Breites Spektrum bei der Wahl
Aus der slowakischen Parlamentswahl dürfte die linksgerichtete Smer als deutlicher Wahlsieger hervorgehen. Doch ob sie allein regieren kann, ist fraglich. Das jetzige liberal-konservative Regierungslager besteht aus vier Parteien. Nicht alle werden die Wahl gut überstehen, sagen Prognosen. Ein Überblick der Parteien, die im Nachbarland zur Wahl stehen:
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Smer
Für die linksgerichtete Partei Smer (Richtung) des slowakischen Ex-Premiers Robert Fico (48) gibt es eine reale Chance, dass sie nach der Parlamentswahl am 10. März eine Alleinregierung stellen kann. Umfragewerte bewegen sich um 40 Prozent. Doch Fico hatte wiederholt betont, Smer möchte eine Koalition mit einer der Mitte-rechts-Parteien eingehen. Bei der Parlamentswahl 2010 erhielt Smer 34,79 Prozent der Stimmen, war aber nicht fähig, eine mehrheitsfähige Koalition zu bilden. Als potenzielle Koalitionspartner für Smer kommen nun die Christdemokraten (KDH) und die ungarisch-slowakische Partei Most-Hid (Brücke) in Betracht.
Smer wurde im Jahr 1999 gegründet und integrierte in kurzer Zeit fast zehn Mitte-links-Gruppierungen, unter ihnen auch die Partei der Demokratischen Linken (SDL), in der Fico seinen politischen Aufstieg startete. Smer befürwortet den Sozialstaat, unterstreicht die Rolle des Staates in der Wirtschaft und stellt sich gegen die Privatisierung des „strategischen Eigentums“.
Im Jahr 2006 gewann Smer die Parlamentswahl und stellte zusammen mit umstrittenen Parteien, der Bewegung für eine Demokratische Slowakei (HZDS) und der Slowakischen Nationalpartei (SNS), die Regierung. Besonders das Bündnis mit der nationalistischen SNS, die durch Hetze gegen Roma und Ungarn ihre Anhänger mobilisiert, war ein Dorn in den Augen der slowakischen intellektuellen Linken und der europäischen Sozialisten. Nach 2010 wurde die Mitgliedschaft von Smer in der Partei der Europäischen Sozialdemokraten (SPE) für einige Zeit auf Eis gelegt. Im Dezember 2009 wurden sie wieder Vollmitglied.
Slowakische Nationalpartei (SNS)
Auch die Slowakische Nationalpartei (SNS) will in das slowakische Parlament. Gemäß Meinungsumfragen könnten sie die Fünfprozenthürde für den Einzug ins Parlament überschreiten. Die SNS konzentriert sich auf die Verteidigung nationaler Interessen und auf die Identifizierung der angeblichen Feinde der Nation. Anfang der 90er Jahre stand die Ablehnung des „Tschechoslowakismus“ im Vordergrund, derzeit sind es Roma und Ungarn. In der Zeit von 2006 bis 2010 war die SNS Bestandteil der linksnationalen Koalition unter Führung der Smer.
Die von SNS-Vertretern besetzten Ministerien gingen von Skandal zu Skandal, was am Ende dazu führte, dass Smer die SNS-Vertreter kurzerhand aus den Ministerien entließ. Seitdem sind die Beziehungen zwischen Smer und SNS erkaltet, und es ist kaum vorstellbar, dass Smer noch einmal ein Bündnis mit der SNS eingehen würde.
OLnO: Gewöhnliche Menschen ...
Chancen auf einen Einzug ins Parlament hat auch die Partei Gewöhnliche Menschen und unabhängige Persönlichkeiten (OLnO), die in Umfragen bei über fünf Prozent liegt und vom Abgeordneten Igor Matovic gegründet wurde. Matovic stand auf der Liste der neoliberalen SaS, wurde aber nach mehreren Konflikten aus der SaS-Parlamentsfraktion ausgeschlossen.
Matovic hat sich durch schonungslose Kritik an Robert Fico und dessen Partei Smer einen Namen gemacht. Er agiert nach Ansicht von Beobachtern sehr geschickt und ist populär. Kritiker erachten ihn allerdings als unberechenbaren Populisten, dem es nicht um sachliche Kritik geht, sondern um Präsenz in den Medien. Für Matovic sind alle bisher tätigen Politiker „Diebe“.
99 Prozent
Auf der Welle des allgemeinen Unmuts der slowakischen Bevölkerung gegenüber den etablierten Parteien und Politikern schwimmt auch die Partei 99 Prozent. Über das Programm dieser Partei ist nichts Näheres bekannt, sie gilt als linksorientiert. Auf der Parteiliste stehen Personen, die bisher nichts mit der Politik zu tun hatten. Diese Partei investierte viel Geld in die Fernsehwerbung und für Großplakate.
Kommentatoren vermuten, dass hinter der Partei Firmen stehen, die Geld mit dem Export von Waffen verdient hatten. 99 Prozent steht außerdem im Verdacht, bei der Registrierung falsche Unterschriften vorgelegt zu haben. Eine Bedingung für die Registrierung einer neuen politischen Partei sind mindestens 10.000 Unterschriften von Bürgern.
Das Regierungslager
Im Regierungslager der Slowakei sind vier Mitte-rechts-Parteien versammelt: die Slowakische Demokratische und Christliche Union (SDKU), die Christdemokraten (KDH), die ungarischen Minderheitenpartei Most-Hid (Brücke) und die neoliberale Partei Freiheit und Solidarität (SaS).
Slowakische Demokratische und Christliche Union (SDKU)
Die Slowakische Demokratische und Christliche Union (SDKU) bewegt sich im Wahlkampf zwischen zwei Polen. Einerseits fühlt sich die SDKU als Leader des Mitte-rechts-Blocks, anderseits hat die SDKU in den vergangenen Monaten wegen Affären viele ihrer Anhänger verloren. Das angebliche Geheimdienstdokument „Gorilla“, das vor Weihnachten 2011 anonym veröffentlicht wurde, belastet die Partei derart, dass sie Probleme mit dem Einzug ins Parlament bekommen könnte. Dabei handelt es sich um angebliche Abhörprotokolle des Geheimdienstes aus den Jahren 2005 und 2006, die in die Regierungszeit Mikulas Dzurindas (57) fallen und die Korruption am Rande von Privatisierungen aufzeigen sollen.
Die SDKU hat nach ihrer Gründung im Jahre 2000 in ihren Reihen die Gruppe der ambitionierten und reformwilligen Politiker konzentriert. Unter Federführung der SDKU und ihres Parteichefs Dzurinda wurde die Flat Tax eingeführt, es wurde die Reform des Pensionssystems bewerkstelligt, die Verfassung wurde novelliert, die Bedingungen für große ausländische Investitionen geschaffen und die Slowakei wurde in NATO und EU integriert.
In seiner zweiten Amtsperiode als Premier (2002 bis 2006) sprach die Opposition von verdächtigen Finanzierungen der SDKU und angeblichem Stimmenkauf bei wichtigen Parlamentsabstimmungen. Angesichts dieser Anschuldigungen verzichtete Dzurinda vor der Parlamentswahl 2010 auf seine Parlamentskandidatur, die SDKU-Wahlliste wurde von Iveta Radicova, einer Quereinsteigerin in der Politik, angeführt.
Das hat sich als erfolgreicher Schachzug erwiesen, die SDKU konnte 15 Prozent der Stimmen gewinnen und im Bündnis mit den Mitte-rechts-Parteien ihren größten Rivalen, die linksgerichtete Smer (Richtung), in die Opposition schicken. Die Koalition der Mitte-rechts-Parteien, die nach der Parlamentswahl 2010 gebildet wurde, schleppte sich von Krise zu Krise. Radicova konnte die widersprüchlichen Interessen nicht unter einen Hut bringen. Zuletzt war die Koalition nicht fähig, eine einheitliche Haltung zur Teilnahme der Slowakei am Euro-Rettungsschirm zu finden und sie zerfiel.
Christdemokratische Bewegung (KDH)
Die Christdemokratische Bewegung (KDH) stellt die stabilste politische Partei der slowakischen Politszene dar. Gegründet unmittelbar nach der Wende im Jahr 1990, verteidigt die KDH seitdem die konservativen Werte. In der Slowakei hört man oft, nicht die Parteien haben ihren Vorsitzenden, sondern die Vorsitzenden haben ihre Parteien.
Die KDH ist die Ausnahme, seit ihrer Gründung standen schon drei Politiker an ihrer Spitze. Nach Gründer Jan Carnogursky hat im Jahr 2000 Pavol Hrusovsky die Position des Parteichefs übernommen und im Jahr 2009 diese Position an Jan Figel übergeben.
Die KDH ging aus mehreren Spaltungen hervor. In ihrem Programm setzt die KDH ihre Akzente auf gute Beziehungen zwischen Staat und Kirche, auf Familien- und Schulpolitik. In der Mitte-rechts-Koalition nach 2010 hat die KDH das Innenministerium (Daniel Lipsic), das Gesundheitsministerium (Ivan Uhliarik) und Verkehrsministerium (Jan Figel) inne. Unter Beschuss geraten waren besonders das Gesundheitsministerium wegen des Ärztestreiks und das Verkehrsministerium, als Jan Figel den Autobahnausbau durch Public-Privat-Projekte einstellte mit der Begründung, es handle sich um Geldverschwendung.
Bei der Parlamentswahl 2010 erhielt die KDH 8,52 Prozent der Stimmen, die Umfragewerte der KDH bewegen sich derzeit bei etwa zehn Prozent. Kommentatoren vertreten die Meinung, KDH könnte unter bestimmten Bedingungen als einzige Mitte-rechts-Partei eine Koalition mit Smer stellen. Zugleich aber betonen sie, diese Entscheidung würde zu Spannungen in der KDH-Führung führen. Besonders Innenminister und Vizevorsitzender Lipsic gibt sich als einer der schärfsten Kritiker von Smer und ihrem Vorsitzenden Fico.
Gemäß Meinungsumfragen haben allerdings KDH-Anhänger keine Vorbehalte gegen ein Bündnis mit Smer.
Freiheit und Solidarität (SaS)
Die neoliberale Freiheit und Solidarität (SaS), die Richard Sulik (44) im Jahr 2009 gründete, spielt die Rolle eines Hechts in der slowakischen politischen Szene. Sulik nutzte vor allem die neuen Kommunikationstechnologien - Internet, Facebook -, um junge Menschen anzusprechen. Den Kern der Partei bilden junge erfolgreiche Unternehmer, die hauptsächlich im Finanzsektor tätig sind. Eine umfassende Steuer- und Abgabenreform, die Entkriminalisierung von Marihuana, Bürokratieabbau und erbarmungslose Kritik an der Smer - das waren die Hauptpunkte des Programmes von SaS.
Sinkende Umfragewerte versuchte die SaS durch ein deutliches Nein zur Teilnahme der Slowakei am Euro-Rettungsschirm zu kompensieren. Ihre Hartnäckigkeit führte zu einem Zerfall der Mitte-rechts-Koalition und zu vorgezogenen Parlamentswahlen. Laut Umfragen könnten sie bei der Wahl zwischen sieben und neun Prozent erzielen. Die Position von SaS wurde zuletzt allerdings durch ein Video erschwert. Dieses soll zeigen, dass Sulik in seiner Eigenschaft als Parlamentspräsident interne Koalitionsangelegenheiten mit einem der Kriminalität verdächtigen Unternehmer debattiert.
Most-Hid
Die slowakisch-ungarische Partei Most-Hid (Brücke) hat stabile Umfragewerte, die sich zwischen sechs und acht Prozent bewegen. Die Partei entstand im Jahr 2009 als Ergebnis eines Konflikts zwischen dem nationalistischen und dem liberalen Flügel in der Partei der Ungarischen Koalition (SMK).
Most-Hid unter dem Vorsitz von Bela Bugar, einem der populärsten Politiker der Slowakei, war nicht nur imstande, Stimmen von Angehörigen der ungarischen Minderheit zu gewinnen, sondern auch die Stimmen vieler Slowaken. Most-Hid trug zur Entspannung der Beziehungen zwischen der slowakischen Mehrheit und der ungarischen Minderheit bei. Die SMK, der Konkurrent von Most-Hid, wird dagegen als slowakische „Filiale“ der ungarischen Regierungspartei FIDESZ betrachtet.
Links: