auf den höchsten Stand seit dem Höhepunkt der Schuldenkrise im November 2011. Mit Zinssätzen in einer Größenordnung von 5,8 Prozent für Zehnjahresanleihen gingen sie in Richtung sechs Prozent. „Man bekommt das Gefühl, dass die Regierung mit ihren Entscheidungen den Ereignissen hinterherläuft“, schrieb die Zeitung „El Mundo“.
Drohende Rezession
Spanien könnte jedenfalls genau jenes Szenario bevorstehen, vor dem Stiglitz warnt. Die Wirtschaft des Landes steht in diesem Jahr vor einer drastischen Rezession, die Arbeitslosenquote ist mit fast 23 Prozent die höchste in der EU. Auch die Banken sind ein Schwachpunkt. Sie sitzen seit dem Platzen der „Immobilienblase“ im Jahr 2007 auf Unmengen von Krediten, die sie für den Wohnungsbau vergeben hatten und die zu einem großen Teil nicht zurückgezahlt werden können. Die Wirtschaftszeitung „Cinco Dias“ bezifferte das Volumen dieser zweifelhaften Kredite auf 150 Milliarden Euro.
Spaniens Banken brauchen dickere Kapitaldecke
Bei einer Verschärfung der Wirtschaftskrise müssen sich die spanischen Banken und Sparkassen laut Notenbankchef Miguel Angel Fernandez Ordonez eine dickere Kapitaldecke zulegen. Eine kräftige Erholung sei auf kurze Sicht nicht zu erwarten, warnte der Zentralbank-Chef am Dienstag.
Nach einer Aufstellung der Zentralbank betrugen die spanischen Auslandsschulden Ende 2011 insgesamt fast 1,78 Billionen Euro. Kaum ein anderes Land steht bei ausländischen Geldgebern so tief in der Kreide wie Spanien. Der Staat ist an den Auslandsschulden nur mit 16 Prozent beteiligt.
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