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Hoffnung auf eigenes Gebiet

An die 2.000 gut ausgebildete Tuareg-Söldner sollen im Libyen-Konflikt auf Muammar al-Gaddafis Seite gekämpft haben. Viele davon sind frühere Tuareg-Rebellen aus den Ländern Mali und Niger. Danach kehrten sie in ihre Heimatländer zurück - um nicht zum ersten Mal für ein eigenes Gebiet zu kämpfen.

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In der Sahelzone leben insgesamt zwischen 1,5 und drei Millionen Tuareg, verteilt auf die Länder Mali, Niger, Marokko, Algerien, Burkino Faso und Libyen. Die Tuareg sind ein zu den Berbern zählendes indigenes Volk in Afrika, die ursprünglich als Nomaden in der Sahara lebten.

Kampf um Anerkennung und Rechte

Ihre große Zeit hatten die Tuareg vor Beginn der Kolonialzeit. Sie herrschten über ein riesiges Wüstenreich und galten als unbesiegbar - bis sie 1902 in der Schlacht von Tit im heutigen Algerien von der französischen Kolonialarmee vernichtend geschlagen wurden.

Nach der Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten in den 1960er Jahren wurden ihre traditionellen Siedlungsgebiete auf mehrere Staaten aufgeteilt. Die Tuareg kämpfen seitdem um politische und kulturelle Anerkennung und für die Unabhängigkeit ihrer Region Azawad. Das Wüstengebiet erstreckt sich in Mali vom Westen bis in den Norden und umfasst auch Teile Nordnigers und Südalgeriens.

Von Gaddafi rekrutiert

1972 gründete Gaddafi die „Islamische Legion“, eine paramilitärische Einheit. Diese war Teil seines Traumes, die Staaten der Sahelzone zu arabisieren und zu einem Großen Islamischen Staat zu vereinen. In den 70er und 80er Jahren warb er vor allem Kämpfer aus den ärmeren Staaten der Sahelzone sowie in Libyen aufhältige Tuareg an und ließ sie militärisch ausbilden.

Während die Islamische Legion Gaddafis Träume nicht zu realisieren vermochte, hatte sie einen starken Einfluss auf das Leben der Tuareg in Mali und Niger. Eine Serie schwerer Dürren hatte viele junge Tuareg zum Auswandern nach Libyen gezwungen. Dort wurden sie für die Legion rekrutiert.

Aufstände bisher politisch gelöst

Nach deren Auflösung kehrten die Kämpfer in ihre Herkunftsländer zurück und spielten eine wichtige Rolle bei den Tuareg-Rebellionen, die in den Jahren 1990 bis 1995 Autonomie für ihre Siedlungsgebiete zum Ziel hatten. Sowohl Mali als auch Niger konnten die Konflikte 1995 nach politischen Konzessionen an die Tuareg beilegen.

In den Jahren 2007 bis 2009 fanden in Mali und Niger erneute Angriffe durch die Tuareg statt, die sich weiterhin als politisch und ökonomisch benachteiligt sahen. Im April 2009 beendeten die Rebellen nach libyscher Vermittlung ihren Aufstand gegen die Regierungen in Bamako und Niamey. Viele der Rebellen fanden Asyl in Libyen. Mit dem Aufblühen des Tourismus in Libyen entdeckten die Tuareg außerdem ein neues Geschäftsfeld. Sie betätigten sich als Guides in den Wüsten oder managten Reiseagenturen in der Hauptstadt.

Schwer bewaffnet

Im März 2011 wurde in verschiedenen Medien von Rekrutierungen von Tuareg-Kämpfern aus Niger und Mali durch Gaddafi berichtet. Im Libyen-Konflikt sollen rund 2.000 frühere Tuareg-Rebellen auf der Seite Gaddafis gekämpft haben. Seit dem Einmarsch der libyschen Rebellen in die Hauptstadt Tripolis zogen sie zurück in ihre Herkunftsländer - mit Teilen des Waffenarsenals der Gaddafi-Armee. Genau diese schwere Bewaffnung macht den Unterschied zu früheren Aufständen aus, meinen Experten.

Die Tuareg kämpften jedoch nicht geschlossen aufseiten der Gaddafi-Truppen. Einige Tuareg aus dem Osten und Süden Libyens schlossen sich auch der Aufstandsbewegung gegen Gaddafi an. Die allgemeine Situation der Tuareg in Libyen war seit der Übernahme von Tripolis jedoch verheerend. Laut einem Tuareg-Vertreter machen die Kämpfer der neuen Führung nun regelrecht Jagd auf Angehörige des Nomadenvolks. Von „Massenmorden und Liquidationen“ war die Rede.