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Der Tabubrecher aus dem US-Süden

Zwei Jahrzehnte wartete Tennessee Williams vergeblich auf den Erfolg, den ihm „Endstation Sehnsucht“ und sein Frühwerk beschert hatten. Aber die Erfolgsnummer schien dahin. Ein halbes Dutzend Theaterstücke, die er von 1962 bis zu seinem Tod 1983 schrieb, hielten sich zusammen nicht einmal 100 Tage am Broadway. Williams war 71, als er, schwer medikamentenabhängig, in einem New Yorker Hotel an der verschluckten Kapsel seiner Nasentropfen erstickte.

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Obwohl nicht autobiografisch angelegt, reflektieren Williams’ Dramen, Romane und Kurzgeschichten immer die eigenen Ängste und Zwänge, seine homosexuellen Traumata, die inzestuöse Neigung zur später geisteskranken Schwester Rose, die Schrecken des zerrütteten Elternhauses und die Unentrinnbarkeit aus der bigotten, südstaatlichen Moral.

Tennessee Williams

AP

Der 31-jährige Tennessee Williams in seinem New Yorker Apartment

Seiner Zeit oft voraus

Tennessee, wie er sich als Künstler nannte, wagte sich in einer Zeit, als das noch tabu war, an die Darstellung häuslicher Gewalt, roher Sexualität und geistiger Verwirrung. Einige seiner jetzt gezeigten Schriftstücke aus der Nachkriegszeit lassen erkennen, wie schwer sich auch Londons Theaterwelt mit dem schwulen Amerikaner tat. Sein „Die Katze auf dem heißen Blechdach“-Skript passierte die britische Zensur erst nach 31 Textänderungen.

Williams Mutter brüstete sich in einem Buch („Remember Me to Tom“) mit dem erfolgreichen Sohn mit den Worten: „Es gibt keine niederträchtige Tat, die mein Sohn nicht beschrieben hat“ - und fügte gleich eine Liste hinzu: „Mord, Kannibalismus, Kastration, Wahnsinn, Inzest, Vergewaltigung, Untreue, Nymphomanie und Homosexualität.“

Williams ging neue Wege und war seiner Zeit oft weit voraus, vermutlich deshalb ließ das vernichtende Echo nie lange auf sich warten.

Leitfigur Frank Merlo

1975 äußerte sich Williams in einem Interview zu dem Chaos in seinem Leben unter anderem durch den Tod seines langjährigen Sekretärs und Geliebten Frank Merlo. „Meine Theaterstücke aus den 40er und 50er Jahren waren relativ konventionell, weil ich selbst noch ausgeglichen war. Damals hatte die schreckliche Phase meiner fast klinischen Depression noch nicht eingesetzt. Aber je verzweifelter ich wurde, desto mehr musste ich meinen Stil ändern. Denn mein Zustand passte einfach nicht mehr zu dem herkömmlichen Muster eines Dramas.“

Thomas Lanier Williams war 1911 als Sohn einer ehemaligen Provinzschönheitskönigin und eines zu Jähzorn und Trunksucht neigenden Schuhverkäufers zur Welt gekommen. Er studierte und überlebte durch Gelegenheitsjobs, bis 1944 mit dem Bühnenwerk „Die Glasmenagerie“ der verdiente Durchbruch kam.

Zehn bis 15 Jahre lang galt er als der größte Autor des amerikanischen Theaters. Unter seinen bekanntesten Werken sind auch „Die tätowierte Rose“, „Casino Real“ und „Plötzlich im letzten Sommer“.

Zwei Pulitzer-Preise als Lohn

Zweimal wurde Williams mit dem Pulitzer-Preis belohnt. Hollywood-Stars wie Marlon Brando, Elizabeth Taylor und Vivien Leigh verhalfen den Filmversionen seiner Stücke zu Weltruhm. Auch das amerikanische Gegenwartstheater, etwa das eines David Mamet, wäre ohne Williams nicht denkbar.

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