Troika angeblich unzufrieden
In den Verhandlungen über ein zweites Kreditpaket drängt Deutschland Griechenland angeblich dazu, die Kontrolle über seine Haushaltspolitik vorübergehend an europäische Institutionen abzugeben. Sowohl die „Financial Times“ als auch die Nachrichtenagentur Reuters berichteten am späten Freitagabend von entsprechenden Forderungen.
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Die „Financial Times“ veröffentlichte ein Papier, in dem von einer wachsenden Unzufriedenheit der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) die Rede war. Diese evaluiert laufend die Fortschritte oder Nicht-Fortschritte des griechischen Sanierungskurses.
Reuters berichtete ähnlich, in der Euro-Gruppe würden derzeit Vorschläge diskutiert, die verhindern könnten, dass Hilfsprogramme permanent aus dem Ruder laufen. Einer davon stamme aus Berlin und beinhalte nun die Forderung nach einem „Haushaltskommissar“ für Athen. Deutschland macht zwar seit geraumer Zeit Druck in Richtung einer europäischen Fiskal- bzw. „Stabilitätsunion“ mit entsprechend mehr Kompetenzen für Brüssel in Sachen Haushaltsdisziplin einzelner Mitgliedsstaaten. Ein „Aufpasser“ wäre allerdings ein absolutes Novum und würde für Athen eine deutliche Beschneidung nationaler Entscheidungskompetenzen bedeuten.
Für Athen „ausgeschlossen“
Laut „Financial Times“ würde der „Haushaltskommissar“ ein Vetorecht in Budget- und Steuerentscheidungen haben, „wenn diese nicht auf einer Linie“ mit den Forderungen der Kreditgeber lägen. Laut dem Vorschlag sollten die Finanzminister der Euro-Zone gemeinsam diesen Kommissar ernennen.
„Die Budgetkonsolidierung muss einem strengen Kontrollmechanismus unterstellt werden“, zitierte die Zeitung aus dem Papier, das angeblich von den Finanzministern der Euro-Gruppe erarbeitet wurde. Griechenland „müsse einer Übertragung seiner Haushaltskompetenzen auf die europäische Ebene für eine gewisse Zeit zustimmen“.
Der Plan auf Initiative Berlins zeige, wie „tief das Misstrauen zwischen Griechenland und seinen europäischen Kreditgebern“ bereits sei. Griechenland winkte am Samstag jedenfalls ab: „Es ist ausgeschlossen, dass wir das akzeptieren, diese Kompetenzen fallen unter die nationale Souveränität“, hieß es aus Athen.
Liste „dringender Maßnahmen“
In einem zusätzlichen Strategiepapier vom Montag, das der „Financial Times“ laut eigenen Angaben ebenfalls vorliegt, hätten außerdem die EU und der IWF eine zehnseitige Liste „dringender Maßnahmen“, die Athen erfüllen müsse, erstellt. Eine Forderung darin soll die nach dem Abbau von weiteren 150.000 Stellen in der öffentlichen Verwaltung binnen drei Jahren sein. Außerdem würden weitere Kürzungen in den Bereichen Verteidigung und Gesundheitswesen verlangt.
Die Troika muss der Regierung in Athen bescheinigen, dass die geforderten Reformen auf Kurs sind. Erst dann können neue, dringend benötigte Hilfsgelder fließen. Wesentliche Voraussetzung dafür ist allerdings auch eine Einigung über einen Schuldenschnitt. In den Verhandlungen erzielten Regierung und Gläubiger am Freitag weitere Fortschritte. Das zweite Hilfspaket für Griechenland umfasst nach derzeitigem Stand 130 Milliarden Euro.
Hoffen auf baldigen Schuldenschnitt
Ministerpräsident Lukas Papademos sagte, er rechne „binnen Tagen“ mit einer Einigung auf einen Schuldenschnitt. „Fortschritte wurden erzielt“, hieß es auch in einer schriftlichen Erklärung des Internationalen Bankenverbandes (IIF). Allerdings liefen die Gespräche zäh. IIF-Geschäftsführer Charles Dallara soll als Vertreter der Banken einen etwas günstigeren Zins für die neuen Anleihen vorgeschlagen haben, die die alten griechischen Staatsanleihen ersetzen sollen. Nunmehr sei ein Zinssatz von 3,8 Prozent im Gespräch. Noch vor wenigen Tagen habe Dallara 4,0 Prozent im Durchschnitt vorgeschlagen.
Die Zinsen sollten aber steigen, sobald sich die griechische Wirtschaft wieder erhole. Der Zinssatz für die neuen Papiere ist ein zentraler Streitpunkt in den Verhandlungen über einen „Haircut“ für den griechischen Schuldenberg über rund 100 Mrd. Euro.
Gespräche ausgesetzt
Die Gespräche über den Schuldenschnitt wurden am Samstag zunächst beendet. Eine Einigung gab es nicht. In einer Erklärung des Internationalen Bankenverband (IIF) hieß es anschließend, es seien „neue Fortschritte“ gemacht worden, so dass mit einem Abschluss der Verhandlungen in der kommenden Woche gerechnet werden könne.
Doch selbst wenn eine Absichtserklärung über einen Schuldenschnitt zustande kommt, bedeutet das noch keinen endgültigen Erfolg für die dringend benötigte Umschuldung. Denn unklar ist nach wie vor, wie viele Investoren tatsächlich mitziehen würden - und um wie viel die Schulden dann tatsächlich reduziert würden. Als einer der größten Gläubiger will sich die EZB bisher nicht an einem Schuldenerlass beteiligen.
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