Frist bis Juni
Die EU-Finanzminister haben sich auf millionenschwere Defizitsanktionen gegen Ungarn verständigt. Wie die dänische EU-Ratspräsidentschaft mitteilte, fasste der Finanzministerrat am Dienstag in Brüssel einen Beschluss zur partiellen Suspendierung der Kohäsionsfonds für 2013. Doch die Einigung verlief nicht ohne Diskussionen.
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Ab 1. Jänner 2013 könnte Ungarn der Zugang zu 495 Millionen Euro, mit denen vor allem Umwelt- und Verkehrsprojekte finanziert werden sollen, gesperrt werden, teilte die EU-Ratspräsidentschaft am Dienstag mit. Sollte Budapest nicht bis zum 22. Juni Korrekturen an seinem Budget vornehmen, könnte erstmals ein Land wegen eines zu hohen Defizits Geld aus dem Kohäsionsfonds verlieren. Der Entscheidung ging aber ein hartes Tauziehen voraus.
Ungarn will die Sanktionen möglichst noch abwenden. „Wir haben alle Chancen, dass wir die auch von uns akzeptierten Bedingungen erfüllen“, zitierte die amtliche Nachrichtenagentur MTI am Dienstag Wirtschaftsminister György Matolcsy. Ungarn sei bereit, sein Budgetdefizit in dem von der Union gewünschten Tempo und Ausmaß zu reduzieren.
Fekter: „Mit zweierlei Maß gemessen“
Kritik am Vorgehen gegen Ungarn kam unter anderen von Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP). Es werde „mit zweierlei Maß“ gemessen, sagte Fekter vor dem Treffen in Brüssel und forderte Gleichbehandlung aller EU-Staaten. „Gestern hatten wir eine ganz intensive Debatte bezüglich Spanien. Und bei Spanien sind wir nicht gleich mit Sanktionen aufmarschiert.“

AP/Virginia Mayo
Ungarns Finanzminister Gyorgy Matolcsy
Letztlich stimmte aber auch Österreich zu. Fekter erklärte nach der Sitzung, sie hoffe, „dass das Damoklesschwert, das über Ungarn hängt“, das Land noch zu Gegenmaßnahmen motiviere. Ungarn habe sich bereiterklärt, bis Mai alle Beschlüsse umzusetzen. Ihr sei es auch wichtig gewesen, dass nicht Sanktionen verhängt werden, bei denen dann „niemand mehr weiß, wie die wieder weggehen“. „Da sind wir gebrannte Kinder, wir Österreicher“, sagte sie in Anspielung auf die EU-Sanktionen gegen die schwarz-blaue Regierung im Jahr 2000.
Neben Österreich sprachen sich im Vorfeld auch Deutschland, Großbritannien, Polen und Tschechien dafür aus, die Entscheidung über das Einfrieren der Fördergelder bis zum September zu verschieben. 23 der 27 EU-Staaten konnten in der Vergangenheit die von der EU vorgegebene Dreiprozentgrenze nicht einhalten. An Ungarn würde ein Exempel statuiert, lautete die Kritik.
Ungarn nicht „Opfer des Systems“
Die EU-Kommission verteidigte den Schritt damit, dass alle Mitgliedsländer nach den gleichen Standards behandelt werden. „Wir sind nicht besonders hart mit einem Mitgliedsland“, erklärte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn. Die Kommission sei generell „rigoros mit Fristen“, und das sei auch wichtig im Hinblick auf den Stabilitätspakt. In Anspielung auf Ungarn sagte Rehns Sprecher Amadeu Altafai-Tardio, es gebe „keinen Grund, sich als Opfer des Systems“ zu sehen.
Der Kohäsionsfonds
Derzeit nehmen 15 Länder Zahlungen aus dem Kohäsionsfonds in Anspruch. Die Gelder kommen besonders rückständigen Regionen zugute, deren Bruttonationaleinkommen weniger als 90 Prozent des EU-Durchschnitts beträgt. Größter Nutznießer des EU-Kohäsionsfonds in der derzeitigen Finanzierungsperiode von 2007 bis 2013 ist Polen.
Zwiespältige Empfehlungen an Ungarn
Der Schritt solle vielmehr die rechtskonservative Regierung von Viktor Orban disziplinieren. „Das ist ein deutlicher Anreiz für Ungarn, eine nachhaltige und gesunde Haushaltspolitik zu verfolgen“, sagte Rehn. Die Minister gaben Ungarn außerdem Empfehlungen mit auf den Weg, nach denen das Land die nächsten sechs Monate seinen Defizitabbau vorantreiben soll. Doch die EU-Vorgaben sind nicht unumstritten. So wurde die jüngste Maßnahme, der Transfer von Geldern aus der Pensionskasse in den Staatshaushalt, kritisiert. Doch genau dieser Vorschlag kam von der EU-Kommission selbst.
Dreiprozenthürde mehrmals überschritten
Die EU-Kommission kündigte die Sanktion im Februar an, als klar wurde, dass Ungarns Defizit 2011 nur durch Einmalmaßnahmen unter die geforderten 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) gedrückt worden war. Ohne diese Maßnahmen wäre das Defizit 2011 bei sechs Prozent des BIP gelegen, erklärte die EU-Kommission. 2012 erwartet die EU-Kommission wieder ein Defizit. Für 2013 wird ein Defizit von 3,25 Prozent des BIP prognostiziert, womit die Dreiprozentgrenze erneut überschritten würde.
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