Themenüberblick

700.000 Genossenschafter bei Konsum

Rund 17.000 Mitarbeiter in 23 Konsum-Firmen waren von der Insolvenz des Konsum am 31. März 1995 betroffen. Mit einem Schuldenberg von knapp 1,89 Milliarden Euro (26 Mrd. Schilling) galt der Ausgleich des Konsum damals als größte Pleite der Zweiten Republik.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Die Entwicklung der Konsumgenossenschaften ab Mitte des 19. Jahrhunderts hatte zunächst positiv begonnen. Vor über 150 Jahren, 1856, wurde im niederösterreichischen Teesdorf der erste österreichische Konsumverein gegründet. Ziel der Arbeiter war, gemeinsam Preissteigerungen bei den Lebensmitteln zu entgehen. Wenige Jahre später gab es bereits Hunderte Konsumgenossenschaften. Im Ersten Weltkrieg übernahmen sie Verteilungsfunktionen von Lebensmitteln - mit entsprechend lukrativen Auswirkungen auf die Gewinnzahlen der Genossenschaften.

„Dritte Säule der Arbeiterbewegung“

Im Ständestaat der 30er Jahre und unter den Nationalsozialisten gerieten die Konsumgenossenschaften nicht zuletzt aufgrund der starken sozialdemokratischen Verankerung in Bedrängnis, sie wurden zum Teil ganz in dem „Gemeinschaftswerk der deutschen Arbeitsfront“ einverleibt.

Ab 1945 begann der Aufstieg des Konsum auf bis zu 17.000 Mitarbeiter, 1.055 Standorte, fast 700.000 Quadratmeter Verkaufsfläche und mehr als 700.000 Genossenschafter. Diese waren mehrheitlich in der SPÖ verankert. Entsprechend wurde der Konsum, neben der SPÖ und dem Gewerkschaftsbund, als „dritte Säule der Arbeiterbewegung“ gesehen.

„Konkurrenz nicht wahrgenommen“

„Die Entwicklung des Konsum ab 1945 war ein Erfolgsweg“, betont Johann Brazda vom Fachbereich Genossenschaftswesen im Institut für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Wien. „Es war aber ein schwerer Fehler, dass man nicht realisiert hat, dass sich ein neues Marketing, insbesondere aus den USA kommend, im Einzelhandel entwickelte. Die Konsumgenossenschaften fühlten sich zu stark. Neue Konkurrenz wurde nicht wahrgenommen.“ Gerade in dieser Situation sei das Problem einer Verbundstruktur stärker zum Tragen gekommen. Brazda: „Die Konsumgenossenschaften waren regional organisiert. Wie dirigiert man so einen Bereich, wo es keine wirklichen Durchgriffsrechte gibt?“

Die Probleme seien in einigen europäischen Ländern ähnlich gewesen, erklärt der Genossenschaftsexperte. In Österreich wurde versucht, mit der Gründung von Konsum Österreich 1978 eine Einheitsgenossenschaft zu schaffen. Unter Konsum-Generaldirektor Manfred Kadits schlossen sich mit Ausnahme einiger weniger regionaler Genossenschaften etwa im Ausseerland und im Salzkammergut die meisten zum Konsum Österreich zusammen. Die Fusion war eine Notwendigkeit geworden. Der neue Konsum wurde aber in der Öffentlichkeit positiv als „roter Riese“ aufgenommen.

Kostspielige Fehlentscheidungen

„Der Schritt zum Konsum Österreich kam bereits zu spät“, ist Brazda überzeugt. Die beginnende Konkurrenz der Diskonter machte dem Handelsunternehmen zu schaffen. Zudem kamen teure Fehlentscheidungen wie etwa das 720-Millionen-Schilling-Zentrallager in Hirschstetten. Ende der 80er Jahre lag der Verlust bereits bei 1,3 Milliarden Schilling. Auch die politische Intervention roter Gewerkschafter, fehlende Kontrolle und riskante Geschäfte beschleunigten den Niedergang.

Schweizer Partnerschaft hilft kaum

Anfang der 90er Jahre zog sich ÖGB-Präsident Anton Benya, langjähriger Vorsitzender des Konsum-Aufsichtsrats, zurück. Hermann Gerharter übernahm die Führung von Kadits. 1994 wollte er wieder in den schwarzen Zahlen sein. Der geplante Verkauf des Wiener Kaufhauses Steffl wurde aber ein Flop, 60 defizitäre Coop-Läden und Inform-Parfümerien gingen an Billa. 1993 ging der Konsum eine Kooperation mit dem Schweizer Handelsriesen Migros ein.

Ex-Konsum-General Hermann Gerharter

APA/Kelly Schoebitz

Hermann Gerharter versuchte, den Konsum zu retten

Migros erhielt für 60 eingebrachte familia/Dogro-Märkte 25 Prozent an der neu gegründeten KGM/familia-Gesellschaft. Außerdem übernahm Migros die Hälfte der Anteile und die Unternehmensleitung der gemeinsamen Gesellschaft Konsum/Migros-Warenhandelsgesellschaft.

Aber auch damit konnten die Verluste nicht abgebaut werden. Es wurde überlegt, den 30,66-Prozent-Anteil an der BAWAG zu verkaufen genauso wie die Konsum-Möbelhäuser und die Gerngross-Gruppe. 1995 entschieden sich die Schweizer nicht zuletzt aufgrund von Differenzen zum Rückzug. Am 31. März musste Konsum den Ausgleich anmelden, kurz darauf wurde das Verfahren eröffnet.

Filialen aufgeteilt

Hansjörg Tengg übernahm von Gerharter die Führung. Die Gläubiger akzeptierten die 40-prozentige Ausgleichsquote. Nur mit Hilfe der Gläubigerbanken konnte ein drohender Konkurs abgewendet werden. Im Falle eines Konkurses wäre auch die Nachschusspflicht der Konsum-Genossenschafter zum Tragen gekommen.

Mit dem Ausgleich kam auch die Aufteilung der Genossenschaft. Die BAWAG-Anteile wurden für 4,3 Milliarden Schilling an die Bayerische Landesbank verkauft. Rund 630 Filialen wurden unter Spar, Billa, Adeg und Löwa aufgeteilt. Gerngross ging an den Palmers-Konzern, die Brotfabrik Ährenstolz an Ankerbrot. Diese Gewinne aus der Konsum-Insolvenz brachte allerdings einige ins Trudeln. Meinl und Löwa verschwanden von der Bildfläche, auch Ährenstolz war nicht ganz unbeteiligt an der Ankerbrot-Pleite.

Konsum heute

Einige kleinere regionale Konsumgenossenschaften waren von der Insolvenz nicht betroffen, da sie eigenständig waren. Der Konsum Salzkammergut musste nun aber im vergangenen Jahr aufgeben. Die Schulden belaufen sich auf 4,5 Millionen Euro. Von den fast 3.000 Mitgliedern wäre nicht einmal ein Zehntel davon zu holen, selbst wenn alle zahlen würden.

Ein bisschen lebt der Konsum auch heute noch im Lebensmittelhandel weiter. Aus einem Konsum-Tochterunternehmen entstanden etwa die Okay-Kleinsupermärkte, die vor allem an Bahnhöfen Proviant für die Reise verkaufen.

Gerharter landete vor Gericht

Im Juli 2001 wurde Ex-Konsum-General Hermann Gerharter, nachdem er bereits wegen fahrlässiger Krida zu einer bedingten Haftstrafe und einer Geldstrafe verurteilt worden war, wegen betrügerischer Krida zu sechs Monaten Haft plus 15 Monate auf Bewährung verurteilt. Dieses Urteil wurde im Dezember 2002 vom Obersten Gerichtshof auf 15 Monate bedingt reduziert, damit blieb Gerharter das Gefängnis erspart.

Grund für das Verfahren: Gerharter hatte noch knapp vor der Ausgleichseröffnung über das Konsum-Vermögen ein Belastungs- und Veräußerungsverbot für seine Villa in Gießhübl bei Wien sowie ein Jagdhaus in der Steiermark erwirkt. Den Besitz hatte er zuvor seiner Frau und seinen beiden Töchtern überschrieben.

Links: