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Schuldenschnitt auch bei EZB?

Seit Tagen tobt hinter den Kulissen der Streit darüber, ob der IWF, die Euro-Staaten und die Europäische Zentralbank (EZB) Griechenland die seit eineinhalb Jahren gewährten bilateralen Kredite (teilweise) erlassen sollen. Nun lässt der luxemburgische Regierungschef und Vorsitzende der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, mit einem neuen Vorstoß aufhorchen.

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Die Gläubigerstaaten sollen auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten, sagte Juncker dem „Standard“ (Freitag-Ausgabe). Eine Summe nannte Juncker dabei nicht. Auch im deutschen „Handelsblatt“ (Freitag-Ausgabe) schloss Juncker nicht aus, dass neben den privaten Gläubigern auch die EZB und die Euro-Staaten Griechenland Schulden erlassen müssten. Solche Lösungsvorschläge halte er „nicht für völlig absurd“, sagte Juncker dem Blatt. Mit einem Teilerlass könne das Ziel, die öffentliche Verschuldung des südosteuropäischen Landes bis 2020 auf „tragfähige“ 120 Prozent zu reduzieren, noch erreicht werden, so Juncker im „Standard“.

Privater Schuldenschnitt reicht offenbar nicht

Ursprünglich sollte das Ziel dadurch erreicht werden, dass private Gläubiger und Banken „freiwillig“ auf entsprechend hohe Forderungen verzichten. Die Schulden sollen dabei teilweise gestrichen und eine niedrigere Verzinsung neuer Griechenland-Anleihen erreicht werden. Bei den offiziell noch nicht beendeten Verhandlungen mit den Banken werde dieses Vorhaben aber „nicht zur Gänze zu erreichen sein“, so Juncker. „Wenn die griechische Schuldentragfähigkeit unter Beweis gestellt wird und es ein Gesamtverständnis mit dem privaten Sektor gibt, wird sich auch der öffentliche Sektor fragen müssen, ob er nicht die Hilfestellung leistet.“

Verzinsung weiterhin Knackpunkt

Private Gläubiger verhandeln derzeit in Athen mit der Regierung über einen Schuldenschnitt, die Gespräche stocken aber immer wieder. Es geht um einen Erlass in Höhe von 50 Prozent der Forderungen. Dieser Schuldenerlass, der etwa hundert Milliarden Euro entspricht, ist die Voraussetzung für das im Herbst im Grundsatz beschlossene zweite Griechenland-Hilfsprogramm von IWF und Euro-Ländern in Höhe von insgesamt 130 Milliarden Euro.

Streitpunkt sind aber nach wie vor auch die Zinsen für neue, langfristige Anleihen. Die Banken und andere Gläubiger wollen bisher nicht weniger als vier Prozent im Durchschnitt. Der IWF und wichtige EU-Staaten verlangen für die neuen Anleihen dagegen einen Zinssatz von maximal 3,5 Prozent, weil sonst die Last für Griechenland immer noch zu groß sei.

Wie viele Investoren machen mit?

Zudem wollen die Banken sicher sein, dass für die neuen Anleihen britisches Recht gilt. Damit wollen die Banken verhindern, dass Griechenland in Zukunft mit einer Zwangsumschuldung drohen kann. Athen hatte bereits vergangene Woche damit gedroht, sollten nicht alle Banken am Schuldenschnitt teilnehmen, sie dazu gesetzlich zu zwingen.

Selbst wenn eine Absichtserklärung über einen Schuldenschnitt zustande kommt, bedeutet das aber noch keinen endgültigen Erfolg für die dringend benötigte Umschuldung. Denn es steht noch nicht fest, wie viele Investoren sich tatsächlich daran beteiligen. Vor diesem Hintergrund könnte die EZB ins Spiel kommen, die riesige Mengen griechischer Anleihen gekauft hat und damit ihrerseits einer der größten Gläubiger Athens ist.

Athen optimistisch

Der Chef des Internationalen Bankenverbandes (IIF), Charles Dallara, traf am Donnerstagabend mit Regierungschef Lucas Papademos und Finanzminister Evangelos Venizelos zusammen. Dabei habe es „einige Fortschritte“ gegeben, sagte ein Sprecher des Bankenverbandes am späten Abend. Athen sei optimistisch, dass die Verhandlungen über den Schuldenschnitt bis zum Wochenende oder spätestens Anfang kommender Woche abgeschlossen werden können, hieß es aus dem Finanzministerium in Athen. Wie die „Financial Times Deutschland“ (Freitag-Ausgabe) berichtete, wollen sich die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone möglicherweise am Montagabend treffen, um über die Umschuldung Griechenlands und das nächste Hilfsprogramm zu beraten.

„Unpopulärer Schritt“

Der EZB, die ebenfalls Milliarden verliehen hat, wolle er „als Chef der Euro-Gruppe keine öffentlichen Empfehlungen geben“, so Juncker weiter. Für die Regierungen der Gläubigerstaaten sei es zwar schwierig, ihren Wählern einen solch „unpopulären“ Schritt zu vermitteln - es handle sich aber um „keine Maßnahme, die sofort von den eigenen Bürgern verstanden werden“ müsse, „das ist keine Frage, die mich sonderlich bewegt“.

Die Finanzminister der Gläubigerstaaten hatten seit Beginn des bilateralen Kreditprogramms für Griechenland Mitte 2010 immer beteuert, dass es sich bei dem Hilfspaket nicht um verlorene Zuschüsse handle und dass die Kreditgeber daran „sogar verdienen“ könnten. In den vergangenen eineinhalb Jahren haben die Euro-Länder 73 Mrd. Euro nach Athen fließen lassen, rund 2,3 Mrd. davon stammten aus Österreich.

Gegenüber dem „Handelsblatt“ deutete Juncker an, dass das zweite Hilfspaket für Griechenland teurer ausfallen könnte als bisher erwartet. Die Euro-Staaten müssten Griechenland länger helfen als bisher diskutiert. Zehn Jahre bis 2020 würden nicht genügen, sagte Juncker der Zeitung. Zuletzt war davon ausgegangen worden, dass Griechenland 2020 auf den Kapitalmarkt zurückkehren können werde.

Juncker will nicht mehr

Juncker hat offenbar keine Lust mehr auf seinen Job als Chef der Euro-Gruppe. „Es liegt nicht im Spektrum meiner Ambitionen, dieses Amt weiterzuführen“, sagte Juncker dem „Handelsblatt“. Die Führung der Euro-Gruppe sei „ein aufreibender Job, der aus einer Unmenge von Gesprächen und Telefonaten besteht“. Nun komme es also darauf an, jemanden zu finden, der dieses Amt übernehmen könne und wolle.

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