Unsicherheit auf Märkten zu groß
Der scheidende Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann hat der Bankenbranche ein „unruhiges Jahrzehnt“ vorausgesagt. Viele Geldhäuser in den USA und Europa sehen sich derzeit gezwungen, ihre Geschäftsstrategien zu überdenken. Verunsicherte Investoren halten sich in der Euro-Schulden- krise auf den Märkten zurück, das Kapitalmarktgeschäft ist vom Gewinnmotor zur Wachstumsbremse geworden.
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So rechnet etwa die französische Großbank Societe Generale (SocGen) in diesem Jahr mit einem deutlichen Rückgang ihrer Einnahmen im Investmentbanking. Gründe dafür sind höhere Finanzierungskosten und Maßnahmen zur Reduzierung der Bilanz, wie aus einem internen Schreiben der Bank an die Arbeitnehmervertreter hervorgeht, das Reuters vorliegt. Das zweitgrößte börsennotierte Geldhaus Frankreichs wolle zudem seine Finanzierungsaktivitäten im Immobilien-, Schiffs- und Flugzeugbereich aufgeben oder stark verringern. Eine Sprecherin des Kreditinstituts lehnte eine Stellungnahme ab.
Erst im Dezember vergangenen Jahres hatte SocGen einen Managementumbau bekanntgeben und den Finanzchef ausgewechselt. Damit will die Bank das Vertrauen der Investoren nach einem enttäuschenden Geschäftsjahr zurückgewinnen. Die Schuldenkrise in Griechenland hatte der Großbank einen überraschend starken Gewinneinbruch beschert.
Jobs brechen weg
Nach Meinung von Experten sind weitere Kahlschläge im Investmentgeschäft der großen US- und europäischen Banken unvermeidlich, um die wegbrechenden Erträge zu kompensieren. Investmentbanker müssen auch in diesem Jahr um ihre Job zittern. Die Analysten der US-Großbank JPMorgan erwarten bei den Instituten im laufenden Jahr weitere Stellenstreichungen von bis zu zehn Prozent, wie aus einer kürzlich veröffentlichten Studie hervorging. Banken haben weltweit bereits mehr als 100.000 Jobs gestrichen, da sie wegen der stärkeren Regulierung und der Euro-Schuldenkrise mit schrumpfenden Gewinnen kämpfen.
Enorme Verluste im abgelaufenen Jahr
Nach Schätzungen der Experten von JPMorgan sind die Einnahmen der Institute in dem Segment 2011 um acht Prozent gesunken, dabei war das Anleihegeschäft besonders betroffen. Doch auch in der Königsdisziplin Investmentbanking - der Beratung von Fusionen und Übernahmen - brach das Geschäft ein, besonders im vierten Quartal.
Von den sinkenden Beratungseinnahmen waren 2011 nahezu alle großen Investmentbanken betroffen. Spitzenreiter JPMorgan verdiente zwei Prozent weniger, der drittplazierte Konkurrent Morgan Stanley sechs Prozent weniger und Goldman Sachs sogar elf Prozent weniger. Bei der Deutschen Bank sanken die Beratungsgebühren um acht Prozent. Auch die Schweizer Großbanken Credit Suisse und UBS planen größere Einschnitte. Bei der britischen Royal Bank of Scotland stehen laut Medienberichten 10.000 Stellen auf der Kippe.
Großes Minus auch bei Hedgefonds
Auch Hedgefonds schnitten 2011 so schlecht ab wie selten zuvor. Daten aus der Branche zufolge verbuchten Hedgefonds im vergangenen Jahr insgesamt einen Verlust von 4,8 Prozent. Im Vergleich dazu kam der S&P-500-Index der US-Börsen nahezu ohne Verlust durch das abgelaufene Jahr. 2010 war bei den Hedgefonds noch ein Plus von rund zehn Prozent in den Büchern gestanden. 2011 ist erst das dritte Jahr für die Branche mit Verlusten seit Beginn der Berechnungen durch den Dienst Hedge Fund Research im Jahr 1990.
Wie nervös die Banken derzeit sind, zeigt sich in anhaltend hohen Einlagen bei der EZB: Seit Wochen bunkern Banken zu vergleichsweise schlechten Konditionen Rekordsummen bei der EZB, anstatt einander Geld zu leihen. Die Banken lagern mittlerweile fast so viel Geld bei der Zentralbank ein, wie sie sich vor knapp vier Monaten im Rahmen eines Sonderprogramms der EZB von dieser geborgt hatten.
Ackermann: Zeit der einfachen Gewinne vorbei
Ackermann prophezeite kürzlich, dass das Zittern der Banken noch länger anhalten werde. Ihnen stehe ein „unruhiges Jahrzehnt“ bevor. Die Schuldenkrise in Europa zwinge die Banken zur Neuausrichtung ihrer Geschäftsmodelle. Wer immer noch glaube, die Branche könne zu ihrem Geschäftsgebaren von vor der Finanzkrise zurückkehren, „sollte sich schleunigst eines Besseren besinnen“. Die Zeiten einfacher Gewinne sind seiner Ansicht nach vorbei. Vor allem die lange vernachlässigten Privatkunden gelten als begehrte Klientel.
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