Wie lange hält Militär zu Assad?
Ist die Stadt Homs blutiges Modell der Herrschaft für den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, wie es Hama für seinen Vater Hafis al-Assad vor 30 Jahren war, wo der Vater wochenlang den Widerstand der Muslimbrüder zusammenschießen ließ und bis zu 30.000 Tote in Kauf nahm? Vor allem das Militär soll auf Linie des Regimes gehalten werden, befindet ein britischer Experte.
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Als „Hama-Prinzip“ bezeichnete Thomas L. Friedman in seinem Buch „From Beirut to Jerusalem“ das Führungsprinzip des verstorbenen syrischen Staatschefs Hafis al-Assad. An dieses Prinzip erinnert Politanalyst Shashank Joshi vom britischen Royal United Serives Institute gegenüber der BBC. Baschar al-Assad versuche, das „Homs-Prinzip“ als Zeichen seiner Konsequenz und Handlungsfähigkeit durchzusetzen. Deutlich werde dabei allerdings die Problematik, ein Armee- und Geheimdienstnetz mit Gefolgsleuten der gleichen Glaubensrichtung zu besetzen.

Google Earth (Montage ORF.at)
Die zentralen Konfliktorte in Syrien - vor 30 Jahren Hama, nun Homs und Aleppo
Syriens Militär, zumindest die höheren Ränge, sei konfessionell geprägt und habe kaum Überlebenschancen in einem Syrien nach Assad. Solange die Konflikte kontrollierbar seien wie unter Hafis al-Assad, funktioniere das Modell der regierenden Baath-Partei. Nun, da Proteste von Homs auf die nächste große Stadt wie Aleppo übersprängen, sei die Frage von Loyalitäten noch akuter, sagte Joshi.

Reuters/Khaled Al Hariri
Die Politik des Vaters als Modell für den Sohn
Das System der Baath-Partei
Die autokratische Herrschaft der Assad-Familie ist ein auf Militär und Sicherheitsapparat basierendes Einparteiensystem mit säkularistischer Legitimation. Obwohl die völlig von der Armee kontrollierte Baath-Partei, die 1963 durch einen Offiziersputsch an die Macht kam, formal eine streng laizistische, sozialistische Ideologie mit gesamtarabischem Anspruch propagiert, ist die syrische Führung seit der Machtergreifung von Hafis al-Assad 1970/71 der alawitischen Minderheit zuzuordnen. In vielen Spitzenpositionen sitzen Personen mit engen verwandtschaftlichen Verbindungen zu dem 2000 verstorbenen Präsidenten und seinem seither regierenden Sohn Baschar al-Assad.
Übermächtiges Militär
In der Baath-Partei, einem Instrument zur Machterhaltung und Pfründeverteilung, und der Regierungsbürokratie spielt der zivile Flügel eine gänzlich untergeordnete Rolle. Das Offizierskorps, in dem die religiösen Minderheiten - neben den Alawiten auch die Christen - gegenüber der sunnitischen Mehrheitsbevölkerung stark überrepräsentiert sind, bildet wegen ihres politischen Einflusses und ihrer zahlreichen Privilegien auch auf dem zivilen Sektor eine herausragende Kaste.
Als Hauptstütze des Regimes stellt das Militär für Baschar al-Assad stets auch einen potenziellen Gefahrenherd dar. Eine Opposition mit Erfolgsaussichten kann nach Expertenmeinung nur aus der Offiziersschicht kommen, sind Experten überzeugt.
Hama als Modell für Homs?
Das Vorgehen in Homs mit laut syrischer Opposition rund 3.000 Todesopfern bisher erinnert viele an das von der Weltöffentlichkeit zunächst unerkannte Vorgehen von Hafis al-Assad gegen die sunnitischen Muslimbrüder 1982 in Hama, einer Stadt mit gut 300.000 Einwohnern.
Das Militär und die Minderheiten
Die syrische Armee, bisher eine tragende Säule des Regimes, rekrutiert sich seit jeher aus Angehörigen religiöser und ethnischer Minderheiten. Schon in den Jahren der Mandatszeit nach dem Ersten Weltkrieg hatten die Franzosen bei der Aufstellung ihrer „Troupes speciales du Levant“ den Drusen, Alawiten, Christen und Tscherkessen den Vorzug gegeben. Das erweckte schon damals das Misstrauen der sunnitischen Mehrheitsbevölkerung.
Hama war eine Hochburg der sunnitischen Muslimbruderschaft, die in Syrien verboten war. Die Opposition umfasste aber auch panarabische Nationalisten. Assads laizistische Baath-Partei sah die Muslimbrüder, die die Einheit von Religion und Staat forderten, als Bedrohung an und unterdrückte sie blutig. Die Islamisten versuchten ihrerseits, Assads Regime mit Terroranschlägen zu destabilisieren. Im Februar 1982 brachen in Hama schwere Unruhen aus. Assads Truppen riegelten mehrere Stadtviertel ab und gingen mit schweren Waffen gegen die Islamisten vor, die ihrerseits alle Syrer zum Aufstand aufriefen.
Mehr als zwei Wochen lang wurde die Stadt im Nordwesten Syriens bombardiert und beschossen, auch die Altstadt. Es kam zu Massakern. Am Ende war der Widerstand gebrochen. Oppositionelle wurden eingekerkert, die Muslimbruderschaft war praktisch zerschlagen.
Nützt militärische Hilfe von außen?
Die Frage, ob im Moment eine Bewaffnung von außen eine Möglichkeit ist, den Druck des Assad-Regimes auf die Bevölkerung zu brechen, wird von Experten skeptisch bis ablehnend betrachtet. Der Direktor der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Volker Perthes, warnt entschieden vor diesem Schritt. „Eine organisierte Bewaffnung der Rebellen hieße, auf eine militärische Entscheidung im Bürgerkrieg zu setzen“, schreibt er in einem aktuellen Gastbeitrag für die Nachrichtenagentur Reuters. Darin hätte die Opposition aber auch mit gelieferten Waffen derzeit keine Chance.
Mit dem Schritt drohe genau das Gegenteil dessen einzutreten, was man anstrebe. „Eine kühle Analyse der Lage in Syrien lässt (...) viele Gründe dafür erkennen, dass ein Absturz in den vollen Bürgerkrieg die Lebenszeit des Regimes nicht verkürzen, sondern verlängern könnte“, sagte Perthes.
Russland könnte Assad Asyl anbieten
Ausdrücklich betont aber auch Perthes, dass Assads Zeit abgelaufen sei und er abtreten müsse. Perthes befürwortet zudem ein Anziehen der Sanktionsschraube. Zudem könnte es helfen, wenn Russland dem syrischen Herrscher Asyl gewähren würde, um einen Machtwechsel in Damaskus ohne immer neues Blutvergießen zu erleichtern: „Es kann den Moment geben, wo eben doch die ‚jemenitische Lösung‘ sinnvoll wird, ein verhandelter Abgang der Regimeelite, vielleicht mit Asyl in Sotschi.“ Moralisch sei das nicht die schönste Lösung, aber sie sei einem Ende vorzuziehen, bei dem der Diktator möglichst große Teile seines Landes mit in den Abgrund zieht.
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