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Religion als Wahlkampfstrategie

Seiner Kandidatur wurde zunächst nicht die geringste Chance gegeben, doch nun mischt er das kleine Feld der verbliebenen Bewerber auf: Wie aus dem Nichts ist Rick Santorum in den Umfragen, welcher Republikaner die besten Chancen hat, US-Präsident Barack Obama herauszufordern, an der Spitze gelandet. Santorum punktet vor allem mit einem Thema: Religion.

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Mit seinen Wahlsiegen in Missouri, Minnesota und Colorado Anfang Februar setzte Santorum zu seinem Höhenflug an. In einigen Umfragen lag er vergangene Woche bereits vor dem favorisierten Mitt Romney. Auch bei der Vorwahl am Dienstag in Michigan waren ihm gute Chancen auf den ersten Platz eingeräumt worden.

„Gesetz Gottes“ befolgen

Der Ex-Senator präsentiert sich als wahrer Führer der Konservativen. Die „Washington Post“ sieht eine ganz neue Wahlkampfstrategie Santorums: Es gelinge ihm offenbar, „Religion in seine Botschaft einzubauen“. Santorum „setzt darauf, dass die Amerikaner einen Präsidenten wollen, der Religion nicht nur zur Inspiration nutzt, sondern auch zum (politischen) Urteil“. Vor allem bei Fragen von Beziehung und Sexualität müsse man das „Gesetz Gottes“ befolgen, meint Santorum. Verhütung und Abtreibung gehören zu seinen Kernthemen.

Er tritt etwa selbst bei Vergewaltigung und Inzest für ein Verbot von Abtreibung ein. Schwangerschafts- und Vorsorgeuntersuchungen würden zu mehr Abtreibungen führen, weil schwere Erbkrankheiten schon beim Fötus im Mutterleib entdeckt werden können. Für Santorum bedeutet das, „dass wir den Bestand der Behinderten in unserer Gesellschaft ausmerzen“. Sogar Verhütungsmittel lehnt der siebenfache Vater, der seit 21 Jahren mit seiner Frau Karen verheiratet ist, ab.

Frontalangriff auf Kennedy-Aussage

Zuletzt ging er noch einen Schritt weiter: „Ich glaube nicht an ein Amerika mit absoluter Trennung von Kirche und Staat“, erklärte Santorum in einem Interview mit dem Fernsehsender ABC. Eine entsprechende Rede von John F. Kennedy während seines Wahlkampfs 1960 sei „zum Kotzen“, sagte Santorum bereits im Oktober und bestätigte diese Aussage in der ABC-Sendung „This Week“.

1995 bis 2007 im Senat

Der aus einer italienischen Einwandererfamilie stammende Santorum zog 1990 mit 32 Jahren für einen Wahlbezirk in Pennsylvania in das Repräsentantenhaus ein. Von 1995 bis 2007 gehörte er für zwei Amtszeiten dem Senat an. Nach seiner gescheiterten Wiederwahl war er unter anderem als Kommentator für den konservativen Sender Fox News tätig.

„Ich glaube an ein Amerika, in dem die Trennung von Kirche und Staat absolut ist“, hatte der Katholik Kennedy in der berühmt gewordenen Rede am 12. September 1960 vor Geistlichen in Houston erklärt. „In welchem Land leben wir denn, in dem nur Leute ohne Glauben Platz im öffentlichen Leben haben und für ihre Sache eintreten können?“, deutete Santorum Kennedys Worte in der ABC-Sendung „This Week“ um: „Das finde ich zum Kotzen - und das sollte auch jeder Amerikaner tun.“

Am Sonntag sagte er in der Sendung „Meet The Press“, die Trennung von Kirche und Staat sei nicht das, was sich die US-Gründerväter vorgestellt hätten. Kommentatoren etwa in der „New York Times“ wiesen umgehend darauf hin, dass etwa Präsident Thomas Jefferson sich vehement für die Trennung, die auch in der Verfassung steht, eingesetzt hatte. Immer häufiger findet sich in US-Kommentaren das Wort „Gottesstaat“ wenn es um Santorums Ansichten geht.

Staatliche Schulen als „Fabriken“

Präsident Obama hatte er zuvor schon vorgeworfen, er hänge einer „gefälschten Theologie“ an, „keiner Theologie, die auf der Bibel beruht“. Später deutete Santorum an, dass der Präsident eine andere Art von Christentum praktiziere. Als das Obama-Lager protestierte, meinte Santorum, er wolle damit Obama keinesfalls absprechen, dass er ein Christ sei.

Erzkonservative Positionen besetzt Santorum auch in der Bildungspolitik. Zuletzt bezeichnete er staatliche Schulen als „Fabriken“ und verwies auf das 19. Jahrhundert, als viele Amerikaner ihre Kinder noch zu Hause erzogen. Auch er selbst ließ einige seiner Kinder zu Hause unterrichten. Nachdem es mit dem Ausscheiden von Michele Bachmann zunächst danach ausgesehen hatte, dass die ultrakonservative Tea-Party-Bewegung im Rennen der Republikaner keine Rolle spielen würde, hat sich diese Bild wieder gewandelt.

Klassische „Tea-Party“-Positionen

Er sei schon eine Art „Tea-Party“-Politiker gewesen, bevor es die Bewegung der äußersten Rechten überhaupt gegeben habe, schrieb die „Washington Post“ einmal über ihn. Inhaltlich passt Santorum perfekt ins Weltbild der „Tea-Party“: Er lehnt Homosexualität strikt ab und setzt sich für das Recht jedes Amerikaners ein, eine Waffe zu besitzen. Gegen „Big Governnemt“, für weniger Staat und weniger Steuern, gegen alternative Energie, gegen engagierten Umweltschutz sind seine Leitmotive. So hat Santorum die Theorie vom Klimawandel schon mal als „Ente“ verspottet.

Er lehnt einen raschen Abzug aus Afghanistan ab und sagt, dass die Truppen so lange im Land bleiben sollten, bis die Taliban „kastriert sind“. Das weltweit kritisierte Gefangenenlager Guantanamo solle bestehen bleiben, weil er „harte Verhörmethoden“ befürworte. Beim Thema Iran seien militärische Mittel nicht vom Tisch. Der Iran führe seit der islamischen Revolution von 1979 „Krieg gegen die USA“.

Keine Gefahr für Obama?

Wie groß die Chancen Santorums wirklich sind, wird sich spätestens am „Super Tuesday“ am 6. März mit Vorwahlen in zehn Staaten zeigen. Doch auch schon Michigan könnte eine Vorentscheidung bringen: Eine Niederlage Romneys in seinem Heimatstaat wäre nach Ansicht von Kommentatoren ein ganz herber Schlag für ihn.

Für Obama wiederum wäre Santorum wohl der einfachere Gegner. Moderate Wechselwähler würden von den ultrakonservativen Ansichten eher abgeschreckt, meinen Meinungsforscher. Und auch in Umfragen werden Romney bessere Chancen gegen den amtierenden Präsidenten gegeben. „Demokraten beten für eine Nominierung Santorums“, titelte dementsprechend satirisch das „Wall Street Journal“.

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