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Strengere Regeln für Steuersünder

Die Schweiz und Deutschland haben am Donnerstag das Ergänzungsprotokoll zum umstrittenen Steuerabkommen unterzeichnet. In die Schweiz gebrachtes Vermögen deutscher Bürger aus den vergangenen zehn Jahren soll mit bis zu 41 Prozent besteuert werden. Das vereinbarten Deutschland und die Schweiz nach langen Verhandlungen am Donnerstag.

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Nach Angaben aus dem deutschen Finanzministerium soll die Bandbreite dieser 2013 fälligen Pauschalbesteuerung von 21 bis 41 Prozent reichen. Bisher hatte das deutsch-schweizerische Steuerabkommen 19 bis 34 Prozent vorgesehen. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble wie auch seine Schweizer Kollegin Eveline Widmer-Schlumpf hatten von einem für beide Seiten angemessenen und fairen Kompromiss zur Lösung des langjährigen Steuerstreits gesprochen.

Schweizer Präsidentin Eveline Widmer-Schlumpf

AP/Virginia Mayo

Die Schweizer Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf

Ratifizierung könnte noch scheitern

Der deutsche Bundesrat muss dem Steuerabkommen allerdings noch zustimmen. Die von Rot-Grün regierten Bundesländer können dem Abkommen dort ihre Zustimmung verweigern. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat das Nein der SPD zu dem überarbeiteten Steuerabkommen mit der Schweiz bekräftigt.

„Dies wird zum zweiten Mal scheitern“, sagte Gabriel am Donnerstag in Berlin. „Das Abkommen wird nicht wirksam, es enthält viel zu viele Schlupflöcher.“ Schäuble sei die ablehnende Haltung der SPD-regierten Länder vor der Unterzeichnung eines Zusatzprotokolls eindeutig bekannt gewesen, daher trage er allein die Verantwortung für die entstandene Lage.

Steuerflucht in Drittland bis 2013 möglich

„Das ist ein Persilschein für Schweizer Banken“, sagte Gabriel. Diese wollten sich so vor Strafverfolgung schützen und reinwaschen. Knackpunkt ist, dass die Abgabe von 21 bis 41 Prozent erst für Vermögen gelten soll, die 2013 noch auf Schweizer Konten liegen. Davor könnten Steuerhinterzieher ihr in der Schweiz verstecktes Vermögen in andere Länder verlagern und dadurch die Amnestieabgabe umgehen. Wenn die Schweiz sich nicht darauf einlasse, auch rückwirkend Abgaben zu erwirken, wolle die SPD das Abkommen im deutschen Bundesrat ablehnen.

Das Abkommen bleibe weit hinter den Regelungen zwischen der Schweiz und den USA zurück, so Gabriel weiter. Zudem verhindere es die deutsche Strafverfolgung bei Steuerhinterziehung in der Schweiz. Deutschland dürfe nicht zum Helfershelfer Schweizer Banken werden, die mit bilateralen Steuerabkommen das EU-Ziel eines automatisierten Datenabgleichs unterlaufen wollten, betonte Gabriel.

„Schlupflöcher und Hintertüren“

Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) sprach von „mindestens einem dreistelligen Milliardenbetrag“, den Deutsche in der Schweiz deponiert hätten. „Es geht um Straftäter, um Verbrechen. Das ist eine Auseinandersetzung von Anständigen und Unanständigen.“ Diese Leute würden in Deutschland Infrastruktur und andere staatliche Leistungen in Anspruch nehmen, sich mit ihrem Geld aber in die Schweiz aus dem Staub machen. „Es kann nicht sein, dass man bewusst Schlupflöcher und Hintertüren offenlässt.“

Deutsche Regierung gibt sich zuversichtlich

Da über das deutsch-schweizerische Abkommen erst nach der Sommerpause im deutschen Bundesrat abgestimmt werden dürfte - also nach den Wahlkämpfen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein - geben maßgebliche Koalitionsvertreter das Abkommen noch nicht verloren. „Ich denke, dass das, was jetzt an Änderungen kommt, die Chancen auf jeden Fall verbessern wird, weil das ja den Forderungen der SPD-Länder Rechnung trägt“, sagte ein hoher Regierungsvertreter.

Haftbefehl gegen deutsche Steuerfahnder nichtig

Die umstrittenen Schweizer Haftbefehle gegen deutsche Steuerfahnder werden automatisch unwirksam, wenn das Steuerabkommen beider Länder in Kraft tritt. Das bestätigte die schweizerische Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf. Derartige Haftbefehle „wären dann ja auch gar nicht mehr nötig“, sagte sie am Donnerstag in Bern nach der Unterzeichnung. Das Abkommen soll am 1. Jänner 2013 in Kraft treten.

Die Staatsanwaltschaft der Schweiz hatte am 15. März Haftbefehle gegen drei Steuerbeamte in Nordrhein-Westfalen erlassen, die am Ankauf einer CD mit Daten deutscher Schwarzgeldkunden bei der Bank Credit Suisse beteiligt waren. Ihnen wird Wirtschaftsspionage gegen die Bank vorgeworfen, da sie angeblich einen Informanten aktiv mit der Beschaffung dieser Daten beauftragt haben. So etwas wäre nach Darstellung Widmer-Schlumpfs künftig sinnlos, da die Besteuerung der entsprechenden Vermögen gemäß dem Abkommen erfolgen würde. Das Vorgehen war von zahlreichen Politikern von Regierung und Opposition in Deutschland scharf kritisiert worden.

SVP kritisiert Zugeständnisse

In der Schweiz zeigte sich die rechtskonservative Volkspartei (SVP) enttäuscht, dass der Bundesrat bei den Verhandlungen „weitreichende Zugeständnisse“ gemacht habe. Der Bundesrat habe damit „wahltaktischen Forderungen“ aus Deutschland nachgegeben, erklärte die stärkste Schweizer Partei am Donnerstagabend. Die SVP will die Auswirkungen des ausgehandelten Ergänzungsprotokolls genau prüfen und ihre Position dazu im Rahmen des Ratifizierungsprozesses festlegen. Der Bundesrat sei in wichtigen Punkten vom ursprünglichen Abkommen abgewichen, kritisierte die SVP.

Die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP), die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP), die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP) und die Grünen sowie die Banken haben dagegen Zustimmung signalisiert.

EU will Abkommen prüfen

Brüssel will das nachgebesserte Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz überprüfen. Es geht darum, ob EU-Regeln eingehalten werden. Die EU-Behörde habe gegenüber Berlin ihre Bedenken im Hinblick auf die ursprüngliche Abmachung sehr deutlich gemacht, sagte die Sprecherin von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier der Nachrichtenagentur in Brüssel. Die Sprecherin kommentierte das neue Abkommen im Detail nicht. „Wir werden unsere Bewertung erst nach einer gründlichen Analyse der Ergänzungen abgeben“, sagte die Sprecherin.

Grundsätzlich dürften bilaterale Abkommen von EU-Ländern mit Drittstaaten nicht bereits existierende EU-Gesetze untergraben, sagte die Sprecherin. Sie wies auf die grenzüberschreitende Zinsbesteuerung hin, die die Steuerflucht in Europa eindämmen soll, und das Abkommen zwischen der EU und der Schweiz. Die EU sei gegenüber Drittstaaten generell nicht bereit, in Steuerfragen klein beizugeben. „Ein Bankgeheimnis, das Steuerflucht schützt, ist für uns nicht hinnehmbar.“

Österreich hofft auf eine Milliarde

Die Schweiz strebt ein Abkommen über eine nachträgliche Besteuerung von Schwarzgeld nicht nur mit Österreich, sondern auch mit Griechenland an, hieß es am Donnerstag in Schweizer Zeitungen. Die Regierung in Bern gehe davon aus, dass ein Durchbruch in den Verhandlungen mit Griechenland und Österreich die Opposition in Deutschland doch noch bewegen könnte, dem Steuerabkommen zuzustimmen, berichtete die „Neue Zürcher Zeitung“ (Donnerstag-Ausgabe). Österreich erwartet sich aus einem Abkommen mit der Schweiz bereits im Jahr 2013 eine Milliarde Euro an Einnahmen, die in das bereits beschlossene Sparpaket fließen sollen.

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