„Verneigung“ vor Küstenbewohnern
Fünf Tage nach der folgenschweren Havarie des Kreuzfahrtschiffes „Costa Concordia“ vor der toskanischen Küste hat der seither heftig unter Beschuss geratene Kapitän Francesco Schettino erstmals Fehler eingestanden. Gegenüber den italienischen Justizbehörden gestand er, das Schiff zu nahe an die Insel Giglio manövriert zu haben, wodurch das Schiff gegen einen Felsen fuhr.
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Der 52-jährige Kapitän, seit 2006 im Dienst der Reederei Costa Crociere, dem Betreiber der „Costa Concordia“, steht, gab zu, dass er vor der Insel ein Manöver namens „Die Verneigung“ vollführen wollte, bei dem das Schiff mit voller Beleuchtung und Sirenen die Küstenbewohner grüßt.
„Kenne die Strecke gut“
„Das Manöver war schon beim Start in Civitavecchia beschlossen worden, doch ich habe einen Fehler gemacht. Ich kenne die Strecke gut und ich hatte das Manöver schon drei- oder viermal vollführt. Diesmal bin ich in zu seichtes Wasser geraten. Ich weiß nicht, warum das passiert ist. Ich war Opfer meiner Gedanken“, sagte Schettino den Ermittlern bei einer dreistündigen Anhörung.
Noch 28 Vermisste
Die italienischen Behörden verzeichneten nach der Havarie des Schiffes vor der Insel Giglio am Mittwochabend noch 22 Vermisste. Die Zahl der Toten wurde zu diesem Zeitpunkt mit elf angegeben, außerdem gab es rund 80 Verletzte. Zum Zeitpunkt des Unglücks am Freitagabend waren mehr als 4.000 Menschen an Bord, darunter 77 Österreicher, die wohlauf sind.
Am Sonntag hatte bereits die Staatsanwaltschaft schwere Vorwürfe gegen den Kapitän erhoben. Dieser habe den Luxusliner „extrem ungeschickt“ zu nahe an die Insel herangeführt, so ein Staatsanwalt. Zudem habe Schettino das Schiff lange vor dem Ende der Evakuierungsaktion verlassen. Damit habe er die Passagiere sich selbst überlassen, darunter 300 Kinder und Behinderte.
„Ausgerutscht und in Boot gestürzt“
Schettino bestritt jedoch eine Flucht. „Die Passagiere drängten sich auf dem Deck, um auf die Rettungsboote zu kommen. Ich hatte nicht einmal eine Schwimmweste an, weil ich sie einem Passagier gegeben hatte. Ich versuchte, die Passagiere in die Boote zu bringen. Doch plötzlich hat sich das Schiff um 70 Grad geneigt, ich bin ausgerutscht und in ein Boot gestürzt“, rechtfertigte sich Schettino. Wegen der starken Neigung habe er nicht mehr in die „Costa Concordia“ zurückkehren können. Er habe jedoch die Evakuierungsaktion unweit des Schiffes koordiniert.

AP/Giacomo Aprili
Schettino wurde am Sonntag in U-Haft genommen und verließ diese am Dienstag wieder. Die Richterin sah keine Fluchtgefahr.
Der Staatsanwalt der toskanischen Stadt Grosseto, Francesco Verusio, bestritt die Version des Kapitäns. Andere Besatzungsmitglieder seien sehr wohl an Bord zurückgekehrt, um den Passagieren zu helfen, sagte der Staatsanwalt.
Gericht: Kapitän unterschätzte Schaden
Das Gericht teilt die Ansicht der Staatsanwaltschaft: Schettino habe ein „unbesonnenes Manöver“ durchgeführt, als er der Insel Giglio „viel zu nah kam“, teilte das Gericht in Grosseto am Mittwoch mit. Außerdem habe der Kapitän nach der Kollision mit einem Felsen vor der toskanischen Insel den Schaden am Schiff „unterschätzt“ und dadurch eine Alarmmeldung verzögert. Untersuchungsrichterin Valeria Montesarchio sieht „ernste Indizien“ für eine Schuld des Kapitäns.
Als Schettino das Schiff verlassen hatte, habe er „keinen ernsthaften Versuch“ unternommen, „zumindest wieder in die Nähe“ der „Costa Concordia“ zu kommen, wo die Evakuierung noch voll im Gange war, erklärte das Gericht nach der ersten Vernehmung des Kapitäns. Dass er zuvor nach dem Aufprall mit einer improvisierten Wende versucht habe, den Hafen von Giglio zu erreichen, „entbindet ihn nicht seiner Verantwortung“, teilte das Gericht in einer schriftlichen Stellungnahme mit.
Protest gegen Haftentlassung
Die Staatsanwaltschaft will Schettino einem Drogentest unterziehen. Der Kapitän sträubte sich nicht dagegen. Er habe weder getrunken noch Suchtgift konsumiert, versicherte er. Die Staatsanwaltschaft wolle gegen den Beschluss einer Untersuchungsrichterin, Schettino unter Hausarrest zu stellen, Einspruch erheben. „Wir können eine Person nicht im Gefängnis halten, nur weil es die Öffentlichkeit verlangt“, erwiderte Untersuchungsrichterin Valeria Montesarchio laut italienischen Medien. Verusio dementierte, dass Schettino am Samstag verhaftet worden sei, weil er flüchten wollte. Vielmehr habe man eine Manipulation von Beweisen befürchtet.
Inzwischen laufen die Ermittlungen zu dem Unglück weiter. Zwei Offiziere, die mit Schettino am Abend der Katastrophe das Schiff verlassen hatten, sind ins Visier der Staatsanwälte geraten. Ermittlungen sollen auch gegen den für Krisen zuständigen Manager der Reederei Costa Crociere aufgenommen werden, berichteten italienischen Medien.
Monti gibt fünf Mio. Euro für Notstand
Die italienische Regierung unter Mario Monti will in dem betroffenen Gebiet den Notstand ausrufen. Dadurch soll schnelle Hilfe ermöglicht und sollen zusätzliche Geldmittel lockergemacht werden. Fünf Millionen will die Regierung dafür zur Verfügung stellen.
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