Regierung will Zwangsumschuldung
Nach der Einigung auf den Forderungsverzicht von einem Großteil der privaten Gläubiger hat in Griechenland Erleichterung geherrscht. Die unmittelbar drohende Pleite ist abgewendet. Das nächste Hilfspaket wurde in Teilen bereits freigegeben. Ausgestanden ist die Krise damit aber noch nicht. Am Abend stellte der Internationale Derivateverband (ISDA) ein „Kreditereignis“ fest.
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Das bedeutet, dass die ISDA den Schuldenschnitt als einen Zahlungsausfall bewertet, der die schwer berechenbaren Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps, CDS) auslöst, mit denen sich einige Inhaber von griechischen Staatsanleihen abgesichert haben. Die ISDA begründet diesen Schritt mit der von der Regierung in Aussicht gestellten Zwangsumschuldung.
Entscheidung bis 23. März
Denn von den Privatgläubigern stimmten zwar über 80 Prozent mit rund 100 Mrd. Euro dem Schuldenschnitt zu, die Quote von über 90 Prozent wurde aber nicht erreicht. Nun sollen Halter von Anleihen nach griechischem Recht zum Forderungsverzicht gezwungen werden. Dazu erließ die griechische Regierung vorsorglich schon im Februar gesetzlich Umschuldungsklauseln (Collective Action Clauses, CAC), die auch auf alte Anleihen rückwirkend angewendet werden können.
Die Privatgläubiger, die Anleihen besitzen, die nicht nach griechischem Recht ausgegeben wurden, können sich nach Angaben von Finanzminister Evangelos Venizelos noch bis 23. März entscheiden, wie sie verfahren wollen.
Volumen von 3,2 Mrd. Dollar
Bisher wurde bei der griechischen Umschuldung mit aller Kraft versucht, dass diese Kreditausfallversicherungen nicht fällig werden. Der Finanzexperte Suresh Kumar Ramanathan hatte zuvor angekündigt, dass diese ISDA-Entscheidung ein öffentlicher Hinweis auf eine Pleite Griechenlands sei. Für Griechenland gab es dazu aber bereits von anderen Experten Entwarnung.
Negative Erfahrungen mit den Kreditausfallversicherungen sind noch aus der letzten großen Finanzkrise 2008 in Erinnerung, als diese Versicherungen nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers zu einem enormen Dominoeffekt führten.
Folgen noch unklar
Welche Folgen die ISDA-Entscheidung nun tatsächlich hat, ist unklar. Niemand kann derzeit abschätzen, welcher Investor Kreditausfallversicherungen besitzt und welche weiteren Effekte eintreten können. Laut einer Statistik eines darauf spezialisierten US-Clearinghauses geht es dabei um ein Volumen von maximal rund 3,2 Mrd. Dollar. Daher gab auch die ISDA Entwarnung, dass nun dramatische Auswirkungen auf das Finanzsystem zu erwarten seien.
Experten warnen aber vor Folgen. Banken, die sich zu sehr in den CDS engagiert hätten, könnten mit ihrer Fälligkeit „überfordert“ sein, betonte der Chef der deutschen staatlichen Förderbank KfW, Ulrich Schröder, berichtete „Spiegel online“. Profitieren könnten nun vor allem Hedge-Fonds, die auf die Aktivierung der Umschuldungsklauseln gesetzt hatten. Auch der Bankenexperte Teodoro Cocca hält das Risiko nicht für besonders groß. Er warnt im ZIB2-Interview aber davor, dass sich einige Banken übernommen haben könnten, die nun weitere Abschreibungen vornehmen müssten.
Drittes Hilfspaket möglich
Einige Beobachter zweifeln nun trotz des erfolgten Schuldenschnitts, dass Griechenland langfristig seine Schulden begleichen kann. Denn das hänge auch stark vom Wirtschaftswachstum ab. Ziel ist nun, die griechische Verschuldung von derzeit über 160 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung auf rund 120 Prozent 2020 zu senken. Für Griechenland sei das Ergebnis des Schuldenschnitts „ein Lichtblick, allerdings nicht das Ende der Krise“, sagte Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB).
Ulrike Kastens vom Bankhaus Sal. Oppenheim warnt vor überzogenen Hoffnungen auf eine schnelle Erholung Griechenlands: „Wir dürfen uns keiner Illusion hingeben.“ Sie erwartet ein drittes Hilfspaket für das Land.
„Wir haben noch eine Chance“
Der griechische Ministerpräsident Lucas Papademos gab sich in einer Fernsehansprache Freitagabend zuversichtlich. Das sei ein „historischer Moment“ für Griechenland, die Bemühungen dürften nun aber nicht nachlassen: „Wir haben noch eine Chance. Lasst sie uns nicht verpassen.“
Einfach wird das nicht. Die griechische Wirtschaft ist schon im fünften Rezessionsjahr. Die nationale Statistikbehörde berichtet, dass die Wirtschaftsleistung im Schlussquartal 2011 noch stärker abgestürzt ist als zuvor gemeldet: Im Jahresvergleich sind es minus 7,5 Prozent. Und die Arbeitslosigkeit greift um sich - mit 21 Prozent gab es im Dezember einen neuen Rekord.
Entscheidend sei nun vor allem, die wirtschaftlichen Mängel und die großen Rückstände in der Wettbewerbskraft aufzuholen, sagte etwa der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble. Auch er schloss ein drittes Hilfspaket nicht aus. Unklar ist auch, ob Griechenland die Reformen wie versprochen umsetzen kann und ob sie die erhoffte Wirkung zeigen.
Fitch reagierte auf Schuldenschnitt
Mit Blick auf den vor der Umsetzung stehenden Schuldenschnitt stufte mit Fitch nun auch die letzte der großen Ratingagenturen Griechenlands Kreditwürdigkeit neuerlich ab und bewertet diese nun als „beschränkten Zahlungsausfall“ (Restricted Default). Diese Schritte hatte Fitch bereits im vergangenen Jahr angekündigt. Wenn der zunächst nur angekündigte Schuldenschnitt in die Tat umgesetzt sei, werde laut Fitch eine weitere Neubewertung folgen.
Unterhalb vom begrenzten Zahlungsausfall gibt es nur noch den völligen Zahlungsausfall. Bisher wurde die Kreditwürdigkeit (Note „D“ bei Fitch, Anm.) Griechenlands von Fitch mit „C“ bewertet, was bedeutet, dass ein bevorstehender Zahlungsausfall „unmittelbar oder unausweichlich“ erwartet wurde.
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